Er liebt sie

1.6K 146 39
                                    

Sannahs Sicht

Ein kräftiger Schlag, wie das Geräusch das entstand, wenn man eine altertümliche Trommel schlug, pochte angenehm monoton gegen meine Ohren. Es strahlte eine beruhigende Wärme aus, die mich sanft umgab und in himmlischer Sicherheit wog, wie auf Wolken, die mich davon in eine andere Welt trugen. All die lauten Schreie, die Rufe und das Gejohle waren endlich verstummt und wurden von einem wunderbar weichen Untergrund und starken Armen, die mich festhielten und beschützten ersetzt. Auch wenn diese Arme ziemlich hart und wahrscheinlich angespannt waren, fühlte ich mich sicher in ihnen und konnte mich dem erholsamen Schlaf, den ich wirklich brauchte, voll und ganz hingeben. Selbst durch meine geschlossenen Lider erkannte aber ich das Licht der Abendröte, die die Umgebung nun wahrscheinlich in eine träumerische Atmosphäre trank. Mein einziger Gedanke galt in diesem Moment ausschließlich dem Wunsch, dass dies hier kein Traum sein durfte. Diese innere Ruhe war so wunderschön, dass alles was sie zerstören würde offiziell zu meinem Feind werden sollte. Jedoch konnte und durfte ich nicht ewig weiter schlafen, diesem starken und ständigen Herzschlag lauschen und mich in dem Abendrot selbst ertränken. Etwas schüchtern öffnete ich meine Augen, spürte aber glücklicherweise keinen Kopfschmerz, den ich normalerweise hätte erwarten dürfen. Allerdings behielt ich mit meiner Vermutung bezüglich der Abendsonne recht, denn sie verschwand in diesem Moment tatsächlich hinter einem großen Berg, der am Horizont kratzte. Auch mit den Armen hatte ich recht behalten und mit dem Herzschlag gleich mit. Ich lag in Iyes furchtbar zerkratzten Armen, trug einen sehr weiten dunkelroten Pullover, der vermutlich ihm gehörte und konnte seine stramme Brust dabei beobachten wie sie sich langsam hob und wieder senkte. Tatsächlich sah es wirklich so aus als würde er schlafen. Um ihn nicht zu wecken wollte ich mich eigentlich nicht bewegen, aber irgendwie zogen mich die Kratzwunden an seinen Armen magisch an. Das war ich, ich musste es gewesen sein als ich mich versucht hatte von ihm loszureißen. Vorsichtig strich ich mit meinen Fingerspitzen über eine der langsam verheilenden Wunden und strich mir dabei etwas nervös eine meiner Strähnen zurück hinter mein Ohr. 》Tzz...《 kaum hatte ich meine Finger auf seiner Wunde bewegt zuckte Iye unmerklich zusammen und öffnete schließlich seine roten Augen. Blitzschnell umschloss er meine Finger fest mit seiner Hand und zog sie weg von seinem Arm.

》Tut mir leid, habe ich dir weh getan?《 fragte ich wie erstarrt und versuchte irgendwie eine Antwort in seinem Blick zu finden.

Allerdings war ich nie wirklich gut darin eine Antwort einfach so von ihm zu bekommen, weshalb sich diese Frage für mich auch erübrigte, er sich mit Schwung kerzengerade aufsetzte und mein Gesicht zwischen seine Hände nahm. Genau wie die schwindende Sonne hinter ihm glühten auch seine Augen aufgeweckt in einem angenehmen Rotton. 》Tun die Wunden an deinem Kopf noch weh?《 fragte er mit noch von Schlaf belegter Stimme. Prüfend legte sich seine Stirn in tiefe Falten während er mein Kinn langsam nach links und rechts drehte und meine Schläfen sanft mit seinen Fingerspitzen überprüfte. Offensichtliche Erleichterung machte sich in seinem Blick breit, als er wahrscheinlich erkannt hatte, dass sich die Wunden in meinen Kopf bereits geschlossen hatten.

》Mir geht es wahrscheinlich besser als dir.《 Antwortete ich und zog seine Hände von meinen Schläfen wieder weg, bevor er unbewusst meinen Schädel hätte zertrümmern können. 》Glaub mir, mir geht es sogar besser als jemals zuvor. Aber warum liegst du hier?《 Fragte ich dann und legte seine Hände auf meinem Schoß ab.

Langsam breitete sich ein weites Grinsen auf seinen Lippen aus und auch sein roter Blick wurde finster, schien aber belustigt. 》Deine Mutter, Raziel und die anderen bereiten die Trauerfeier für Kalzifer vor und Seth hat man seit ...《 für einen Augenblick wich mir sein starrer Blick aus und seine Finger wackelten kurz hin und her, doch dann zuckte er mit seinen Schultern und fixierte mich wieder. 》... seit deinem Kampf mit Lysera nicht nehr gesehen. Cystos, einer seiner Diener, meinte bloß, dass er kaum mehr etwas isst und die meiste Zeit in seinem "Keller" verbringt.《 erklärte er mir und schüttelte leicht lächelnd seinen Kopf. 》Er scheint Spaß zu haben. Aber bist du auch wirklich in Ordnung? Du warst fast zwei Wochen weggetreten und wir mussten Gade, Lex und Alec bereits verbieten dir hier aufzulauern. Die beiden wirkten in den letzten Tagen wirklich wie zwei paranoide Stalker.《 erklärte er mir, wobei mir auch in seinem Blick die Sorge um mich auffiel.

》Zwei Wochen?《 gab ich entgeistert zurück und raufte mir wild durch mein Haar. 》Zwei Wochen sind schon seit dem Kampf vergangen und ich war vollkommen k.o?《 hakte ich erneut nur lauter nach, um auch wirklich auf Nummer sicher zu gehen, dass ich mich nicht verhört hatte.

》Ja, meine Mutter hat während ihre Finger in deinem Schädel steckten erheblichen Schaden verursacht. Das hat laut Isell eine Kurzschlussreaktion bei dir ausgelöst und nachdem Alec dich gemeinsam mit Belphegor einschlafen lassen konnten warst du völlig weggetreten.《 wiederholte er ruhig und beobachtete mich mit seinem üblichen, kühlen Gesichtsausdruck.

Alec und Belphegor hatten mich schlafen lassen? - Das Meer aus Pech in dem ich ertrank! Nun erinnerte ich mich, doch irgendetwas anderes war dort außerdem noch gewesen, irgendwas helles, klares. 》Was ist mit der Entscheidung was mit C und den anderen beiden geschehen soll, ist sie bereits getroffen worden?《 fragte ich mit angehaltenen Atem, immernoch das neue Zeichen auf meinem Körper spürend. Es prickelte angenehm, wie Regen an einem heißen Sommertag.

Iyes Brauen schnellte in die Höhe und er zog sofort seine Hände von mir zurück, als hätte ich ihn nur mit Worten schmerzhaft verbrannt. Aber dann seufzte er und nickte verständnisvoll. 》Ein Befehl von Zeira. Sie sagte ihm, dass solange er sich innerhalb der Schlossmauern aufhalten würde, wäre er ihr persönlicher Gast. Allerdings durfte er keinen einzigen Funken Magie einsetzen und sollte sich dann ganz allein deinem Urteil unterziehen.《 erklärte er mir ruhig, aber mit einem hörbaren Kratzen in seiner Stimme.

》Meinem Urteil?《 verwirrt strich ich mir über meine Beine und wurde urplötzlich furchtbar nervös. Warum sollte ich denn allein entscheiden was mit ihm geschehen sollte? Ich hatte viel zu viele positive und negative Erfahrungen ihm bezüglich gesammelt. Er hatte mich aus der Heilanstalt gerettet, stand mir die ganze Zeit zur Seite und hat mich letztendlich verlassen und schließlich auch verraten. 》Das kann ich nicht ...《 widersprach ich und senkte niedergeschlagen meinen Blick.

Nein, ich wollte es auch nicht.

》Die Königin ...《 er unterbrach sich für einen Moment selbst und verschränkte dann seine Arme fest vor seiner Brust. -Seine übliche Pose. 》Deine Mutter hat den ausdrücklichen Befehl gegeben, dass niemand außer dir die Entscheidung treffen darf und wenn du es ablehnen solltest eine Entscheidung zu treffen, wird er wegen Hochverrat vom Rat der Sünden hingerichtet.《 es war als würde er einen Text aus dem Gedächtnis zitieren. Iye war ein schlechter Schauspieler, denn an seiner Haltung und an der Betonung der einzelnen Worte konnte man nur all zu deutlich erkennen, dass er C am liebsten eigenhändig zerfleischen wollte. Ihm seine Organe aus dem Leib zu reißen, den Cerberuswachen zum Fraß vorwerfen und seinen Kopf zur Schau auf einen Spieß bohren, nichts anderes wollte er.

》Wann muss ich mich entscheiden?《 mir blieb keine andere Wahl als ihm, seinen roten Augen und der Härte in seiner Stimme nachzugeben. Würde ich ihm weiter ausweichen, würde er vielleicht nur noch zorniger werden als er es ohnehin schon war.

Nachdem du erwacht bist hast du einen Tag lang Zeit.《 sein harter Blick wurde für einen Augenblick weich und seine Arme lockerten sich einwenig. 》Sannah, ich möchte dich nicht wieder leiden sehen. Könntest du dies bitte in deine Entscheidung mit einbeziehen?《 fragte er ungewöhnlich kleinlaut während er auf mich zuging und unmerklich seine Hände um meine Wangen legte. Sie berührten meine Haut nichtmal wirklich, sondern schwebten nur leicht über ihr.

Diesmal musste ich doch noch grinsen, ja schon fast lachen und ich legte meine Finger sanft über seine Hände. 》Ich bin schon groß, stark und übrigens auch alt genug und im schlimmsten Fall seid ihr an meiner Seite und haltet meine Psyche an ihrem Platz.《

Jetzt lächelte auch er wieder und legte sanft seine Lippen auf meine Wange. 》Jawohl, meine Königin.《 wisperte er mir leise ins Ohr.

Allein unter Teufeln 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt