Herzneurose

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-Kapitel 43

| I don't wanna lose you now |
~Justin Timberlake - mirrors

°ARIANA°

Einmal hatte ich keine Luft bekommen. Es war Sommer und draußen hatte es um die 35° C. Mir war heiß, dennoch wollte ich joggen gehen, um meine Gedanken frei zu bekommen. Mir ging es an diesem Tag nicht gut. Getrunken oder gegessen hatte ich auch nichts. Ich griff einfach nach meinem Handy und nach meinen Kopfhörer. Verschwand aus meinem Haus und joggte. Ich weiß noch, dass das Lied von Bruno Mars lief. Grenade. Ich atmete, nicht regelmäßig, aber so, dass mir nicht schwarz vor Augen wurde.

Ich lief vielleicht eine halbe Stunde, Wasser hatte ich nicht mitgenommen. Mein Magen war leer und ich war durstig. Ich war müde und ich musste eine Pause einlegen. Eingestehen wollte ich es mir aber nicht, also joggte ich ohne einen Hintergedanken einfach weiter. Mein Kopf fing nach einer Weile stark an zu dröhnen und mir wurde schwarz vor den Augen. Ich hätte stehen bleiben müssen, aber ich wollte nicht schwach rüber kommen. Meine Beine zitterten genauso wie meine Arme, die ich bei jedem Schritt mitschwang. Mein Hals war trocken.

Plötzlich wie auf Knopfdruck, schnürte sich mein Hals zusammen und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Meine Lungen schmerzten stark. Ich schnappte nach Luft. Ich japste aber es schmerzte so sehr.
Meine Kopfschmerzen wurden schlimmer. Ich wäre wahrscheinlich umgekippt.
Bis eine ältere Frau zu mir gekommen ist und mich sanft auf eine Bank gezogen hat, die nicht weit entfernt war, und mir half mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Als ich nach einer Zeit, wieder regelmäßig atmen konnte, gab sie mir eine kleine Flasche Wasser und dann sagte sie ein paar Worte zu mir, die ich nie vergessen hatte.

'Es ist das schlimmste Gefühl, keine Luft mehr zubekommen. Du lebst noch immer, aber Luft bekommst du keine mehr. Entweder deine Lungen inhalieren wieder die Luft, oder aber dir entgeht es. Langsam und schmerzhaft.'

Nachdem wollte ich nie wieder so was fühlen und hatte mir fest vorgenommen genau wie die Dame zu reagieren, falls ich einmal Menschen begegne die mit einer Atemnot zu kämpfen haben.

Und dann sah ich Alban. Wie er plötzlich verstummte und wild nach Luft schnappen wollte. Wie er seine Hände hob und seine Ohren zu hielt. Sich hinkniete und seine Halsader hervorstach. Sein Kiefer war zusammengepresst und dann strack er seine Hand nach mir aus. Ich griff nach ihr, aber er hielt sie nicht fest. Er fiel einfach um und ich wusste nicht was ich machen sollte. Beinahe hysterisch schrie ich um Hilfe und legte sein Kopf auf meinem Schoß. Ich gab ihm einen Kuss auf seine Stirn und entschuldigte mich immer wieder.

Hätte ich ihn nicht angeschrien, wäre das niemals passiert.

Ich legte mein Kopf auf seine Brust, aber sein Herz schlug nur in großen Abständen. Das hatte er nicht verdient.

Irgendwann wurde ich von ihm weggerissen. Sie nahmen ihn sofort hoch und brachten ihn ins Krankenhaus. Ich rannte ihnen hinterher und verfluchte sie, weil sie mich zurück schoben.

'Du darfst nicht mit' sagten sie.

Nun saß ich auf einem Sessel und malte mir die schlimmsten Szenerien aus. Was ist wenn er es nicht schafft?
Mein Herz schmerzte bei dem Gedanken, seine Augen nicht mehr sehen zu können. Es machte mich kaputt. Das was noch übrig blieb. Ich verdrängte den Gedanken schlecht, er haftete noch lange in meinem Kopf.
Ich saß womöglich 2 Stunden dort und wusste nicht was ich dann machen sollte.

"Es tut mir leid.", sagte Dardan. Er hatte mich gefunden. Sie hatten meine Schreie mitbekommen. Ich aber sagte nichts. Ich wollte mit keinem reden. Es tat ihm nicht leid. Dardan mochte Alban nicht. Er hätte das nicht sagen sollen.

Die Ärzte riefen Ronela an. Sie war seine Ärztin also musste sie auch anwesend sein. Ronela war sofort gekommen und war in einer Stunde bei uns. Bevor sie rein ging warf sie mir einen verachtenden Blick zu. Als hätte sie gewusst, dass es wegen mir war. Und den hatte ich mehr als nur verdient.

Wie konnte sowas nur in so einer kurzen Zeit passieren? Ein Tod, den kein einziger von uns verkraften konnte. Ein Hass der größer als andere auf der Welt war. Eine Liebe die nicht erwidert wurde. Ein Leben, dass wortwörtlich schmerzhaft atmete. Wie konnte man so viel Hass und soviel Liebe auf einmal fühlen. Eine so große Eifersucht. Wie konnte man so viel Leid fühlen? Ich war nicht die einzige die litt. Albans Schmerz war vielleicht sogar noch größer als meiner. Elvir und Rion, der noch immer wegen den Tod seiner Eltern litt.

Ich hatte ihn oft gefragt wie es geschah, erzählen wollte er es aber nicht. Sarah die ihr Herz im Hintergrund behielt, weil sie Angst hatte verletzt zu werden. Dardan der in jeder scheisse steckte Inder auch Elvir, Rion, Valentino und die anderen Jungs steckten.
Valentino. Sein Schmerz konnte niemand nachvollziehen. Niemand wusste was ihn so kaputt und geschlossen gemacht hatte. Er war einfach selbst monoton und emotionslos. Keiner wollte ihn in Verlegenheit bringen. Er wollte einfach nur Respekt. Mehr erwartete er nicht.

Dardan saß noch immer neben mir und hielt meine Hand in seiner. Er war müde, das sah ich ihn an. Ich konnte mir vorstellen, dass jeder müde war. Am Boden zerstört.

Auf die nächste Sekunden wurden die hellgrauen Türen aufgemacht. Ronela und der Arzt von Elvir kamen raus. Der Arzt warf mir einen fragend Blick zu, doch der hielt nicht lange. Ronela verabschiedete sich und kam auf mich zu.
Sie setzte sich seufzend neben mich hin. Ich schaute sie fragend an. Mein Herz schlug schneller. Lebte er? Hatte er es geschafft? Warum quälte sie mich so?

"Ronela, bitte.", flehte ich sie an und drehte mich mit meinem ganzen Körper in ihre Richtung um. Dardans Hand ließ ich los.

Ronela seufzte und stützte ihren Kopf auf ihre Hände. "Er wäre fast gestorben Ariana."
Mein Herz setzte aus. Ich hatte das Gefühl, dass mein Kopf schwerer wurde. Er lebt.
Sofort schließe ich sie in meine Arme und bekam Freudentränen. Er hat es geschafft. Er atmet.

"Ariana. Sein Herz hat kurz nicht geschlagen. Hörst du?", schluchzte sie. Ich drückte sie fester in meine Arme. Es war mir egal, wie lange ich sie kannte. Ich brauchte doch selbst eine Umarmung.

"Weißt du was eine Herzneurose ist, Ariana?"
Ich antwortete nicht. Sicher war ich mir nicht.

"Patienten haben Angst an einem Herzinfarkt zu sterben. Es wird auch oft Kardiophobie genannt. Sie haben eine so große Angst, dass sie wenn sich an ihrem Körper auf nur eine Sache verändert, Panik bekommen. Eine Herzneurose hat nichts mit dem Körper zu tun. Nur mit der Psyche. Die Patienten werden immer verschlossener, ziehen sich zurück und haben oft Angstzustände. Sie glauben nicht einmal, dass sie gerettet werden können, weil sie niemanden vertrauen. Als ich mit Alban die Tests gemacht habe und ihn ausgefragt habe.. naja wovor er genau Angst hat, hat er gelacht und gesagt, dass er von seinem Herz selbst Angst hat. Er meinte, dass ihm seine Gefühle Angst machen. Ich wusste sofort, dass es etwas mit dir zu tun hat. Ariana er liebt dich, auch wenn du das nicht glaubst und er es nicht zugibt. Das Problem ist einfach nur, dass er Angst davor hat."

Ich nickte. Mehr schaffte ich nicht und mehr wollte ich auch nicht. Ich wusste sofort was sie mir damit sagen wollte. Ich nahm es ihr nicht einmal übel, es war schließlich meine Schuld. Ich hätte ihn nicht anschreien dürfen und  vor allem hätte ich mich zurück halten sollen. Wegen mir wäre er fast gestorben.

"Kurz-gefasst: Ich tue ihm nicht gut."

"Hör zu, ich will nicht eine dieser Hexen sein die auf wundervoll und perfekt macht, ich will nur das du weißt, dass die Herzrasen wegen dir entstehen. Ist jedoch nicht der einzige Grund. Wie wäre es wenn du mal zu deiner Familie gehst. Ich rufe Arta an und dann sehen wir weiter. Wenn er aufsteht werde ich ihn fragen was er will. Ariana ich mag dich, und ich mag auch Alban. Deshalb muss ich wissen was ihn gut tut und was nicht."

Ronela strich mir behutsam über den Rücken und drückte mir einen sanften Kuss auf den Kopf. Dann lächelte sie mich warm an und stand auf. Bevor sie um die Ecke verschwand sprach ich das aus, was uns alle gut tun würde.

"Ich werde mich fern halten. Es ist für alle gut. Sag ihn bitte nur, dass ich ihn liebe. Das darf er auf keinen Fall vergessen."
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Überarbeitet: 🔜

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