Als Draco am späten Abend den Gemeinschaftsraum der Slytherins betrat, musste er zu seiner Enttäuschung feststellen, dass Blaise Zabini es sich auf einem der Sessel am Feuer bequem gemacht hatte. In Gedanken verdrehte er die Augen genervt gen Himmel. Ein gemütlicher Sessel, ein Platz am Feuer und Ruhe hätte er gerade gut gebrauchen können, nachdem er sich den ganzen Tag nur mit dem Kabinett und den Informationen aus dem Buch beschäftigt und sogar das gesamte Essen hatte ausfallen lassen.
Ohne ein Wort oder auch nur einen weiteren Blick an Zabini zu verschwenden, steuerte er zielstrebig auf die Treppen zu, die hinauf in den Schlafsaal führten. Da Crabbe und Goyle noch immer im St. Mungo behandelt wurden und Theodore die Ferien über nach Hause gefahren war, würde er sich den Schlafsaal lediglich mit Blaise teilen. Der Gedanke daran, ihn zwei Wochen – oder zumindest eine ohne das Beisein von Tracey ertragen zu müssen – verursachte in ihm den Drang etwas zu zerschlagen.
Da er noch nicht sonderlich müde war, nahm er ein weiteres Mal das Buch zur Hand, setzte sich auf sein Bett und begann die nächsten Stichpunkte zu lesen. Erfreut stellte er fest dass er diese, aufgrund seiner langen Reparaturarbeiten sogar alle beantworten konnte und er sich dadurch mindestens einen Tag Arbeit gespart hatte. Als er zum zweiten Mal an diesem Tag hörte, dass jemand die Treppe zum Schlafsaal hinaufstieg, zog er mit einem Wink seines Zauberstabs schnell die Vorhänge an seinem Bett zu. Es war sowieso bloß Zabini und er hatte keine Lust sich wieder von ihm beschuldigen oder – was noch schlimmer war – bemitleiden zu lassen.
Als das leise rascheln der Vorhänge verriet, dass Zabini sich ebenfalls hingelegt hatte, nahm Draco abermals das Buch zur Hand. Doch dieses Mal kam er nicht weit, denn bereits nach ein paar Sätzen, zog etwas anderes seine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Es war ein heller Lichtschein, welcher sich außerhalb seines Bettes befand. Schnell legte Draco das Buch beiseite und griff nach seinem Zauberstab. Was hatte Zabini vor? Wollte er ihn jetzt etwa bei Nacht überwältigen um ihn von seiner Aufgabe abzuhalten?
Gespannt wartete er darauf, dass dieser im nächsten Moment den Vorhang beiseite schieben würde. Sobald er den Vorhang auch nur zucken sah, würde er einen Fluch auf ihn abfeuern. Ihn Nachts anzugreifen, ging mehr als zu weit. Doch zu seiner Verwunderung geschah nichts dergleichen. Der helle Lichtschein schwebte noch immer unverändert vor seinem Bett. ,,Draco was zur Hölle tust du da?!" Erschrocken fuhr Draco zusammen. Zabinis Stimme hallte von seinem Bett zu ihm hinüber. Wenn er nicht vor seinem Bett stand, wer tat es dann? Waren womöglich Crabbe und Goyle wieder zurückgekehrt? Aber halt, es war bereits spät am Abend. Wenn überhaupt würden sie bis zum Nachmittag angereist sein und da die beiden ihre Ferien meist wie er selbst auch, zu Hause verbrachten, war die Wahrscheinlichkeit sie hier anzutreffen sehr gering. Im nächsten Moment vernahm er ein leises Rascheln. Blaise hatte wohl gerade seine Vorhänge beiseite gezogen. Eilig tat Draco es ihm gleich und musste im nächsten Moment bereits die Augen feste zusammen kneifen, da ihn der Schein nun direkt blendete. ,,Was ist das denn? Lass das Blaise!", fauchte er und hielt sich schützend einen Arm vor seine Augen. ,,Ich bin das nicht!", antwortete Zabini in einem empörten Ton, „falls du es schon vergessen hast, ich bin ebenso unfähig einen Patronus zu erzeugen wie du."
Einen Patronus? Draco kannte niemanden der in der Lage war einen Patronus zu erzeugen. Selbst Tracey, die in allen praktischen Fächern hervorragend war und Granger Konkurrenz machte, scheiterte an diesem Zauber. ,,Von wem soll der bitteschön sein? Ich kenne niemanden der einen erzeugen kann.", blaffte er und warf einen kurzen Blick zu Blaise hinüber, der ebenfalls den Arm vor sein Gesicht hielt um sich vor den hellen Strahlen zu schützen. ,,Ich schon. Meine Mutter und ein paar ihrer Freundinnen.", antwortete dieser und ließ den Arm ein wenig sinken um die Gestalt vor ihnen betrachten zu können.
,,Was ist das? Ein Vogel?" Auch Draco ließ für einen kurzen Moment den Arm sinken um einen besseren Blick auf die Gestalt erhaschen zu können. ,,Nein verdammt, das ist ein Schmetterling." ,,Was?!", rief Zabini erschrocken. Augenblicklich riss er den Arm von seinem Gesicht fort und stolperte ein paar Schritte nach vorne. ,,Das ist der Patronus meiner Mutter!" Er warf Draco einen panischen Blick zu, als der Schmetterling auf ihn zuflog und nur wenige Zentimeter vor ihm in der Luft schweben blieb. Dann sprach er in einer hellen Frauenstimme, die auch den letzten Zweifel beiseite wischte. Es war die Stimme von Mrs. Zabini.
,,Blaise. Mein Sohn. Komm nach Hause. Der dunkle Lord wartet. Er wird uns beiden töten wenn du dich uns nicht anschließt. Komm auf unsere Seite. Komm nach Hause."
Das war alles. Kaum war der Schmetterling wieder verstummt, erlosch auch das Licht und alles was den Schlafsaal noch erleuchtete waren ein paar Kerzen und das schummrig grüne Licht des Sees, welches durch die Fenster schien. Hektisch atmend ließ Zabini sich auf sein Bett sinken. Er starrte stumm geradeaus und es schien, als sei er nicht mehr Herr über seinen Körper. Er zitterte am ganzen Leib. Dieser Anblick versetzte Draco einen Stich. Er wusste nur zu gut wie Zabini sich gerade fühlte. Genau so, wie er sich damals gefühlt hatte. Als ihm bewusst wurde, wie wenig er in der Lage war die gestellte Aufgabe zu bewältigen. Den eigenen Tod und den der Eltern im Nacken sitzen zu haben, war das schlimmste Gefühl, dass ihm bisher untergekommen war.
,,Blaise?", fragte er vorsichtig und lehnte sich ein wenig nach vorne, "du musst zu ihr." Ruckartig riss Blaise den Kopf herum und starrte Draco mit vor Entsetzen geweiteten Augen an. ,,Ich kann nicht. Ich kann mich ihm nicht anschließen. Es geht einfach nicht verstehst du. Es ist als würde eine laute Stimme in meinem Kopf immer schreien, wenn ich versuche nach Hause zu fahren, einen Brief an sie zu schicken, oder auch nur darüber nachdenke die Seiten zu wechseln."
Verblüfft starrte Draco seinen besten Freund an. Er kannte diese Anzeichen. Er selbst hatte sie noch nie verspürt, jedoch war der dunkle Lord persönlich so freundlich gewesen ihm die Auswirkungen des Imperiusfluch an einem ungehorsamen Todesser zu demonstrieren, bevor er diesen getötet hatte. Seitdem wusste Draco, dass alle, die sich unter dem Fluch befanden, die Stimme der Person hörten, die sie mit dem Fluch belegt hatte und von dieser gezwungen wurden, etwas zu tun – oder in diesem Falle nicht zu tun – was sie im normalen Zustand jedoch wollten.
,,Wie klingt die Stimme die dir das sagt?" Der blonde Slytherin schluckte schwer, als ihm mit einem Mal bewusst wurde, dass Zabini der dritte Schüler war, der dieses Jahr mit dem Imperiusfluch belegt worden war. ,,Ich...weiß es nicht. Ich habe die Stimme schon eine Zeit lang nicht mehr gehört. Sie ist nur in meinem Kopf. Aber ich kenne sie. Da bin ich mir sicher." ,,Ist es...eine Frauenstimme?" Jede Faser seines Körpers war bis zum zerreißen gespannt. Wenn Blaise die Stimme identifizieren konnte, dann würden sie vielleicht den Magier oder die Hexe ausmachen können, die für diesen Fluch verantwortlich war.
,,Es ist eine Frauenstimme. Sie ist..hell. Aber nicht so hysterisch hell wie die von Pansy. Verstehst du? Ruhig und gelassen. Meistens. Als ich heute nach Hogsmead gegangen bin hat sie mich das erste Mal angeschrien. Es war furchtbar.", erklärte Zabini und in Draco machte sich ein fürchterlicher Verdacht breit. Doch das konnte nicht sein. ,,Blaise...als die Stimme wütend war. Wie hat sie da geklungen? Zickig oder...gefährlich?" Mit einem Mal begann sein Herz zu rasen und er konnte spüren wie ihm das Blut in den Ohren rauschte.
Bitte lass es eine zickige Stimme gewesen sein, bitte lass die Stimme zickig gewesen sein. Die Hände zu Fäusten geballt saß er auf der äußersten Kante seines Bettes, als er beobachtete wie Blaise aus seinem Nachttisch eine Feder und ein Stück Pergament nahm. ,,Was tust du?" Seine Stimme hörte sich seltsam weit entfernt an und er hatte das Gefühl alles durch eine unsichtbare Wand wahrzunehmen. ,,Ich provoziere sie." Ein heftiges Schaudern Seitens Zabini ließ auch Draco zusammenfahren. ,,Gefährlich. Eindeutig gefährlich.", flüsterte Zabini verängstigt und warf die Feder ebenso schnell wieder in den Nachttisch zurück, wie er sie daraus hervorgenommen hatte. Dann blickte er Draco mit großen Augen an. ,,Ich erkenne die Stimme. Ich weiß wem sie gehört."
Abermals schluckte der Slytherin, doch dieses Mal fühlte es sich an als befände sich ein zu großes Stück Kürbiskuchen in seinem Hals. Er hatte eine schlimme Vorahnung welchen Namen Blaise ihm gleich nennen würde und er hoffte inständig, dass es ein Missverständnis war. Das durfte nicht sein. Das konnte eigentlich gar nicht sein. Er hatte diese Person immer im Auge gehabt, sie war immer um ihn herum gewesen. Zabini war kein einziges Mal mit ihr alleine gewesen.
,,Welche ist es?", hörte er sich fragen und hätte sich am liebsten dafür auf die Zunge gebissen. ,,Draco...es ist...es ist die Stimme von Tracey."
OoOoOoOoOoOoOoOoOoOoOoO
Hallo :)
Morgen kommt Part 3 des Kapitels, es ist einfach zu lang um alles zusammen hochzuladen.
Liebe Grüße
Carlie
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The Slytherin Diaries
FanfictionDraco Malfoy verzweifelt. Um das Leben seiner Eltern zu retten, muss er das Verschwindekabinett aus dem Raum der Wünsche reparieren. Die Mission scheint jedoch zu scheitern ehe sie richtig begonnen hat. In seiner Verzweiflung weiht Draco seine beste...