Kapitel 6

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,,Anthea." Der Name kam so schnell über seine Lippen, dass er es nicht hatte verhindern können, selbst wenn er gewollt hätte. Trotz des schummrigen Lichts, welches den Schlafsaal wie jede Nacht erfüllte, konnte er die Umrisse seiner Freundin klar erkennen. Zumindest weitestgehend. Denn sie zitterte. Oder genauer gesagt, hatte sie damit begonnen als er sie nicht Tracey genannt hatte. Ihre sonst vor Lebensfreude sprühenden Augen, kamen ihm mit einem Mal seltsam ausdruckslos vor. Auch das Lächeln, welches normalerweise ihre Lippen zierte wenn sie sich in seiner Nähe befand, war mit einem Mal einer Maske gewichen. Einer Maske, die Draco selbst nur zu gut kannte. Er trug sie all die Jahre mit sich herum. Eine kühle, ablehnende Haltung, stets etwas arrogant wirkend, das Gesichts ausdruckslos oder hämisch.

,,Ja?", fragte die Slytherin in einem kühlen Tonfall, welcher so gar nicht zu dem Zittern passte. Nervös leckte Draco sich über die Lippen. Er hatte nicht erwartet dass Tracey ihre wahre Identität so einfach preisgeben würde. Im Grunde genommen war er sogar fest davon überzeugt gewesen, dass sie abstreiten würde die Tochter des dunklen Lords zu sein. ,,Es...stimmt also.", flüsterte er. Seine Kehle fühlte sich mit einem Mal seltsam trocken an. ,,Ja.", kam die knappe Antwort, als sie ihn mit einem prüfenden Blick musterte. Warum verhielt sie sich so? Der blonde verstand die Welt nicht mehr. Weshalb war sie so abweisend zu ihm? Wusste sie genauso wenig wie er, dass sie in ihrer Kindheit bereits befreundet gewesen waren?

Zugegeben es war ein Schock für ihn gewesen, als er im Traum seine Eltern gehört und mitbekommen hatte, dass er und Anthea Riddle einmal beste Freunde gewesen waren. Doch wenn es sich bei Tracey Davis tatsächlich um Anthea Riddle handelte - und davon ging er aus denn vor ihm saß Tracey, diejenige die er seid sieben Jahren kannte, seine Freundin mit den wundervollsten, blauen Augen die er je gesehen hatte, den unverkennbaren braunen Locken und dem betörenden Duft nach Patschuli und Jasmin - dann musste er sich selbst eingestehen, dass es ihm nichts ausmachte. Sie hatten sich in der Kindheit aus den Augen verloren, einander völlig vergessen, in Hogwarts wieder getroffen, sich angefreundet, die letzten sechseinhalb Jahre zusammen verbracht als beste Freunde und vor kurzem waren sie ein Paar geworden.

Der Slytherin glaubte nicht an das Schicksal oder Menschen die alles vorhersehen konnten, jedoch musste er sich in diesem Falle eingestehen, dass er und Tracey – oder auch Anthea – füreinander bestimmt sein mussten. ,,Was...hat Mr. Elphias gesagt?", hörte er sich selbst fragen und wollte sich für einen Moment auf die Zunge beißen, da sie momentan wohl noch etwas anderes klären mussten, was sich als genauso wichtig herausstellte.

Anthea die über diese Frage ebenso überrascht zu sein schien, ließ für einen kurzen Augenblick sogar die gleichgültige Maske fallen und starrte Draco fassungslos und mit leicht geöffnetem Mund an. ,,Mund zu Riddle,", sagte er in einem neckischen Tonfall und legte ihr sanft zwei Finger unters Kinn. " auch wenn ich nichts dagegen hätte wenn du dich von Zeit zu Zeit mit offenem Mund vor mich knien würdest, so haben wir jetzt etwas wichtiges zu besprechen. Uns läuft immerhin die Zeit davon." Woher kam denn dieser Spruch auf einmal? In Gedanken schüttelte er über sich selbst den Kopf. Zugegeben, ob nun seine Freundin als Anthea oder Tracey vor ihm saß, machte bezüglich ihrer Vergangenheit einen großen Unterschied, nicht jedoch im Hinblick auf seine Gefühle. Diese waren nach wie vor dieselben und ihre geöffneten Lippen ließen bei ihm ein Kopfkino anspringen, welches nicht nur der Situation nicht angemessen war, sondern auch absolut nicht jungendfrei.

Der Slytherin musste sich ein Lachen verkneifen, als er sah wie Anthea noch zwei weitere Male den Mund öffnete und ihn wieder schloss ohne den geringsten Laut von sich gegeben zu haben. Diesen Moment nutzte Draco um sich auf seine Bettkante zu setzen. Anthea die noch immer fassungslos vor ihm kniete, zog nur fragend die Augenbrauen hoch. Als Antwort bedeutete er ihr mit einem Kopfnicken aus dem Schlafsaal zu gehen. Er hatte das ungute Gefühl dass Blaise diese Nachricht alles andere als gelassen aufnehmen würde und dieses Risiko wollte er nicht eingehen. Da die junge Slytherin keine Anstalten machte sich zu bewegen, nahm er sie kurzum bei der Hand und zog sie hinter sich aus dem Schlafsaal. Erst als sie sich in dem mittlerweile fast dunklen Gemeinschaftsraum befanden, schien Anthea ihre Stimme wiedergefunden zu haben.

The Slytherin DiariesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt