48. Kürbistumor

743 34 9
                                    

!Triggerwarnung!

Der Junge

PoV Manu

Gehetzt sprintete ich weiter. Äste schlugen mir ins Gesicht und hinterließen kratzige, blutige Spuren auf meinen Wangen, doch ich nahm kaum Schmerzen wahr - zu groß war die Angst.

Alles in mir drängte mich, weiter zu rennen, zu fliehen, vor diesem Tier, aus diesem Wald.

Wenn ich denn gekonnt hätte.

Doch ich kannte mich hier nicht aus. Ich hatte keine Ahnung wo ich war, hatte diese Umgebung noch nie zuvor gesehen.

Der Aufprall raubte mir für einen Moment den Atem und ich rang verzweifelt nach Luft. Meine Brust hob und senkte sich hektisch, doch keine Luft strömte durch meine Lungen. Mich ergriff ein heftiges Panikgefühl, als sich ein Hustenreiz anbahnte und sich mein Hals verkrampfte.

Gequält, weil ich nicht anders konnte, als das Husten zu unterdrücken, drehte ich mich zur Seite und plötzlich waren meine Lungenflügel wieder mit Luft gefüllt, die ich gierig einsog.

Einige Minuten lang saß ich nur auf dem Boden, hustete und atmete viel zu schnell, aus Angst vor dem Ersticken.

Als sich meine Atmung endlich wieder normalisierte, das Bild vor meinen Augen aufhörte, sich zu drehen und das leise aber penetrante Fiepen aus meinen Ohren gewichen war, versuchte ich, mich umzusehen.

Allerdings konnte ich nur das sehen, was ich erwartet hatte: Bäume. Hohe Tannen und Fichten, die bedrohlich um mich herum aufragten und mich umzingelten.

Dazu die Büsche und das Gestrüpp am Boden, das sich mit seinen immer länger werdenden Schatten um mich herum aufzubäumen schien und mich verschlingen wollte.

Instinktiv kroch ich einen halben Meter zurück, meine Bewegungen wurden immer panischer, bis ich versuchte, im krabbeln aufzustehen und weiter zu rennen, doch sobald ich mich umgesehen hatte, wurde mir klar, dass es kein Entkommen gab. Die Monster waren überall. Sie lauerten mir auf, wollten mich mit in ihre dunklen Tiefen ziehen, mich verschlingen und für immer gefangen halten.

Ein heiserer Hilfeschrei verließ meine Kehle und verhallte ungehört in der Nacht. Dieser Ausflug in den Bayrischen Wald war die dümmste Idee meines Lebens gewesen. Oder auch der Einfall, mir diese dämliche Pflanze länger anzusehen als der Rest meiner Gruppe. Der Beschluss, auf gut Glück die linke Abzweigung zu nehmen, um meine Gruppe unauffällig einzuholen. Und die Idee, einfach weiter zu gehen, als ich meine Wandergruppe auch nach einer halben Stunde nicht gefunden hatte.

Denn das alles hatte dazu geführt, dass ich vom Weg abgekommen war und jetzt hier mitten in der Nacht zwischen Baummonstern saß und mich nicht traute, mich zu bewegen. Das Handy ohne Empfang und ich hatte keine anständige Jacke dabei.

Ich fror ohne Ende, hatte Hunger und Durst und die Verletzungen, die ich mir bei meiner panischen Flucht vor seltsamen Geräuschen und irgendeinem Tier im Unterholz zugezogen hatte, fingen langsam an, weh zu tun.

Mein Rücken war gegen einen Baum gepresst, panisch krallte ich mich in die dicke, grobe Rinde und versuchte, Hält zu finden. Mein Herz schlug hektisch und viel zu schnell gegen meine Brust und ich hatte Angst, die Tiere des Waldes könnten es hören.

Mein Herz, das mich, als ängstliches, hilfloses Beutetier bloß stellte, das auf sich alleine gestellt umher irrte, orientierungslos und völlig von Hilfe abgeschnitten.

Wieder rannte ich los, doch diesmal vorbereitet, nicht mit der Absicht, panisch zu fliehen, sondern zu entkommen, mich zu befreien.

Mit einem großen Satz, den ich mir unter keinen anderen Umständen zugetraut hätte, überwand ich die Büsche und hetzte blindlings durch das Dickicht. Immer wieder knackte es um mich herum im Unterholz und meine Nackenhaare stellten sich bei den unheilverkündenden Geräuschen auf.

OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt