127. Stexpert

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Mutprobe

PoV Stegi

Das hier verlief ganz anders als erhofft. Was hatte ich mir eigentlich dabei gedacht, hier her zu kommen? Ich war doch absolut kein Draufgänger, wem wollte ich hier was beweisen? Ich war nicht der Typ für sowas, ich hasste es, mich aus meiner Komfortzone heraus und unter Leute zu begeben.

Und vor allem hasste ich es, auf Partys zu sein, auf denen viel Alkohol getrunken wurde, so wie diese hier eine war. Ich war nur hier her gekommen, weil es der Geburtstag einer Freundin war, der gefeiert wurde, und weil Tim anwesend war. Doch mir war deutlich klar geworden, dass ich einfach zu Hause hätte bleiben sollen, alleine in eine Decke eingekuschelt, mit einem guten Buch und etwas zu essen.

Doch stattdessen stand ich hier auf einem morschen Steg über einem trüben, im schwachen Licht grünlich - schmutzig schimmernden Tümpel und war kurz davor, einen riesigen Fehler zu begehen.

Langsam machte ich einen weiteren Schritt nach vorne, obwohl ich am liebsten rückwärts weg gerannt wäre. Das hier war ein absoluter Albtraum und ein kleiner Teil von mir hoffte darauf, einfach aufzuwachen und zu realisieren, dass nichts davon wirklich passiert war. Stattdessen ging ich noch weiter auf den Rand des Stegs zu.

"Na komm schon Stegi, du hast doch gesagt du bist keine Pussy!", rief irgendjemand hinter mir, der sich ziemlich angetrunken anhörte. Ich antwortete nicht, machte aber noch einen kleinen Schritt weiter nach vorne. Das Holz unter meinen nackten Füßen fühlte sich glitschig und morsch an. Bestimmt war es voller Algen und Flechten. Vorsichtig wagte ich mich noch einige Schritte weiter vor, darauf bedacht, nicht auszurutschen oder hinzufallen, bis ich schließlich ganz vorne am Rand des Stegs stand.

Unter mir das dunkle, trübe Wasser, das im Licht des aufgehenden Mondes schimmerte und sein Spiegelbild reflektierte. Ich wollte das nicht machen. Wollte nichts beweisen und auch nicht zeigen, dass ich mutig war. Aber ich wusste, dass unter den Zuschauern auch Tim war und der würde es mit bekommen, wenn ich jetzt einen Rückzieher machte.

Tim, mit dem ich heute Abend das erste Mal ein richtiges Gespräch geführt hatte. Tim, der mich vorhin einfach auf seinen Schoß gesetzt und geknuddelt hatte. Tim, der mich wegen einer Runde Flaschendrehen, zu der ich mich hatte hinreißen lassen, geküsst hatte. Tim, in den ich schon lange verknallt war.

Ich wollte ihn nicht enttäuschen, also sprang ich.

Das kalte Wasser umschloss mich, schlug über meinem Kopf zusammen und betäubte mich für einen Augenblick. Die Eiseskälte fuhr mir in alle Glieder und machte mich bewegungsunfähig. Das Wasser drang sofort bis auf meine Haut vor, ließ mich frösteln, umspielte meinen Körper, wirbelte meine Kleidung um mich herum und sog mich immer weiter nach unten.

Ich wusste, dass ich mich bewegen sollte, dass ich hier wieder raus musste, doch die Kälte betäubte und beraubte mich meines Verstandes. Der Druck des Wassers presste meine Lunge zusammen und ein Stechen fuhr durch meinen ganzen Oberkörper. Schmerzerfüllt stieß ich die letzte Luft aus, die noch in meinen Atemwegen gewesen war.

Zudem begann das leichte Prickelnde Kältegefühl auf meiner Haut immer intensiver und damit unangenehmer zu werden, bis ich mich fühlte, als würde ich gleichzeitig in Lava und in Wasser schwimmen. Doch die Schmerzen drangen bis zu meinem benebelten Hirn durch und langsam fing ich an, zu realisieren, in was für einer Situation ich hier überhaupt war.

Und endlich begannen meine betäubten Gliedmaßen, sich zu bewegen und ich versuchte, wieder in Richtung Wasseroberfläche zu paddeln. Sie war nur einen guten Meter von mir entfernt, doch je länger ich versuchte, mich mit panisch strampelnden Armen und Beinen auf sie zu zu bewegen, desto weiter schien sie sich zu entfernen und desto unerreichbarer wurde sie. Meine mit Wasser voll gesogene Kleidung zog mich Richtung Boden und die anfangs panisch- hektischen Bewegungen meiner Gliedmaßen wurden immer langsamer und kraftloser. Wie sollte ich das jemals schaffen?

OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt