9. Wunschpairing 3.0

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Liebe macht blind

Seit ich Anfang letzten Schuljahres in seiner Klasse war, konnte ich die Augen nicht mehr von ihm lassen. Ich hätte alles getan, um ihn auf mich aufmerksam zu machen, aber vergeblich. Sollte er wirklich mal an eine Beziehung denken, waren da ja viel coolere, attraktivere Leute als ich. Ich war aufgrund meiner Schüchternheit schon in der fünften Klasse als langweilig und seltsam abgestempelt worden und bis jetzt hatte ich es nicht mehr geschafft, diesen Ruf wieder los zu werden. Seit fünf Jahren wurde ich in unserer Klasse zwar akzeptiert, aber nie wirklich wahrgenommen. Bis zu diesem Tag.

Wir hatten Schwimmunterricht und wieder mal erwischte ich mich dabei, wie ich ihn anstarrte. Aber genau in dem Moment, als ich beschämt meinen Kopf senken wollte, winkte er mir plötzlich zu. Gerade setzte ich dazu an, zurückzuwinken, als ich einen Stoß spürte und ich in das eiskalte Becken neben mir stolperte. Als ich wieder auftauchte, sah ich direkt vor mir Felix und hinter ihm Yannik und Michi, die mich schadenfroh auslachten.

Er hatte denen gewunken. Meine Augen brannten und ich musste die Tränen zurückhalten. Diese Genugtuung würde ich den Dreien nicht gönnen! „Hey, schaut euch das Opfer an!", schrie Michi gerade und Felix setzte noch einen drauf: „Kleiner Feigling, pisst sich gleich ein!" Lachend und feixend entfernten sich die drei wieder – in Richtung der Anderen. Offenbar erzählten sie dort ihre Geschichte, denn fast alle Leute brachen in schallendes Gelächter aus. Alle außer ihm. Er schaute mich mit einem seltsam mitleidigen Blick an.

Was wäre wohl passiert, hätte ich gewusst dass dieses Mitleid echt war? Aber ich wusste es nicht, deswegen machte es mich erst traurig und dann wütend, so von ihm angeschaut zu werden. Ich wollte beweisen, dass ich nicht der langweilige Feigling war, für den mich alle hielten. Ich wollte etwas tun, das sie alle überraschte. Damit sie mich einmal, nur ein einziges Mal ernst nahmen! Und vom 10 – Meter – Turm zu springen schien mir dafür genau das Richtige zu sein.

Fast wie in Trance ging ich entschlossen auf den Turm zu, der bedrohlich hoch vor mir aufragte. Die ganze Klasse wusste, dass ich Höhenangst hatte. Das war zwar insofern gut, als dass sie alle wissen würden, dass ich mich wirklich was getraut hatte, aber andererseits musste ich mich so einer wirklich extremen Herausforderung stellen. Ich fing also an, die Stufen zu erklimmen, die nach oben führten und wurde mit jedem Schritt nervöser. Auf Höhe von fünf Metern machte ich den Fehler nach unten zu schauen. Augenblicklich wurde mir übel.  Alles vor meinen Augen verschwamm leicht und ich krallte mich krampfhaft am Geländer fest. Ich wusste, dass ich es nicht schaffen würde, den ganzen Weg wieder nach unten zu klettern, deswegen richtete ich meinen Blick wieder nach oben und stieg weiter die Stufen hoch.

Ich spürte meinen viel zu schnellen Herzschlag und wusste, dass ich hyperventilierte. Der Schweiß  stand mir auf der Stirn und gleichzeitig war mir eiskalt. Ich zitterte am ganzen Körper und mein Mund war trocken. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, bis ich oben auf dem Turm war, aber ich hatte mein Zeitgefühl komplett verloren, es hätte genauso gut nur eine Minute gewesen sein können. Und jetzt stand ich oben. Nur das dünne Sprungbrett trennte mich von dem Abgrund unter mir.

In einer kurzen Phase, in der ich mir ein winziges Bisschen Mut zugeredet hatte, war ich bis zum Rand des Bretts nach vorne gegangen und hatte die Sicherheit des Geländers neben mir verlassen. Nur dieses dünne Brett. Ich war darauf zusammen gesunken, wie ein Häufchen Elend. Inzwischen weinte ich leise, meine Angst war viel zu groß, sie übermannte mich und ich war kurz davor, um Hilfe zu schreien, als ich unten am Boden etwas sah. Felix, der alle anderen auf mich aufmerksam machte. Alle sahen zu mir nach oben und fingen an zu lachen. Und in mir zerbrach etwas. Es baute sich eine unfassbare Wut in mir auf und diese Wut gab mir Kraft.

Und für einen Moment vergaß ich alles. Auch, mich festzuhalten. Nein, ich beugte mich sogar etwas vor, um zu sehen, was da unten los war. Aber alles was ich sah, war, dass die Welt leicht kippte, als ich nachvorne rutschte, sich das Sprungbrett unter meinem Gewicht leicht bog und ich die letzte Chance verpasste, mich festzuhalten. Ich weiß nicht mehr, was während dem Flug passiert ist, an den Aufprall erinnere ich mich dafür aber umso besser.

Es tat weh. Und es war rot. Mein Blut. Um mich herum. Wie Nebel. Dann war alles schwarz. In Sekundenschnelle. Rot. Schwarz. Für immer. Das Rot meines Blutes war das Letze, was ich sah.

Ich war nicht tot. Ich war im Krankenhaus und sah nichts. Ich trug eine Augenbinde. Irgendwann wurde sie mir abgenommen. Ich sah immer noch nichts. Ich fragte eine Arzthelferin, warum. Sie erzählte irgendwas von beschädigten Sehnerven, aber entscheidend war nur ihr abschließender Satz: „Es tut mir leid, aber Sie sind bei diesem Unfall erblindet."

Blind.

Das war immer ein Wort gewesen, mit dem man bemitleidenswerte Menschen bezeichnete, die nichts sehen konnten. Aber nicht ich! Es hat fast ein Jahr gedauert, bis ich mich etwas zurechtfinden konnte. Jetzt geht es mir wieder einigermaßen gut. Anfangs habe ich das Haus nie verlassen. Jetzt gehe ich seit einigen Monaten wieder in die Schule. Ich habe tatsächlich mehr Aufmerksamkeit als vorher und er kümmert sich ganz rührend um mich. Irgendwie süß. Wir sind seit einem Monat ein Paar. Das war ja mal mein größter Wunsch. Und ich muss zugeben, es ist schön.

Aber jedes Mal wenn wir uns unterhalten, jedes Mal, wenn er mich umarmt, jedes Mal, wenn wir uns küssen, frage ich mich:

War mein Augenlicht wirklich ein angemessener Preis?

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Ok der OS is total whired xD

Hab den ursprünglich für drei Klassenkameraden geschrieben (Grüße an Torsten, Celina und Julian) :p

Welches Pairing soll ich als nächstes schreiben? Oder eins nochmal, das ich schon hatte? Vorschläge in die Kommis ^^

Bye!

OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt