118. Kürbistumor

357 26 47
                                    

Lips don't lie

Der OS ist inspiriert durch das Lied 'lips don't lie' von Ally Brooke, beziehungsweise durch den Trap Remix von Besomorph.

PoV Manu

Mein Herz klopfte schnell und heftig, während ich neben Palle auf der Bank saß und wartete. Unser Bus würde erst in einer Viertelstunde kommen und ich hatte mir fest vorgenommen, heute endlich aufs Ganze zu gehen und Palle zu küssen.

Seit er vor einem halben Jahr in meine Klasse gekommen war, hatte ich mich unglaublich gut mit ihm verstanden und mich fast sofort in ihn verguckt. Und auch er machte ständig Andeutungen, kuschelte mit mir, nahm einfach so meine Hand oder setzte mich auf seinen Schoß.

Unsere Freunde und Eltern hielten uns bereits für ein Pärchen und auch, wenn wir nie darüber geredet hatten, war ich mir doch eigentlich sicher, dass er meine Gefühle erwiderte.

Und weil ich die Ungewissheit langsam nicht mehr aushielt, würde ich ihn heute küssen, um endlich Klarheit zu schaffen.

Wir kuschelten eh schon miteinander, er hatte seinen Kopf auf meine Schulter gelegt und mein Arm war um seine Hüfte geschlungen. Ich tippte den Kleineren also an und murmelte:

"Palle, ich will mal was ausprobieren, ja?" "Was denn?", fragte er verwundert und hob den Kopf. Ich drehte sein Gesicht mit einer Hand zu mir und erklärte: "Ich will schon ewig etwas über dich wissen... und das möchte ich jetzt rausfinden."

"Hm okay", stimmte der Ältere zu und ich beugte mich etwas zu ihm. Er sah mir überrascht in die Augen, wich aber nicht zurück, was ich als gutes Zeichen deutete.

Ich näherte mich seinem Gesicht noch weiter, schloss die Augen und endlich trafen sich unsere Lippen. Im Gegensatz zu mir hatte Palle Erfahrung im Küssen, weswegen er die Führung übernahm und sich sanft und liebevoll gegen mich bewegte. Immer wieder erwiderte er den Kuss und ließ meinen ganzen Körper wie verrückt kribbeln, während ich irgendwie versuchte, zu verarbeiten, was da gerade passierte.

Im Nachhinein konnte ich nicht mehr sagen, wie lange der Kuss gedauert hatte, aber es war mir vorgekommen wie eine Ewigkeit, bis wir uns voneinander lösten.

Ich lächelte, doch mein Gegenüber sah aus, als würde ihn irgendwas beschäftigen, also fragte ich vorsichtig: "Hey Palle, alles okay?"

Er nickte nur, lehnte sich dann wieder gegen mich und sagte kein Wort. Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder enttäuscht sein sollte. Der Kuss war wundervoll gewesen und er schien auch Palle gefallen zu haben, aber jetzt war er so seltsam distanziert und ich wusste nicht, wie ich diese Abweisende Haltung deuten sollte.

Als der Bus schließlich an unserer Station hielt und wir einstiegen, setzte sich Palle zwar neben mich, doch nahm nicht wie sonst meine Hand oder kuschelte mit mir, sondern starrte nur resigniert geradeaus.

So fuhren wir die ganze Strecke bis zu seiner Haltestelle, an der ich mich verabschieden wollte, doch der Ältere kam mir zuvor, indem er erklärte: "Manu, weißt du, ich mag dich. Aber nicht auf diese Art. Ich stehe auf Mädchen. Und... daran wird sich auch nichts ändern."

Er hatte mir in die Augen gesehen und mit fester Stimme gesprochen, doch seine zitternde Hand, das kurze Zögern, bevor er den letzten Satz gesagt hatte und der tieftraurige Blick, den ich in seinen Augen sah, straften ihn Lügen. Und bevor ich irgendetwas antworten konnte, stieg er aus dem Bus.

Ganz plötzlich überrollte mich eine Welle der Panik. Ich hatte die Freundschaft zerstört! Und doch ich war mir sicher, dass seine Lippen im Gegensatz zu ihm selbst nicht gelogen hatten. Er wollte nur einfach nicht zugeben, was er fühlte.

Und wieder einmal verfluchte ich unsere Gesellschaft dafür, dass sie Leute dazu brachte, sich vor sich selbst zu verstecken.

OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt