101. Kürbistumor

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PoV Manu

Resigniert ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte knallen. Dass meine Brille dabei ein verdächtiges Knacken von sich gab, war mir egal.

Meine sowieso schon starken Kopfschmerzen wurden noch durchdringender und es fühlte sich an, als würde meine Schädeldecke dem Druck bald nicht mehr standhalten und einfach explodieren.

Doch so konnte ich mich auch ablenken. Und die Gedanken, die Erinnerungen von denen ich mich ablenken musste, waren viel schlimmer als jeder physische Schmerz den ich hätte empfinden können.

Genervt von mir selbst verdrehte ich die Augen. Ich hatte gewusst, dass es so kommen würde. Ich hatte es genau gewusst. Die ganze Zeit schon. Und trotzdem hatte ich mir eingeredet, dass ich eine Chance bei ihm hatte.

Ich hatte jede seiner Antworten auf die verschiedensten Arten interpretiert, eine einfache Zustimmung war zum Kompliment geworden und ein scherzhaftes ‚ach Mänjuel ich liebe dich' hatte ich ernst genommen.

Die ganzen Fan- Theorien und Fanfictions hatten mir Zuversicht gegeben. Wenn so viele Zuschauer dachten, dass Palle in mich verliebt war, wieso konnte dass dann nicht auch der Realität entsprechen?

Doch dann hatten wir dieses Gespräch geführt.

Verzweifelt hob ich meinen Kopf um etwa zehn Zentimeter an und ließ ihn erneut auf die Tischplatte fallen. Ich wollte mich jetzt nicht an dieses Gespräch erinnern!

Doch mein Gehirn ließ sich nicht davon abbringen und vor meinem inneren Auge erschien das Szenario, in dem ich mich vor nicht einmal zwei Tagen selbst befunden hatte.

Ich saß vor meinem Computer. Palle und ich hatten gerade eine Folge Mario Party aufgenommen und redeten wie so oft noch miteinander.

Und ganz beiläufig erwähnte ich eine Kürbistumor Fanfiction, die ich vor kurzem gelesen hatte.

Palle hatte verwirrt reagiert und gefragt, warum ich denn Fanfictions über uns las. Ich war zu schüchtern gewesen, um ihm die Wahrheit zu sagen, also hatte ich nur geantwortet, dass es mich eben interessieren würde.

Und dann hatte Palle diese paar Sätze gesagt. Sätze die sich in mein Gehirn eingebrannt hatten und die ich so schnell nicht mehr vergessen würde:

„Also ich finde diese Fanfictions ehrlich gesagt ziemlich seltsam. Ich mein ich will doch nicht lesen wie ich meinen besten Freund küsse, nein danke! Oder diese Sex Geschichten, das ist doch widerlich!"

Wieder ließ ich meinen Kopf auf den Tisch krachen, doch die Erinnerung quälte viel mehr. Sie quälte mich von innen heraus, schien meinen Brustkorb zerfetzen zu wollen.

Die Schmerzen drückten gegen meinen Kehlkopf, drohten, ihn zu zerquetschen. Sie wollten hinaus gelassen werden, wollten dass ich in Tränen ausbrach.

Doch ich wehrte mich. Presste sie mit Gewalt zurück, ertrug die Schmerzen. Ich hatte Angst davor, zu weinen. Ich durfte keine Emotionen zeigen. Der Gedanke daran, meine Gefühle könnten mit mir durchgehen, machte mir Angst.

Was wenn ich in einem solchen Zustand mit Palle sprach?

Ich würde womöglich etwas sagen, das mich verriet. Und ich durfte mich nicht verraten. Durfte nicht zulassen, das Palle etwas von meinen Gefühlen mit bekam.

Denn ich wollte ihn nicht verlieren und das würde ich, wenn er die Wahrheit erfuhr.

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