Roman Bürki & Julian Weigl

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Für bvbregelt💓

Durch einen plötzlichen Tritt gegen mein Schienbein und ein immer lauter werdendes Schluchzen wurde ich aus dem Schlaf gerissen. Alarmiert richtete ich mich auf und knipste das Licht meiner Nachttischlampe an. 

Mir zerbrach es das Herz, als ich sah, dass mein Freund mit Tränen überströmten Gesicht, im Schlaf um sich trat und immer wieder aufschluchzte und panisch Wörter rief, die ich nicht verstand. 

Leicht rüttelte ich Jule an der Schulter und versuchte ihn aus seinem Alptraum zu wecken, jedoch reagierte er nicht. "Julian?",fragte ich und rüttelte seine Schulter noch fester, jedoch half dies auch nichts. Deswegen packte ich ihn an beiden Schultern und rüttelte an seinem Körper so fest ich konnte. Kurz darauf riss Jule panisch die Augen auf und schaute mich geschockt und verängstigt an. Langsam ließ ich seine Schultern los und zog ihn nun deutlich sanfter an mich. Ich konnte spüren wir angespannt er war und so strich ich ihm immer wieder sanft über den Rücken und murmelte beruhigende Worte. Sein Körper wurde immer noch von heftigen Schluchzern geschüttelt, doch ich merkte, dass sein Körper sich langsam entspannte. "Alles wird gut Baby, ich bin bei dir", wiederholte ich immer wieder wie ein Mantra,"hier kann dir nichts passieren." 

Als das Weinen meines Freundes langsam abebbte fragte ich ihn leise und sanft:"Möchtest du darüber reden?" Jule schüttelte nur erschöpft den Kopf und ich seufzte leise. So ging das jetzt schon seit Wochen, immer wieder wurde ich nachts wach und musste mit ansehen, wie mein Freund wild um sich schlug und im Schlaf weinte. Doch jedes Mal, wenn ich ihn darauf ansprach blockte er ab und zog sich zurück, es fühlte sich jedes Mal an, wie eich Schlag ins Gesicht. Es war das schlimmste meinen Freund so gebrochen zusehen und den Grund dafür nicht zu kennen. Ich fühlte mich so hilflos. 

"Du weißt das ich immer für dich da bin oder?", fragte ich. Julian nickte schwach an meiner Brust und ich platzierte einen Kuss auf seinem verschwitzten Haar. "Du kannst immer zu mir kommen, wenn du bereit bist über deine Probleme zu reden." Jule richtete sich auf und schaute mich mit seinen verweinten Augen an:"Danke, dass du immer für mich da bist, aber ich... ich kann einfach nicht...noch nicht." Ich nickte und zog ihn noch fester an mich. "Ich liebe dich", seufzte ich. "Ich liebe dich auch."

Die nächsten ein einhalb Monate ging es fast jede Nacht so weiter, bis mir schließlich der Kragen platzte. Ich war mal wieder durch Jules panische Laute aufgewacht und wurde mittlerweile schon komplett krank vor Sorge um ihn. 

"Jule das kann doch nicht so weiter gehen. Du musst mit jemandem reden, wenn du schon nicht mit mir reden willst, dann mit jemand anderem. Jemand von deiner Familie, deinen Freunden, der Mannschaft oder einem Psychologen, bitte tu mir den Gefallen und vertrau dich irgendwem an. Ich kann mir das nicht mehr angucken, ich hab Angst um dich", brachte ich meine Sorgen zum Ausdruck. Der Braunhaarige schluchzte und krallte sich in mein T-Shirt. Ich hatte mir eigentlich vorgenommen ihn nicht unter Druck zusetzten oder ähnliches, aber so konnte es einfach nicht weiter gehen. 

"Ich kann nicht mehr", hörte ich Julians zaghafte und leise Stimme nun. Ich zog ihn fest an mich um ihm meine Unterstützung zu signalisieren. Sprechen wollte ich nicht, da ich angst hatte ihn zu unterbrechen oder noch mehr unter Druck zusetzten. Julian schien eine Sekunde zu brauchen, um sich zu sammeln und fuhr dann fort. 

"Seit dem Anschlag vor drei Monaten habe ich ständig Angst. Ich kriege Panikzustände, wenn ich nur einen Bus sehe und dann auch noch immer einzusteigen, ist die größte Überwindung für mich. Auch wenn wir nur vom Mannschaftshotel zum Stadion fahren, bekomme ich jedes Mal Angstzustände und die Szenen spielen sich immer wieder vor meinem inneren Auge ab." Nun verkrampfte ich mich auch und krallte mich ebenfalls an meinem Freund fest. Diese Nacht, war die schlimmste Nacht unseres Lebens gewesen und nun liefen auch mir stumm die Tränen über die Wangen. Doch ich versuchte strak zu sein, für uns beide. 

Julian lief ein Schauer über den Rücken, wahrscheinlich erinnerte er sich gerade, genauso wie ich, an diesen schrecklichen Abend zurück. Erneut entflohen ihm ein paar Schluchzer und er brauchte Zeit sich wieder zu fangen und weiter zu reden. 

"Immer wieder höre ich den lauten Knall, die Schreie, den schmerzverzerrten und verängstigten Schrei von Marc. Ich sehe die panischen Gesichter von unseren Mannschaftskollegen und am schlimmsten...", Jule wurde von einem Schluchzer geschüttelt," deine vor Panik geweiteten Augen." Ich schluckte kräftig und versuchte die Tränen zurück zuhalten, die mir seit den Erzählungen meines Freundes über die Wangen liefen. 

"Jede Nacht träume ich von diesem Anschlag und oft träume ich davon, dass alles noch viel schlimmer aus geht und... und", Julian fing an am ganzen Körper zu zittern und seine Stimme brach. "Und ich träume, dass du bei dem Anschlag stirbst", fuhr er mit erstickter Stimme weiter. "Meine Leistungen werden auch immer schlechter...Jedes Mal, wenn im Stadion Pyros gezündet werden, verfalle ich in Panik und kann mich nicht mehr aufs Spiel konzentrieren." 

Wie hatte ich das alles nicht mitbekommen können. Geschockt von den Offenbarungen meines Freundes starrte ich an die gegenüberliegende Wand. Ich hatte gewusst, dass es ihm schlecht ging seitdem, aber ich hatte nie angenommen, dass es bei ihm solche Ausmaße angekommen hatte. Als ich nicht antworte drehte der Braunhaarige sich in meinen Armen und schaute mich verunsichert und immer noch weinend an. "Fuck Jule, hätte ich das gewusst... es tut mir so leid, dass du das alles alleine durchmachen musstest", sagte ich immer noch sprachlos und entsetzt. Julian strich mich sanft die Tränen von dem Wangen, doch genau wie bei ihm kamen immer wieder neue hinterher und so schauten wir weinend in das Gesicht des jeweils anderen. 

"Dich trifft keine Schuld Roman", erwiderte Jule mit bebender Stimme,"du warst immer für mich da und hast so gut es ging versucht mich aufzumuntern. Es war doch meine eigene Schuld, dass ich mich niemand anvertrauen wollte. Ich...", stotterte er, "ich hatte angst, dass mich alle anderen für ein Weichei halten, wenn das rauskommt." Entsetz schüttelte ich den Kopf:"Du bist doch kein Weichei deswegen Baby, wir haben alle mit den Folgen zu kämpfen und es war ein schwer traumatisches Erlebnis. Vor allem jeder in der Mannschaft hat Verständnis für dich und macht ähnliche Dinge durch wie du, auch ich bekomme jedes Mal wieder angst und schrecken, wenn ich an den Anschlag denken und an das, was hätte passieren können." 

Julian presste seine warmen Lippen auf meine und wir klammerten uns, wie ertrinkende aneinander. In gewisser Weise waren wir dies auch. Der Kuss schmeckte nach salzigen Tränen und doch fühlte ich mich ein Stück befreiter, als vorher. Es hatte gut getan mit jemandem darüber zu reden und ich war mehr als erleichtert, dass ich endlich wusste, was meinen Freund die letzten Wochen so sehr belastet hatte. 

Langsam löste ich mich wieder von Julian, um meine Stirn sanft gegen seine zu legen. Dann schaute ich Julian tief in die grünen Augen. "Versprich mir, dass wir ab morgen zum BVB-Psychologen gehen. Gemeinsam. Wir brauchen beide Hilfe und haben damit schon viel zu lange gewartet." Julian nickte. "Gemeinsam", bestätigte er und verschränkte unsere Hände miteinander. 

Es war nicht so, dass wir all unsere Sorgen dadurch auf einen schlag vergaßen. Nein, wir waren noch ganz weit davon weg, die Geschehnisse zu verarbeiten, aber an diesemAbend hatten wir zusammen einen kleine, aber dennoch sehr wichtigen Schritt in die richtige Richtung gemacht. 

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