Kapitel 45

123 17 1
                                    

MONSTER – Kapitel 45 –

Seufzend klopfte sich Seokjin die Hände ab, nachdem er endlich die letzten Instrumente der vorherigen Probe weggeräumt hatte. Er bekam dieses Amt viel zu oft zugeteilt, wahrscheinlich auch, weil die meisten wussten, er würde nicht nein sagen, wenn sie ihn um seine Hilfe baten.
Allein stand er letztlich auf der Bühne der Aula und ließ seinen Blick durch die riesige Halle schweifen.
Die etlichen Stühle vor der Bühne waren leer und es war schon fast erschreckend still. Und doch konnte er sich perfekt ausmalen, wie er in wenigen Monaten in dieser festlich geschmückten Aula sitzen und sein lang ersehntes Zeugnis überreicht bekommen würde. Den Schlüssel zur Freiheit und hoffentlich die Entlassung aus diesem unerträglichen Käfig.
Er konnte sich schon fast bildlich ausmalen, wie er in seinem feierlichen Talar die Hände der anderen glücklichen Schüler schütteln würde. Vielleicht würde er es sogar schaffen, seine Noten wieder so weit in den Griff zu kriegen, dass er doch die Ehre zugeteilt bekommen würde, die Abschlussrede halten zu dürfen.
Nun war es nicht mehr lang, die Abschlussprüfungen standen so unmittelbar bevor, dass sein Herz bei dem Gedanken daran wie wild zu rasen begann. Er hatte sich so lang nach diesem Tag gesehnt und doch war auch das erste Mal ein Tropfen Wehmut mit dabei.
Die Gelegenheit, Namjoon auf ein eventuelles Studium im Ausland anzusprechen, hatte er bisher verpasst. Oder einfach nicht den Mut aufbringen können, darüber zu sprechen. Denn eigentlich wollte er gar nicht wissen, wie es mit dem Stipendium ausgegangen war. Selbstverständlich wünschte er ihm nur das Beste, vielmehr fürchtete er sich vor seiner eigenen Reaktion, wenn Namjoon sagen würde, er würde gehen. Er wollte ihn nicht beeinflussen in seiner Meinung, indem dieser sein Entsetzten darüber sehen würde. Namjoon sollte sein volles Potenzial ausschöpfen können, Seokjin wollte einfach kein Klotz an seinem Bein sein. Und wenn er ehrlich war, würde er niemals mit seinen Fähigkeiten mithalten können und an einem ausländischen College angenommen werden, vor allem wegen der Sprachbarriere nicht. Er würde definitiv hierbleiben müssen und Namjoon würde vielleicht gehen. Und dieser Gedanke schmerzte viel zu sehr, als dass er wirklich darüber nachdenken wollte, obwohl er nicht mal die Antwort kannte. Aber allein die Vorstellung war schlimm genug und Seokjin stieß einen tiefen, gequälten Atemzug aus, während er so allein und verloren auf der großen Bühne stand.
Er wusste nicht mal wohin mit sich, was er in der Zukunft machen wollte, was er studieren sollte. Irgendwie erschien ihm ein Studium so weit weg, so vollkommen unrealistisch. Und das obwohl er so viel dafür getan und so hart dafür gearbeitet hatte, damit ihn eine gute Universität annehmen würde und er etwas Ordentliches studieren konnte. Doch er fühlte sich dabei immer mehr auf der Strecke gelassen. Ausgelaugt und voller Zweifel darüber. Denn es strebte ihn nach ganz anderen Dingen. Nach Freiheit, Unabhängigkeit und vor allem der Verwirklichung von Träumen und Fähigkeiten. Und dazu zählte eigentlich an erster Stelle die Musik. Das war sein Traum, sein Talent und Yesung hatte vielleicht sogar Recht gehabt mit seinen Worten. Das er versuchen sollte, daraus etwas zu machen, vollkommen unabhängig von dem, was andere von ihm verlangten oder erwarteten.
Gedankenverloren stand er vor dem Mikrofon und legte vorsichtig eine Hand an den Ständer. Er ließ seinen Blick wieder durch die leere Halle schweifen, doch für einen Moment versuchte er sich vorzustellen, wie sie gefüllt war mit jubelndem Publikum, welches man hinter dem Licht der hellen Scheinwerfer kaum erkennen konnte. Doch man konnte deutlich ihre Stimmen hören, ihre Rufe und ihr Klatschen und Seokjin schloss langsam die Augen.
Vorsichtig öffnete er die Lippen und summte leise eine Melodie, die ihm gerade in den Sinn kam. Meistens hatte er nicht den Mut, um zu singen, sonst hätte er sich wahrscheinlich schon längst als Sänger für den Chor beworben, doch er hielt sich lieber mit seiner Gitarre oder dem Klavier unauffällig aus dem Spotlight heraus.
Als er plötzlich das Geräusch eines Fotoauslösers hörte, blieb ihm die Stimme förmlich im Halse stecken und erschrocken schlug er die Augen wieder auf.
„Steht dir gut", nuschelte Yesung hinter seiner Kamera, welche er gerade wieder sinken ließ. Seokjin spürte, wie er augenblicklich knallrot anlief und seine Wangen brannten unangenehm, da das Blut so schnell in sie hineingeschossen war.
„Wie lang stehst du da schon?"
„Lang genug", antwortete Yesung trocken, ohne von dem Display seiner Kamera aufzusehen. Er schien gerade interessiert das Foto zu betrachten, welches er von ihm geschossen hatte.
Seokjin neigte kurz den Kopf und betrachtete ihn nachdenklich, denn er hatte das Gefühl, dass er noch etwas mitgenommener aussah, als noch vor wenigen Tagen. Müde und erschreckend blass.
„Ich sammle immer noch ein paar Impressionen für das Jahrbuch. Akuma wird mich wahrscheinlich köpfen, wenn ich ihm nachträglich noch ein paar Fotos reindrücke, aber ist das nicht der ganze Spaß an der Sache?"
Yesung schien krampfhaft sarkastisch zu sein und schenkte ihm ein gequältes Lächeln, als er endlich von seiner Kamera aufsah.
„Ich bin eigentlich auf dem Weg zum Spiel, aber ich habe dich gesucht.", rückte er schließlich mit der Sprache raus und nun blinzelte Seokjin in voller Verwunderung und deutete mit dem Finger auf sich.
„Was? Mich? Ich dachte eher, du würdest nie mehr mit mir reden.", entgegnete er nun deutlich bedrückter und sah schuldbewusst zu ihm hinunter.
„Wegen letztens, ich-"
„Vergiss es einfach!", unterbrach Yesung ihn sofort, mit einer deutlichen Ernsthaftigkeit, die ihn heftig schlucken ließ.
„Willst du mir jetzt sagen, was du mir da schon sagen wolltest?", harkte er schließlich vorsichtig nach, doch Yesung schüttelte entschieden den Kopf. Er streckte wortlos die Hand zu ihm die Bühne hinauf und bedeutete ihm, zu ihm hinunter zu kommen.
Etwas zögerlich griff Seokjin nach seiner Hand und ließ sich von ihm von der Bühne herunterhelfen.
„Ist alles in Ordnung mit dir? Falls ich dir irgendwie helf-"
Seokjin begann leise und vorsichtig seinen Satz, doch als Yesung wieder kurz mit dem Kopf schüttelte, verstummte er wieder.
„Bitte halt dich in Zukunft einfach aus Schwierigkeiten raus, verstanden? Hör einfach auf, mir nachzurennen, wie der letzte Trottel, ja? Ich hoffe, du hast jetzt kapiert, wie gefährlich diese Typen sind"
Yesungs Worte waren leise, jedoch einschneidend und klar genug, sodass er wieder besorgt gegen den Kloß in seinem Hals schlucken musste, als er aufmerksam zu ihm aufsah.
„Bitte geh nicht mehr allein im Dunkeln raus. Versprich mir das!"
Mit voller Ernsthaftigkeit starrte Yesung ihn an und Seokjin spürte, wie er etwas kurzatmiger wurde, denn die Angst schlich sich langsam zurück in sein Bewusstsein.
Er nickte hastig als Antwort und erwiderte unsicher seinen energischen Blick, der ihn förmlich zu durchbohren schien. Beinahe bedrohlich lauerte er vor ihm, so viel größer als er und mit einem absolut beschwörenden Ausdruck in seinen Augen.
Ein Ausdruck voller Besorgnis und Angst, welche sich automatisch auf ihn übertrugen und seinem Kopfkino viel zu viel Futter gaben.
Als er ihm so nah war, schweifte sein Blick automatisch auf seine Lippen ab, welche ihm so sanft und verzweifelt seine Liebe gestanden und ihn schließlich voller Hingabe geküsst hatten. Es war erst wenige Tage her. Sein Herz machte automatisch einen kleinen Hüpfer, als er daran zurückdachte und er fühlte eine Mischung aus absoluter Verwirrung und Unbehagen.
Und er wünschte sich so sehr, dass Yesung ihm noch gesagt hätte, was ihm offensichtlich so sehr auf der Seele brannte.
Doch plötzlich räusperte sich jemand und eine Hand legte sich auf Yesungs Schulter, ehe dieser abrupt von ihm weggezerrt wurde und ein paar Schirrte rückwärts stolperte. Er wäre beinahe zu Boden gestürzt, konnte sich aber gerade noch an einem der Stühle fangen, welcher geräuschvoll über den Boden rutschte.
Namjoon stand nun mit einem dunklen Ausdruck direkt zwischen ihnen und er war offensichtlich alles andere als amüsiert über das Szenario, welches er zuvor beobachtet haben musste.
„Hat er dir irgendwas getan?", fragte er deutlich erzürnt an Seokjin gewandt, welcher sofort erschrocken den Kopf schüttelte und abwehrend die Hände hob.
„N-nein, alles gut! Wir haben nur geredet", versuchte er zu erklären, doch das wütende Funkeln in Namjoons Augen wurde nur umso intensiver.
„Geredet also? Seit wann habt ihr so viel zu besprechen?"
Er drehte seinen Kopf nun zu Yesung und richtete seine Worte direkt an ihn und dieser verschränkte abweisend seine Arme vor der Brust, während er Namjoon abfällig musterte.
„Ich glaub, ich bin dir keine verdammte Antwort schuldig. Du solltest echt deine scheiß Aggressionen in den Griff kriegen!", knurrte Yesung und für einen Moment schien es so, als würden er und Namjoon versuchen, sich mit Blicken gegenseitig zu meucheln.
Seokjin beobachtete erschrocken, wie Namjoon eine Hand bereits zur Faust geballt hatte, doch seine eigene schnellte hastig hervor, um ihn beschwichtigend am Unterarm zu packen. Er warf ihm einen beschwörenden Blick zu, doch Namjoon riss sich wütend von ihm los.
„Warum stellst du dich mir immer in den Weg, Jin? Als wenn dieser Mistkerl das nicht verdient hätte."
Yesung lachte jetzt leise und seufzte anschließend in seiner Fassungslosigkeit.
„Wie hältst du es nur mit diesem Kind aus? Aber komm, los, schlag mich!"
Auffordernd bereitete er jetzt die Arme aus und schloss mit einem kleinen Grinsen die Augen und hätte Seokjin nicht wieder eilig Namjoons Arm gepackt, wäre er dieser Aufforderung wahrscheinlich ohne zu zögern nachgegangen.
„Lass dich doch nicht so provozieren!", richtete Seokjin seine Worte zuerst verzweifelt an Namjoon, ehe er zu Yesung blickte und heftig mit dem Kopf schüttelte.
„Und du, lass es doch einfach! Hör auf, bitte!"
Erstaunlicher Weise ließ Yesung seine Arme sofort sinken, als Seokjin versuchte Rechenschaft walten zu lassen und erwiderte seinen Blick nun kritisch, ehe er zwischen ihnen beiden hin und her sah.
„Pfft", machte er leise und steckte die Hand in seine Manteltasche und zog schließlich etwas heraus. Unterbewusst schreckte Seokjin zuerst heftig zurück, denn seltsamerweise erwartete er wieder eine Pistole, doch er streckte ihm einfach nur das Halstuch hin, welches er ihm vor ein paar Tagen gegeben hatte, um seine Blutung zu stoppen.
Erstaunt nahm er ihm dieses ab, unter dem äußerst kritischen Blick von Namjoon.
Yesung sagte nichts mehr zu ihm, sondern machte schließlich kehrt und warf Namjoon noch einen letzten, hasserfüllten Blick zu.
„Du bist so ein elender Idiot, es ist abartig, wie dir einfach alles in den Schoß fällt. Ich wünschte, ich hätte dich damals einfach abgestochen, dann hätte ich jetzt ein Problem weniger!", zischte er ihm noch zu und durchquerte dann mit schnellen Schritten den Weg zwischen den Stühlen, um zum Ausgang hinüber zu gehen.
„Du solltest deinen Arsch lieber auch zum Spiel bewegen, ich hab kein Bock wieder eine Niederlage wegen deiner absoluten Unfähigkeit einzustecken!"
Mit diesen letzten Worten ging er schließlich und eine betretende Stille machte sich zwischen ihnen breit.
Namjoon stierte immer noch wütend zur Tür hinüber, während Seokjin verwundert das Halstuch zwischen seinen Fingern fühlte. Etwas schien darin eingewickelt zu sein und als er es vorsichtig aufschlug, lag ein Foto auf dem dunkelblauen Stoff.
Mit großen Augen betrachtete er das Motiv, denn es zeigte ihn und Namjoon.
Es musste auf irgendeiner Schulveranstaltung geschossen worden sein. Doch es war so nah an sie herangezoomt worden, dass er den genauen Tag nicht mehr rekonstruieren konnte. Allein ihre dunkelblauen Uniformen verrieten ihm, dass es sich um die Schule handeln musste. Sie sahen so ausgelassen aus, schienen über irgendwas zu lachen, während Namjoon ihm einen so hingebungsvollen Blick schenkte und ihn offensichtlich beim Lachen zu beobachten schien. Ihre Hände berührten sich beinahe in unschuldiger Unauffälligkeit, doch selbst mit nur einem Blick auf dieses Foto konnte er förmlich spüren, wie stark die Anziehung zwischen ihnen zu sein schien.
Als er das Foto umdrehte, stand in ordentlicher Handschrift „Happy Birthday" drauf geschrieben und neben seinen Worten war ein kleiner Schmetterling gezeichnet worden. Er wusste nicht, ob Yesung diesen als Platzhalter für seinen Namen benutzt hatte, oder ihn einfach nur an ihren besonderen Moment damit erinnern wollte.
Hastig schlug er das Halstuch wieder über das Foto, als Namjoon sich schnaubend zu ihm umdrehte.
„Was fällt diesem Kerl eigentlich ein?", raunzte er in seiner heftigen Aggression und schenkte ihm einen tadelnden Blick.
„Er hat dir wirklich nichts getan?"
„Wieso fragst du mich das immer so eindringlich?", erwiderte Seokjin genervt, während er eilig sein Halstuch samt Foto in seiner Schultasche verschwinden ließ.
Namjoon sah ihn für einen Moment mit einem seltsam nervösen Blick an, wand sich dann allerdings von ihm ab und zuckte mit den Schultern.
„Ich hab dir schon ein paar Mal gesagt, dass er einfach unberechenbar ist. Hast du schon vergessen, was passiert ist?"
Natürlich hatte er nichts von all dem vergessen, was Yesung getan hatte. Das er auf Namjoon eingestochen hatte und ihm drohte. Doch er antwortete ihm nicht, denn er wollte keine weitere Diskussion darüber lostreten. Das Thema hatten sie schon viel zu oft behandelt und es würde definitiv wieder in Streit enden.
Er hatte keine Lust sich zu erklären, keine Lust zu erzählen, was passiert war. Besonders nicht, wenn Namjoon in einer so kampflustigen Stimmung war.
Er trottete einfach schweigend hinter ihm her, während sie zusammen zur Sporthalle hinübergingen, wo ein Basketballspiel auf Namjoon wartete.
Selbst Yesung hatte versucht ihn zu überzeugen, dass er sich von ihm fernhalten sollte. Doch er konnte so viele positive Dinge inzwischen an ihm sehen, sodass ihn die ganzen weiteren Grübeleien über die Situation nur noch mehr verwirrten.
Irgendwie hatte er die ganze Zeit das Gefühl, dass er die Antwort auf seine brennende Frage kennen würde, sie ihm förmlich auf der Zunge lag, aber er einfach nicht darauf kam.
Angespannt nahm er einen Platz auf der bereits vollen Tribüne ein und seine Gedanken schweiften immer wieder ab, während die anderen Schüler neben ihm bereits heftig jubelten, obwohl das Spiel noch nicht einmal begonnen hatte.
Er dachte an das Foto in seiner Tasche, welches so sehr sein Herz berührte, denn Yesung schien einen so wunderschön intimen Moment zwischen ihm und Namjoon eingefangen zu haben, welcher ihm irgendwie bewies, was für Gefühle dieser für ihn zu haben schien. Denn sein Blick wirkte beinahe so verwundbar und absolut verliebt.
Es war ihm selbst noch nie aufgefallen, dass Namjoon ihn jemals so angesehen hätte.
Er dachte über diese Geste nach, dass Yesung ihm ausgerechnet so ein Foto schenkte. Es gab sonst kein einziges Foto von ihnen zusammen und dieses Motiv wirkte wie ein absoluter Schatz. Yesung hatte ein gruselig besonderes Auge für die Schönheit jener kleinen Momente und er seufzte leise in seiner Bedrücktheit.
Zu viel ging ihm durch den Kopf, während er nur halb anwesend die erste Halbzeit des Spiels beobachtete. Doch ihm entging nicht, wie hasserfüllt Yesung und Namjoon sich immer wieder anzustarren schienen und dass dies der Konstellation der Mannschaft nicht unbedingt zu Gute kam.
Seokjin hatte eigentlich versucht sich vorzunehmen, nicht über so viel Negatives zu grübeln. Er wollte eigentlich wenigstens einmal versuchen, frei von seinen Gedanken zu sein, wenn er Übermorgen mit Namjoon aus der Stadt fahren würde.
Er wollte diese Zeit einfach nur genießen und versuchen, tatsächliche Erholung zu erfahren. Das Hotel, welches sie besuchen würden, lag direkt am Meer und obwohl es Mitte Dezember und eisig kalt war, konnte er es kaum erwarten, die Wellen rauschen zu hören.
Nervös fummelte er an dem Armkettchen an seinem Handgelenk und beobachte, wie die erste Halbzeit abgepfiffen wurde. Tatsächlich kam ein letzter Augenkontakt mit Namjoon zu Stande, welcher ihm verschwitzt, aber lächelnd über das Spielfeld zuwinkte und er hob kurz die Hand, um ihm zu antworten.
In der Halbzeitpause wurde die Musik viel zu laut aufgedreht und die meiste Zeit verbrachte er damit, angestrengt die Augen zusammen zu kneifen und das Geschreie und Gejohle der anderen Schüler auszuhalten. Ein paar Mal hatte er bereits aus Versehen einen Ellenbogen in die Seite bekommen, oder irgendwer wedelte ihm penetrant mit einem Fläggchen vor der Nase rum und es fiel ihm nach einer Weile schwer, an seiner Geduld festzuhalten.
Er wusste genau, wieso er sonst einen großen Bogen um die Sportveranstaltungen gemacht hatte. Es sei denn, er was selbst in eines involviert gewesen, wie zum Beispiel beim schulischen Schwimmteam. Jedoch wollte er sich nicht die Gelegenheit nehmen lassen, Namjoon bei einem Spiel endlich anfeuern und ihm die Daumen drücken zu können. Und Yesung hatte er sonst auch nur bei ein paar Tennisspielen gesehen. Dieser war ohne Frage ein großartiger Sportler und er hörte deutlich die Stimmen von ein paar hysterisch flüsternden Mädchen zwei Reihen hinter ihm, die aufgeregt über ihn zu sprechen schienen. Seokjin wusste nicht wieso, doch er musste darüber schmunzeln und als die nächste Spielhälfte angekündigt wurde, quietschten sie aufgeregt und er musste sie nicht mal ansehen, um zu wissen, dass sie sich wahrscheinlich gerade aufgeregt an den Händen hielten.
Die Mannschaften kamen mit einem aufrufenden Pfiff zurück aus den Kabinen auf das Spielfeld und Seokjin reckte verwundert das Kinn, als er bemerkte, dass Namjoon nicht unter ihnen war.
Sein Blick glitt automatisch rüber zu der Ersatzbank, doch auch dort konnte er ihn nicht finden. Als er schließlich doch in der Turnhalle erschien, bemerkte er sofort, dass etwas nicht stimmte.
Und nicht nur er schien deutlich verwunderter zu sein, auch die Mitspieler der Schulmannschaft musterten ihn argwöhnisch, als sie seine etwas schleppenden Schritte beobachten. Einer schien ihn besorgt anzusprechen, doch er winkte ihn beschwichtigend von sich und wollte ihm wohl zu verstehen geben, das alles mit ihm in Ordnung sei.
Seokjin starrte ihn die ganze Zeit an, doch Namjoon hob kein einziges Mal mehr seinen Blick, um ihn ebenfalls anzusehen. Vielmehr war er nun mit sich selbst und seinem Gleichgewicht beschäftigt, während ihm ein paar Ballpässe entgingen.
Er spürte, wie er nun wie automatisch von seinem Platz aufgestanden war und eindringlich auf ihn blickte und als Namjoon plötzlich mitten auf dem Spielfeld stehen blieb und sich eine Hand an den Kopf drückte, stockte ihm der Atem.
Es geschah beinahe wie in Zeitlupe, dass er heftig hin und her wankte, versuchte irgendwo halt zu finden, obwohl nichts in seiner Nähe war, und schließlich einfach zusammenbrach und zu Boden stürzte.
Für einen Moment war es beinahe totenstill in der Turnhalle. Alle schienen erschrocken auf Namjoons leblos wirkenden Körper in der Mitte des Spielfelds zu starren.
Seokjin hörte ein paar verwirrte Stimmen, die sich fragten, ob Namjoon tot sei oder ob er sich eventuell gedopt hätte.
Seokjin dachte nicht mehr länger darüber nach und als er sich endlich gefangen hatte, kletterte er hastig von der Tribüne und rannte so schnell er konnte zu Namjoon auf das Spielfeld. Er war nicht der Erste, der ihn erreichte, ein paar der Spieler hatten sich bereits über ihn gebeugt und versuchten besorgt seine Aufmerksamkeit zu erwecken.
Auch der Coach und ein Lehrer waren bereits zur Stelle und sein Puls wurde überprüft. Natürlich lebte Namjoon noch, er hatte auch nicht geglaubt, dass dieser einfach von jetzt auf gleich tot umkippen würde, doch der Schock saß ihm immer noch heftig in den Gliedern, während er wie erstarrt das Szenario beobachtete.
Seokjin konnte sich einfach nicht erklären, was mit ihm sein konnte, denn wenige Minuten zuvor hatte er sich noch von seiner besten Seite gezeigt und war problemlos durch die Turnhalle gerannt.
Das Spiel wurde abgebrochen und die meisten Schüler hatten die Halle bereits verlassen. Die seltsame Stille war geblieben, während er hartnäckig versuchte, bei Namjoon zu bleiben, hingegen aller Aufforderungen der Lehrer. Sie hatten Namjoon inzwischen vom Spielfeld geholt und gegen eine Wand ins Sitzen gelehnt, während bereits ein Krankenwagen gerufen wurde.
Er war bei Bewusstsein und hatte die Augen tatsächlich geöffnet, doch er schien zu schwitzen und sein Atem ging seltsam flach. Mit heftiger Beunruhigung kniete er sich vor ihn und versuchte irgendwie seine Aufmerksamkeit zu erhaschen, doch Namjoon schien erschreckend abwesend zu sein und irgendwelche unverständlichen Dinge vor sich hin zu murmeln.
Es dauerte nicht lang, ehe der Krankenwagen bei ihnen eintraf und doch kam es ihm vor wie eine halbe Ewigkeit, in der er immer wieder nervös zur Tür hinübergesehen hatte.
Es brauchte zwar einiges an Überredungskunst, doch Seokjin konnte sich schließlich durchsetzen und mit ihm mitfahren. Er erklärte den Rettungssanitätern, dass Namjoons Vater Arzt war und eine eigene Klinik in der Umgebung hatte, in welche sie ihn bringen konnten.
Der Gedanke daran, an diesen Ort zurückzukehrten, löste heftiges Unwohlsein in ihm aus und es kam ihm seltsam paradox vor, dass er nun Derjenige war, der Namjoon in diese Klinik bringen würde. Das er Derjenige war, der besorgt seine Hand hielt, während er so abwesend auf der Trage lag und immer wieder gequält aufstöhnte, während er sich mit dem Handrücken über die Augen fuhr.
Seokjin wartete tatsächlich eine ganze, endlose Weile auf dem sterilen Krankenhausflur. Er hatte das Gefühl, er wäre wie gelähmt, während er vollkommen angespannt die Spiegelung der hellen Lichter auf dem grauen Linoleum betrachtete. Es brannte ihm bereits unangenehm in den Augen, doch er konnte den Blick auch nicht von ihr abwenden, denn er wusste absolut nichts mit sich anzufangen.
Er fühlte sich an diesem Ort so furchtbar hilflos und die Gerüche und Geräusche erinnerten ihn auf seltsame Art und Weise an seinen eigenen Aufenthalt hier. Es lag nun schon so viele Wochen zurück und eigentlich war er in einem Koma gewesen und doch konnte er sich dunkel an ein paar Dinge erinnern. Vor allem an die Geräusche der Gerätschaften und weit entfernte Stimmen, die ihn anzusprechen schienen, er jedoch nicht hatte antworten können.
Seine Sorge um Namjoon machte ihn beinahe wahnsinnig, denn es war einfach viel zu plötzlich passiert. Ihm fiel kein logischer Grund ein, was mit ihm auf einmal nicht stimmen könnte, dass er einfach so auf dem Spielfeld zusammen brechen würde.
Er war sich sogar ziemlich sicher darüber, dass Namjoons Vater die Gesundheit seiner Kinder regelmäßig persönlich checkte und abgesehen von ein paar Erkältungen schien es ihm sonst prächtig ergangen zu sein.
Was um alles in der Welt war in der Spielpause passiert?1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel34. Kapitel35. Kapitel36. Kapitel37. Kapitel38. Kapitel39. Kapitel40. Kapitel41. Kapitel42. ♥ Weihnachtsspecial ♥43. Kapitel44. Kapitel45. Kapitel46. Kapitel

MONSTER - the creatures we love pt. 1 | BTS NamjinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt