Teil 14: Der Prinz

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Ein Klopfen riss mich aus meinen Gedanken. Ich öffnete die Tür und vor mir stand ein junger Mann mit dunklen Haaren, in edler Kleidung. Aus Reflex machte ich eine tiefe Verbeugung. „Ist meine Schwester da?", fragte er mich unbeirrt und ging schon neben mir in den Raum, obwohl ich ihn nicht eingelassen hatte, aber seinem Auftreten nach zu urteilen, wäre auch eine Bestätigung meinerseits bei seinem Rang überflüssig. „Ivi?", fragte er, nachdem er an die Badezimmertür klopfte. Ich versuchte die Röte zu unterdrücken, die mir in meine Wangen stieg, als ich begriff, wen ich vor mir hatte. „Sie nimmt ein Bad, Eure Hoheit", mischte ich mich kleinlaut ein während etwas gedämpft die Korrektur der Prinzessin zu uns durchdrang: „Für dich immer noch königliche Hoheit Prinzessin Ivana!" Ich musste schmunzeln. Entschuldigend verschwand ich wieder ins Bad, reichte der Prinzessin ihren Bademantel und verließ das Zimmer nachdem sie mich entlassen hatte.

Meine Beine führten mich durch den Palast ohne Ziel. Ich erschrak vor meinem Inneren, als ich wieder vor der Tür meiner fortwährenden Gedanken stand. Der wundersame Geruch von Büchern trat erneut in meine Nase. Jeder hat etwas, das ihn verzaubert, eine geheime Bewunderung und diese Bibliothek ist wohl mein Geheimnis. Vielleicht war es, weil dieses Buch, hier stehen bleiben musste, aber gleichzeitig alles war, was mir von meiner Familie geblieben war: Erinnerung. Von meiner Familie, meiner Heimat, meinem Leben, meiner Vergangenheit, meiner Kindheit. Ich schluckte alle runter, was mein Herz ganz schwer werden ließ und fand den Zettel wieder auf dessen Rückseite ein neues Rätsel stand.

Was für ein Spiel das auch war, ich spielte es gern, denn solange ich an den Erinnerungen festhielt, entglitten sie mir nicht.

In schwarzer Nacht und am helllichter Tag

Wartet er täglich und ist niemals fern,

Doch hast du Pech, wenn er dich wirklich mag,

Denn nur wenn du gehst, hat er dich auch gern.

Ohne ihn kannst du nicht leben,

Doch mit ihm nur noch weniger,

Für den einen Glück und Segen,

Für die Meisten Angst und ein Sehnen nach mehr.

Die Worte kreisten in meinem Kopf, schwarze Nacht, gehen, leben. Dann schrieb ich als Antwort drei Buchstaben unter das Rätsel. Als ich ein Klicken am anderen Ende des Raumes hörte klappte ich das Buch zu und verschwand um die nächste Ecke. Mein Atem übertönte beinahe mein Herzklopfen, als Schritte durch den Raum gingen. Ich sollte nicht mehr hierher kommen. Ich sollte jetzt in meinem Zimmer sein oder irgendeiner anderen Arbeit nachgehen. Doch ich war hier.

„Dich habe ich hier nicht erwartet", hörte ich eine Stimme, die mir seltsam bekannt vorkam auch wenn ich sie nicht zuordnen konnte. „Dasselbe könnte ich von dir behaupten", antwortete eine zweite und sofort überkam mich eine Erleichterung, dass nicht ich angesprochen worden war. „Interessierst du dich für Sagen und Mythen?", fragte die zweite Stimme nun skeptisch, als wäre der erste Mann bei irgendetwas Seltsamen entdeckt worden. „Meine Interessen gehen dich nichts an, Zark." Der Zeitpunkt war optimal um mich davonzustehlen bevor es jemand bemerkte. Meine Füße glitten leise über den Parkettboden bis zur erstbesten Tür.

Ich war auf einem anderen Flur gelandet, doch zurück konnte ich nicht, doch mittlerweile hatte das Prinzip des Aufbaus verstanden und wusste so in etwa, wo ich entlang musste, auch wenn es ein langer Weg war. Erst jetzt kam mir der Gedanke, wie unvorsichtig ich war, denn die zweite Person, die in der Bibliothek war, hatte ich erst bemerkt als sie auf die andere traf, ich hätte erwischt werden können und bestraft werden mit mehr als einer Kündigung. Ich würde nicht mehr zurückkehren an diesen Ort, soviel stand fest.

Obwohl der Palast hunderte Angestellte bediente, waren die Gänge leer wie so oft. Doch kurz darauf kamen mir erneut Schritte entgegen, die mich in einen Zustand der Panik versetzten, die mich fast fesselte. Ich redete mir ein, dass ich nichts Verbotenes tat. Ein bekanntes Gesicht tauchte auf. Ich hielt an, geschockt, und verbeugte mich. Als er schon fast an mir vorbei war, kam er noch einmal zurück und sah mich an mit seinen dunklen Augen an. „Du bist doch Ivanas Zofe, oder?" „Ja, Eure Majestät." „Dann komm mit, meine Schwester wird einen starken Tee gebrauchen nachdem ich mit ihr gesprochen habe." Ich nickte und folgte ihm in die entgegengesetzte Richtung. Zuerst dachte ich, ich hätte mich völlig in der Richtung geirrt, doch wir gingen tatsächlich nicht zu ihren Gemächern.

„Bleib hier", befahl er mir, als er in einen Raum trat und kurz darauf wieder herauskam. Ich knickste vor der Prinzessin. Auch wenn sie mich kaum eines Blickes würdigte. Sie wirkte aufgebracht als sie ihrem Bruder hinterher stürmte. „Das ist total irrsinnig, bitte sag mir, dass das ein schlechter Scherz war. Ilan, bitte! Du weißt doch selber, dass diese Leute uns nicht zuhören. Es wird sie nicht interessieren was du zu sagen hast." „Und was soll ich sonst machen, hm?", fuhr er sie plötzlich an. Er war stehen geblieben und hatte sich zu ihr umgedreht. Mein Herz schlug viel zu schnell. Ich war die unsichtbare Zofe, die mithörte, aber nicht zu sehr zuhören sollte. „Wir könnten noch ein wenig länger warten, nur bis die Nachforschungen unserer Leute neue Ergebnisse bringen. Wir können niemandem vertrauen in diesen Zeiten", sprach sie nun leiser. „So würde es Vater machen und dann würden wir entweder alle sterben oder einen Krieg beginnen oder genauso weiter machen wie bisher, zusehen wie die Menschen unseres Landes sterben. Das kann ich nicht, Ivana." „Ich weiß", gab sie nun leise von sich und fiel ihrem älteren Bruder in die Arme. „Ich brauche dich jetzt an meiner Seite, bitte." In seinen Augen stand Ehrlichkeit. Es war kein Befehl, den der Kronprinz seiner Schwester erteilte, es war eine ehrliche Bitte. „Ich stehe auf deiner Seite, immer- aber, ich kann dich nicht unterstützen, wenn du für einen unwahrscheinlichen Erfolg deine Sicherheit auf's Spiel setzt, du weißt ganz genau, was Vater dazu sagen würde." Jetzt nicht mehr sanft, sondern wütend antwortete er: „Natürlich weiß ich, was er sagen würde, deshalb frage ich ja auch dich." Doch sie schüttelte nur den Kopf. „Willst du mich derart verraten? Dein Volk?" „Du weißt ganz genau, dass-" „Was?" „Dass ich nur so denke, weil du mir wichtig bist." „Du weißt nicht, was du da sagst." Jetzt warf er mir zum ersten Mal er mich angesprochen hatte wieder einen Blick zu: „Bring sie auf ihr Zimmer." Seine Stimme war hart, es war ein Befehl. Ich verneigte mich und dann folgte ich der Prinzessin, die allein voraus eilte ohne ihrem Bruder dem Kronerben von Alliera noch ein Wort des Abschied mitzuteilen.

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