Die Tage liefen an mir vorbei, erste warme Sonnenstrahlen brachen hervor, und ich versuchte ruhig zu bleiben. Ich war eine Kämpferin, ich war nicht schwach. Also würde ich auch keine Schwäche zeigen. William brachte mich dazu meine Schwächen genauestens kennenzulernen. Linke Flanke, rief er dann, dein Kopf ist ungeschützt, lass dich nicht im Kreise herumführen, du bist zu langsam! Hinweise, die ich aufnahm und zu verarbeiten versuchte, aber es fiel mir schwer, so verdammt schwer. Doch keine Zweifel zeigten sich auf meinem Gesicht, nur dann und wann die Erschöpfung, die mich am Ende in die Knie zwang. Seit Jeremys Auftrag ihn fortgeführt hatte waren schon einige Wochen vergangen. Ich begann mir zunehmend Sorgen zu machte, doch ließ keinen der Mitleidsblicke an mich heran. Es war diese oberflächliche Emotionalisierung, die mich störte, was ging es sie an? Fine war die einzige, deren Worte und Zuneigung ich ertragen konnte. Darum war ich froh über die körperliche Anstrengung, die mir einen Ausgleich brachte. Doch die Fortschritte wurden immer kleiner. An meinen Armen und Beinen hatten sich Muskeln gebildet, aber was meine Technik anging, so war sie immer noch die einer blutigen Anfängerin. Kein einziges Mal hatte ich Will bisher besiegt und das ließ mich immer mehr Hoffnung verlieren, im Moment war das Training alles, an das ich mich klammerte. Und es zeigte sich keine Verbesserung, ich war immer noch das schwache, schutzlose Mädchen. Ein Mädchen, das ich nicht sein wollte.
Im Lager wurden regelmäßig Versammlungen abgehalten, geheime Besprechungen geführt und neue Pläne besprochen. Nie wurde ich dazu eingeladen. Nie wurde auch nur erwägt mich einzubeziehen, egal was ich tat, ich zählte nicht als vollwertiges Mitglied, als Mann, als Rebell, als Verbündeter. Ich war das Mädchen, das Jeremy aus dem Palast mitgebracht hatte, das er von früher kannte. Obwohl ich mich besser als jeder andere in den königlichen Gemäuern auskannte, obwohl ich gelernt hatte zu kämpfen, obwohl ich leise und schnell und perfekt für diese Art von Verschwörung war. Wenn ich nur wüsste, wie ihre Pläne waren, wann es losgehen würde, was los war. Aber niemand klärte mich auf. Vielleicht dachten sie immer noch, ich würde eines Tages einfach verschwinden. Vielleicht nicht sie verraten, aber davon laufen und nie zurückkommen. Tatsächlich dachte ich viel zu oft darüber nach. Es wäre so einfach. Einfach meine wenigen Sachen zusammen suchen und davon gehen. Das einzige, an das ich immer zu wenig dachte, war das ankommen. Ich brauchte einen Plan, einen Weg, ein Ziel. Das hatte ich nicht. Also würde ich hier bleiben.
Ich sprang auf als einige der Rebellen das große Zelt, in dem Neuigkeiten besprochen worden, verließen. Als Will herauskam und mich erblickte verzog er genervt das Gesicht und drehte sich in eine andere Richtung um zu verschwinden. Doch ich war schon hinter ihm her. „Will, warte", rief ich, während ich zwischen den Zelten hindurch lief, darauf bedacht, nicht über die gespannten Halterungen zu stolpern. „William!" Er seufzte und hielt an. „Was?", schnauzte er mich an, aber ich zuckte nicht einmal zusammen. Ich war das hier gewohnt, seine Art, ich wusste, das er es nicht so meinte, wie es wirkte, zumindest meistens nicht. „Was hat sich ergeben?" „Kannst du nicht jemand anderen nerven." „Jetzt sag schon, was haben sie gesagt? Was ist geplant? Wann geht es los? Wie ist die Lage? Wird es einen Angriff geben? Werde ich kämpfen?" Er schnaubte und schob sich an mir vorbei. „Will!" „Es geht dich nichts an, Mädchen, verstanden?" Ich hasste es, wenn er mich so nannte. Es war ein herablassender Kosename, einer der Schwäche symbolisierte. Und er wusste es. „William!" Erneut blieb er stehen während ich ihn einholte. Ich rang um Luft und stützte meine Hände in die stechende Seite. „Wurde, wurde irgendetwas", ich holte tief Luft, „irgendetwas zu Jeremy gesagt? Wird er da sein? Wann kommt er zurück?" Will zuckte mit den Schultern, aber ich merkte sofort, dass er mir etwas vorenthielt. „Komm schon, lass mich nicht hängen." Er straffte die Schultern und mir wurde schlagartig klar, dass das keine gute Idee gewesen war. „Ich bin dir nichts schuldig, überhaupt nichts. Ist das klar?" Ich senkte ein wenig beschämt den Kopf. „Wenn du mir wenigstens den Zeitraum-" „Amira", ermahnte er mich scharf. Ich ließ die Schultern hängen. Nichts. Keine Informationen. Gar nichts. Ich war ganz allein. „Es macht mich verrückt, ständig im Unklaren gelassen zu werden", gestand ich schließlich leise, „Ich dachte du verstündest das." Dann ging ich, ohne ein weiteres Wort.
Am nächsten Morgen begann ich wie üblich früh morgens das Training mit Will, wir erwärmten uns kurz, gingen dann meine Taktik durch und wiederholten verschiedene Notfallreaktionen. Keiner von uns erwähnte in einem Wort die gestrige Konversation. Es war ein schweigsamer Morgen, so wie es viele gegeben hatte. Bis ein Wagen sich dem Lager nähert, ein recht kleiner, mit einem Reiter vornan. Wir unterbrachen den Kampf und ich folgte Will zum Rand, von wo aus das Lager viel kleiner und beschaulicher wirkte, so wie ich es damals auch zum ersten Mal gesehen hatte. Nicht mehr als ein Haus, ein paar Zelte, vielleicht eine Bauernfamilie oder Durchreisende beim Übernachten, bevor es sie in die Hauptstadt zog. Es war schlau konzipiert, niemand ahnte, dass hier, wenige Meilen vom Palast entfernt ein Rebellenstützpunkt war.
„Wer ist das?", fragte ich. Will hob eine Augenbraue. „Ich habe keine Ahnung." Mein Herzschlag beschleunigte sich. „Hoffentlich einer von uns."
Der Wagen näherte sich gemächlich und meine Anspannung wuchs, was wenn ein Spion auftauchte, oder ein Händler das Lager entdeckt hatte und es nun besuchen wollte? Ich betrachtete angespannt das näherkommende Hufgetrappel und das Rattern der Räder bis Will schließlich entspannt seufzte, „na endlich." Kurz schoss mein Puls hoch, doch dann konnte ich immer mehr das Gesicht ausmachen, schwarze kurze Haare, kleine Augen, schmale Schultern, ich kannte diesen Mann nicht. Ich versuchte mir die Enttäuschung, dass es nicht Jeremy war, nicht anmerken zu lassen und mich stattdessen auf Wills Erleichterung zu konzentrieren. Als der Wagen quietschend zum Stehen kam sprang der junge Mann vom Pferd und ging auf William zu um ihn brüderlich in den Arm zu nehmen. „Iring, alle warten bereits auf deine Neuigkeiten." „Das glaube ich, Bruder." „Was hast du uns da mitgebracht?" „Nur ein wenig Ware, an die ich gekommen bin. Wie geht's dir, was macht Fine?" „Gut, gut. Wie war deine Reise?" „Erträglich, es gab einige Komplikationen, aber ich bin unbeschadet heraus gekommen, zum Glück. Das hätte echt mies enden können", verschmitzt grinste er Will an, der bereits breit zurück grinste. Ich überlegte immer noch fieberhaft in welchem Kontext ich diesen Namen schon einmal gehört hatte, doch ich kam nicht drauf. Bis er die Sprache auf Jeremy brachte. „Ist er bereits zurück, Jeremy, meine ich? Ist er wieder hier?" Die Wiedersehensfreude aus Wills Blick verflog und wich einer unruhigen Maske stiller Ernsthaftigkeit. „Nein", er warf mir einen kurzen Blick zu, sodass auch Irings Aufmerksamkeit jetzt mir galt, „ist er nicht." Ich erwiderte seinen Blick als er auf mich zukam. Mir war wieder eingefallen, wann ich seinen Namen schon einmal gehört hatte. In der Nacht als ich an einem der Zelte gelauscht hatte, jene Nacht unter den Sternen, die- „Du bist sein Mädchen, oder? Wie war gleich dein Name?" Ich nickte kurz, mir war nicht danach mich über diese Formulierung auszulassen.Sein Mädchen. „Amira", entgegnete ich knapp. „Schön, dich kennenzulernen." Darauf antwortete ich nicht. „Ich bin am gleichen Tag wie Jeremy aufgebrochen, weißt du-" „Ich weiß." Will zog überrascht die Augenbrauen hoch, doch ich ignorierte ihn. „Ich dachte er würde längst zurück sein. Unsere Mission in die Hauptstadt hatte mehr Bedeutung als-" Will räusperte sich auffällig und Stille senkte sich über uns als Iring innehielt und ihm einen verwirrten Blick zuwarf. Will stöhnte als er es nicht begriff. „Sie weiß es nicht." „Oh." Danach folgt erneut Stille und ich wäre am liebsten im Boden versunken vor Scham. Dann erklärte William weiter. „Sie vertrauen ihr noch nicht gut genug um sie in die Pläne einzuweihen, du solltest nicht den Anfang tun. Sie haben gute Gründe." Mitleid traf mich und ich sah weg. Ich ertrug diese unehrliche Falschheit nicht. Und was sollte bitte Wills Bemerkung? Irgendwie hatte ich immer gedacht, er stünde mehr auf meiner Seite. Was eine Naivität. „Tut mir leid", sprach Iring dann leiser an mich gerichtet als wäre ihm ganz genau klar wie es mir damit ging. Will schnaubte verächtlich. Und ich sah beide nacheinander wütend an. Ich brauchte ihre Sorgen und ihr Mitleid nicht, ich war eine starke Frau. Das würden sie schon noch begreifen. Provokant knickste ich vor den beiden wie ich es damals im Palast gelernt hatte, „meine Herren, es war mir eine Ehre." Dann drehte ich mich auf dem Absatz um und ging, nicht ohne ihnen noch einen koketten Blick über die Schulter zu werfen. Beide sahen mir verständnislos nach, doch das war mir egal. Ich schnappte mir meinen Kampfstock und übte alleine weiter. Schrittfolgen, Wendungen, Geschwindigkeit. Sollten sie doch denken, was sie dachten. Es spielte keine Rolle, nichts spielte eine Rolle. Es war offensichtlich, das Jeremy längst hätte zurück sein sollen und niemand verriet mir, was geschehen war.
Vielleicht sollte ich wirklich abhauen und Jeremy suchen gehen. Alleine war ich besser dran als in dieser Gruppe hirnloser Krieger.
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MIRA
FantasyEine Krankheit breitet sich in Alliera aus und bringt Mira dazu aus ihrer Heimatstadt Fiadah zu fliehen und sich auf den Weg in die Hauptstadt zu machen. Als sie endlich wieder Arbeit findet, führen viele seltsame Umstände zu einer Bekanntschaft, mi...