Kapitel 19: Aufklärung

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Ich nahm den direkten Weg zu Ivanas Gemach. Auf der Hälft fiel mir auf, dass ich meine Schuhe noch immer in den Händen trug. Ich hielt kurz, zog sie an und strich mir durch meine Haare, dann setze ich ein Lächeln auf und eilte weiter. Vor dem Zimmer standen Wachen, was bedeutete, dass jemand sich in den Gemächern der Prinzessin befand. Als ich eintrat, hörte ich ganz klar Ilans Stimme aus dem Nebenzimmer. Wurde er schon immer von Wachmännern begleitet? Das war mir bisher nie aufgefallen. Der Prinz besuchte seine Schwester seit die Verhandlungen liefen so häufig, dass es schon fast normal war, die Anwesenheit des zukünftigen Königs zu spüren. Aber nur fast. Die Prinzessin war heute früh auf, stellte ich mit einem Blick auf die Uhr in ihrem Zimmer fest. Früher als sonst. Ich öffnete das Fenster und genoss die eisige Luft, die die warmen festen Luftschichten durchbrach. Dann machte ich das Bett und sorgte für Ordnung in ihrem Kleiderschrank. Als ich so gut wie fertig war überlegte ich, ob ich einfach wieder gehen sollte oder die Prinzessin vorher noch nach Wünschen fragen sollte.

Doch die Entscheidung wurde mir abgenommen als Ivana die Tür öffnete. Ich verneigte mich tief vor den Geschwistern. „Amira", ergriff Prinz Ilan das Wort. „Heute Nacht sind Menschen aus dem Palast verschwunden, an den Wachen vorbei. Wir sind noch dabei die Schuldigen ausfindig zu machen. Weißt du wer es gewesen sein könnte?" Mein Herz rutschte mir in die Hose. Ich schüttelte schnell den Kopf, zu schnell. In seinen Augen stand Zweifel, aber er sprach einfach weiter. „Nun, dann sag doch deinen Freunden, dass darauf Strafe steht. Außerdem, wenn das unter die Leute geht, was soll das Volk dann von uns denken? Wenn wir nicht einmal bemerken, wer aus unserem Palast ungesehen hinaus kommt wie sollen wir dann unser Reich vor irgendetwas schützen können?" Seine Frage war an mich gerichtet, dabei gab es darauf keine Antwort. „Ich, ich weiß nicht", sprach ich unsicher. „Nein, natürlich nicht", sprach er harsch und verschwand aus dem Raum. „Heute Nachmittag wollen unsere Eltern mit dir reden, Ivana, 15 Uhr im Saal."

„Er hat einen schlechten Tag", erklärte Ivana nur, „mach dir nichts draus." Aber ich spürte, dass mehr dahinter steckte. Wie viel wusste er? War es eine reine Zufallssache, das er ausgerechnet mich nach letzter Nacht gefragt hatte oder hatte jemand unsere Aktion bemerkt? Von all diesen Gedanken versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen, während ich mit Ivana in einen leichten Smalltalk verfiel, indem wir uns über belanglose Dinge austauschten. Gegen Mittag gab sie mir frei und ich war so furchtbar müde, dass ich mich in meinem Zimmer ins Bett fallen lies und binnen Sekunden einschlief.

Als die Tür sich öffnete, schlug ich panisch die Augen auf, doch es war nur Amber, die in unser Zimmer kam. Es schien bereits die tiefstehende Sonne durch unser kleines Fenster und ich setzte mich auf. „Ich habe dich schon gesucht", sprach Amber und setzte sich auf ihr Bett. „Schätze du bist mir eine Erklärung schuldig."

„Caroline ist... also wir brauchten Hilfe. Von einer Heilerin, ihre Wunden hatten sich entzündet und ich wusste nicht, was ich noch machen sollte. Ich hatte Angst, dass sie stirbt. Oder ohnmächtig wird und nicht mehr aufwacht." Ich sah wie ihr ihre sonst so kontrollierten Züge entgleisten. Ich spürte meinen Herzschlag in meinem holen Körper als ich fragte: „Was für Wunden?" „Zark." Sie sprach seinen Namen aus wie Gift. „Der Bruder des Thronerbens Adamons. Er lebt schon seit einigen Monaten hier im Palast und wollte von Caro Informationen und..." Ich sah an ihrem Gesicht wie schwer ihr das hier fiel, aber ich wollte es wissen, musste es wissen. „Er will mehr von ihr und sie widersetzt sich ihm." Als ich verstand wurde ich ganz bleich. Ich verspürte das Bedürfnis Amber in den Arm zu nehmen und zu trösten, doch sie saß aufrecht da und wischte sich schon die Tränen von ihren Wangen. „Danke, dass du uns geholfen hast, Amira." „Mira", korrigierte ich. Ich fühlte mich ihr plötzlich verbunden, ich verstand mehr davon wie sie war, warum sie nachts wach lag, so wie ich. Sie nickte ohne einen Kommentar. Damit war unsere Freundschaft besiegelt.

„Ich habe eine Aufgabe für dich. Du musst dich um Liane kümmern. Es gibt Probleme. Große Probleme. Berater reisen ab, manche Angestellte kündigen um zu ihren Familien zurückzukehren und ich kann das nicht so gut. Hast du Geschwister?" Ihre Worte kommen in ihrem hohen Tonfall, den sie immer an den Tag legt, wenn sie gerade nicht mit Ilan spricht und manchmal selbst dann. Doch sie ist anscheinend überfordert, die Reihenfolge ihrer Erklärungen, zu denen sie ansetzt ergibt kaum Sinn, so als würde sie alle Informationen bunt durcheinander würfeln. Ich wollte schon zu einem Ja als Antwort auf ihre Frage ansetzten, doch da holen mich meine Gedankenströme ein und ich schüttle stumm den Kopf aus Angst in Tränen auszubrechen. Keine Geschwister. Nicht mehr. „Nun, du wirst das schon schaffen, komm ich bring dich zu ihr. Du wirst sie schon mögen. Jeder mag sie. Zumindest auf den ersten Blick. Dann wird sie anstrengend." Mein Kopf war leer, als ich der Prinzessin weiter folgte zu den anderen königlichen Gemächern, sie schaute in ein paar Zimmer, gab Anweisungen und strahlte die Selbstsicherheit und Ordnung in Person aus. Erst verstand ich nicht, wie sie jetzt so überzeugend auftreten konnte, doch dann wurde mir klar, dass sie ein kontrolliertes Bild abgeben wollte, damit niemand in Panik verfiel. „Hier bist du ja!", sprach sie als wir in einem hohen Zimmer angekommen waren, in das viel Licht viel. Liane lag auf einem cremefarbenen Sofa und ließ ihren Kopf runterhängen. Die Abendsonne tauchte den Raum in ein goldenes Licht und die junge Prinzessin wirkte in ihrer Kleidung wie eine kleine Fee. Ich sah mich um. Bücherregale, Schallplatten, ein Blick auf den Palastgarten, stilvoll eingerichtet, doch alles andere als ein Kinderzimmer. Vermutlich war das auch nur ein Aufenthaltsort für die Kleine, denn ich konnte nirgendwo ein Bett entdecken. Vielleicht trafen sich hier Menschen zum Unterhalten oder Zeit verbringen – ich wusste es nicht. Was machte dieses Kind in seiner ganzen Freizeit?

„Das ist Amira, Liane", stellte die Prinzessin mich ihrer kleinen Schwester vor. Die sich nicht bewegte. „Okay." „Gut, dann sehen wir uns später", ich wusste nicht ob sie mit mir oder Liane gesprochen hatte, doch ich wollte nicht, dass sie geht. Wie sollte ich denn mit der Prinzessin umgehen?

„Hi", sagte das Mädchen,deren blonde Haare fast bis auf den Boden reichten während sie mich weiterhinkopfüber ansah. Da lächelte ich. „Schön, dich kennenzulernen. Ich meine Sie,Entschuldigung, Eure Hoheit, Prinzessin Liane." Peinlich berührt stand ich imRaum herum, doch die Prinzessin sprang auf und kicherte nur. „Was spielst dugern?" Überrascht von der Frage durchforstete ich mein Gedächtnis nach einemSpiel, doch Liane schritt bereits an mir vorbei in Richtung des Bücherregals.„Kannst du lesen?", fragte sie dann weiter. „Ja." Sie nahm ein Buch aus einerder Reihen. „Liest du mir das vor? Die Geschichten mit den Drachen mag ich amliebsten." Ich lächelte als sie mir das Buch gab und sich wieder auf das Sofasetzte und mir zu verstehen gab, dass ich neben ihr Platz nehmen sollte. DasBuch in meinen Händen lautete: Märchender alten Welt. Ob das wohl in der Familie lag?    

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