Ich wurde angewiesen nicht in mein alten Zimmer zurückzukehren. Ebenso wenig in die Flure und Säle, in dem Bereich des Palastes, indem ich bisher gelebt habe. Ich befand mich nun auf der anderen Seite, aber näher an den Gemächern der Prinzessin. Diese wollte mich jedoch nicht sehen. Ich hatte niemandem mit dem ich über meine Befürchtungen sprechen konnte und niemanden, der mir meine Sorgen nahm. Alles waren unausgesprochene Vermutungen und das verbliebene Personal wirkte verschlossener denn je. Ich hatte Sophie seid ich zur Untersuchung gerufen und umquartiert wurde nicht mehr gesehen, hoffte jedoch inständig, dass sie ihre Anstellung hier behalten hatte.
Der Palast befand sich in einem Ausnahmezustand, der niemanden hinein oder hinaus lies, da nach wie vor nicht bekannt war wie sich die Krankheit übertrug, doch anscheinend war bisher nur an der Stadtgrenze eine erkrankte Person aufgefunden worden und alles, was sich innerhalb Nordtors und des Palastes abspielte war eine reine Vorsichtsmaßnahme nicht zuletzt zur Aufrechterhaltung des königlichen Geschlechts. Natürlich gab es genügend Vorräte, sodass niemandem der gestoppte Austausch zur Stadt auffiel, doch ich spürte es in der Luft. Ich war eingesperrt.
Nachdem meine Untersuchungen abgeschlossen waren, verbrachte ich die Vormittage damit Liane zu betreuen, während Der König, die Königin und der Prinz Sitzungen hielten. Etliche Ärzte waren eingeladen oder standen im Briefwechsel mit Beratern oder dem König selbst. Das Land befand sich im Notstand und der Druck, der auf den Schultern der Menschen hier lastete war so deutlich spürbar, dass ich mich nur noch eingeengter fühlte.
Plötzlich verstand ich all die Leute, die einfach gegangen waren. Geflohen. Sie hatten die Wahl und haben sie getroffen. Während ich hier geblieben war, unwissend.
Aus einem unerfindlichen Grund schlief ich schlecht und war im Geiste so unruhig, dass ich nur Ruhe fand, indem ich aus meinem Bett schlüpfte, mir etwas überzog und mich auf den Weg an den Ort machte, der mir ein kleines bisschen Geborgenheit schenken würde. Mein Herzschlag beruhigte sich, als ich barfuß über die Dielen lief und den wohltuenden Geruch von Büchern einatmete. Dieses Mal nahm ich nicht den direkten Weg, sondern ging durch die Reihen und überflog Titel und Abteile. An einigen Büchern blieb ich stehen und betrachtete sie eingehend ohne sie dabei zu berühren. Als ich dann bei dem einen Buch ankam, welches eine ganz neue Welt, wortwörtlich, offenbarte. Hielt ich inne. Meine Hand war schon erhoben, da hörte ich den Atem hinter mir, der nicht meiner war. Der gefährlich nahe war und bekannt. Zu bekannt.
„Warum treffe ich dich immer dann, wenn du etwas Verbotenes tust?" Sein süffisantes Lächeln war perfekt und meine Nackenhaare stellten sich instinktiv auf. Ich ließ meine Hand sinken und drehte mich um, ohne vor ihm zurückzuweichen, aber auch ohne mich ihm zu nähern. Seine dunklen Augen blitzten auf. Ich verneigte mich. „Na, na, na, nicht so förmlich. Wir werden noch einen ganz anderen Umgang pflegen ehe das hier vorbei ist." Ich stand kerzengerade und versuchte mir nichts anmerken zu lassen, doch Zark redete sowieso einfach weiter. „Was hast du hier getan?" Er schaute sich ein wenig um und als ich nicht antwortete, legte er eine Hand auf meine Schulter. „Wir sollten mal wieder miteinander reden, Amira." Seine Weise meinen Namen auszusprechen ließ mich zittern und ich musste an Caroline denken und fragte mich, was ihr Geheimnis war, das sie versucht hatte zu schützen.
„Zark." Der Erbe Adamons neben mir richtete sich auf, seine Hand immer noch besitzergreifend auf meiner Schulter, und mein Herzschlag verdreifachte sich, während Ilan auf uns zukam. „Königliche Hoheit", begrüßte er den Prinzen und deutete ein Verneigen an. Der sarkastische Unterton entging weder mir noch dem Prinzen, wie es schien, doch er blieb unbeirrt. „Was treibt Ihr hier heute Nacht?" Sein Blick schweifte kurz prüfend zu mir, doch war dann wieder zurück bei seinem Gegenüber. Offenbar nahm er an, dass wir zusammen hier waren. „Ich habe meine Gründe." „Natürlich hast du die, die hast du immer, doch dies ist meine Bibliothek und ich verlange zu wissen, was der Vertreter Adamons mit Angstellten meines Palastes mitten in der Nacht hier zu tun pflegt." Das Gesicht des Prinzen war vor Zorn verzogen. Ich schaute zu Boden, wünschte mich weg, in ein fernes Tal, wo meine Familie noch lebte und ich glücklich- „Der Palast gehört immer noch deinem Vater", stellte Zark fest und anscheinend hatte er dabei einen wunden Punkt getroffen. „Du spielst deine Spielchen, aber ich weiß, was du in deiner Freizeit tust und ich weiß auch, dass ich hier mehr zu sagen habe als du. Gib mir Amira", er warf mir einen kurzen Blick zu, „und wir lassen die Sache hier vorerst beruhen." Ich zuckte zusammen als Zark daraufhin anfing laut zu lachen. „Das hätte dir wohl so gepasst. Sie bleibt bei mir. Niemand verbietet mir Spaß mit ihr." „Zark, wie deutlich muss ich noch werden, lass das Mädchen in Ruhe." Mein Herz schlug schnell. Viel zu schnell. Da stand ich, während zwei Kronerben sich meinetwegen stritten. Doch Zark schien es immer noch zu amüsieren, sich mit Ilan anzulegen, denn jetzt legte sich wieder sein wohlbekanntes Lächeln auf seine Lippen. „Oh, da hast du wohl etwas falsch verstanden, Amira ist freiwillig hier." Ilans Blick richtete sich auf mich. „Wer würde auch mir entsagen?", fragte er niemanden bestimmten. Doch ich wusste, was ich zu tun hatte, als alle Augen auf mir lagen. „Also ich sicherlich nicht", brachte ich leise hervor und musste an mich halten, nichts offen zu zeigen, wie schlecht mir bei diesen Worten war. Stattdessen legte ich ein zaghaftes Lächeln auf meine Lippen und blickte in die dunklen Augen Zarks. Der in seiner Selbstbestätigung nun wieder zum Prinzen sah. Ich war Figur eines Schlagabtauschs, der auf zwei Ebenen spielte, die nicht vermischt werden konnten. Ilan waren die Hände gebunden. Er hatte mir helfen wollen und ich hatte ihn eigenhändig davon abgehalten. Ich hielt es nicht aus ihm in die Augen zu sehen und starrte so weiter den Boden an.
„Nun", fuhr der Prinz anschließend fort, „dennoch ist es ohne königliche Erlaubnis verboten um diese Zeit in der Bibliothek herumzustolzieren und erstrecht irgendwelchen schmutzigen Trieben nachzugehen. „Nun, wir wollten gerade gehen, nicht wahr, Amira?", sagte er auf dem Weg zum Ausgang. Ich blickte den Prinzen an und kurz erwiderte er den Blickkontakt. Dann sah er weg und suchte sich seinen Weg durch die Bücherreihen.
Gedankenleer eilte ich Zark hinterher, der mich erneut gerettet hatte. Die Schuld ihm gegenüber wuchs und wuchs. Er erwartete einen Ausgleich.
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MIRA
FantasyEine Krankheit breitet sich in Alliera aus und bringt Mira dazu aus ihrer Heimatstadt Fiadah zu fliehen und sich auf den Weg in die Hauptstadt zu machen. Als sie endlich wieder Arbeit findet, führen viele seltsame Umstände zu einer Bekanntschaft, mi...