Kapitel 15: Der Rosengarten

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Obwohl es schon Nacht war ließ ich ein Bad für die Prinzessin ein und setzte Tee auf. „Manchmal frage ich mich, ob er überhaupt auch mal an sich denkt", sprach sie. „Es ist sehr ehrenvoll, dass er sein Volk schätzt", widersprach ich der Prinzessin leicht, denn das, was ich gehört hatte, klang für meine Ohren gar nicht so falsch. Doch genauso wusste ich auch, was die Beweggründe der Prinzessin waren ihren Bruder nicht zu unterstützen: sie liebte ihn. Als die Prinzessin mich musterte versuchte ich mich gerade hinzusetzen und leicht zu lächeln. Ich hätte jetzt mit Vielem gerechnet, mit Allem außer dem. „Hol dir auch eine Tasse und koste den Tee, das Geschirr wird sonst eh nie benutzt." Völlig perplex schaute ich sie an, ihre Augen waren hellbraun und leichte Sommersprossen zierten ihr hübsches Gesicht. Plötzlich sah ich in der Prinzessin nicht mehr die arrogante mich herumkommandierende Frau sondern das zerbrechliche Mädchen, das sich gegen ihren Bruder stellte um seinetwillen. Da wirkte sie plötzlich ganz erschöpft und fast schon freundlich. Wie sehr Menschen sich in ihrem Auftreten doch von ihrer wirklichen Seite unterscheiden können.

„Wie ist dein Name?" „Amira." „Ein schöner Name." „Danke sehr", antwortete ich höflich und hing noch ein „Eure Hoheit" hintendran, als mir auffiel, dass ich vor lauter Überraschung beinahe den Titel vergessen hatte, doch die Prinzessin lächelte nur darüber.

Dann zog sie ihre Stirn wieder zusammen. „Was würdest du tun?" Ich zuckte nur mit den Schultern. „Ich denke nicht, dass er sich von jemandem umstimmen lässt." „Sicher nicht. Aber wenn ich ihn nur davon überzeuge, noch länger zu warten, dann..." Die Prinzessin wirkte erschöpft. Vorsichtig nahm ich einen Schluck des erlesenen Tees, den die Prinzessin täglich trank. Warme Flüssigkeit rann meinen Hals hinunter. „Kann Euer Bruder denn einfach Entscheidungen treffen, solange Euer Vater regiert?" „Natürlich, er handelt nach seiner eigenen Meinung, wenn ihm etwas richtig erscheint, lässt er sich nicht davon abhalten, er hat alle Möglichkeiten." Ich musste an mein altes Leben denken, in dem ich keine Möglichkeiten hatte. Doch die Menschen hier waren nicht glücklicher mit dem was sie hatten. „Wird er bald damit beginnen?" Die Prinzessin seufzte nur. „Noch nicht, er trifft selten Entscheidungen spontan und ungeplant, aber lange wird er nicht mehr abwarten." Wir hingen beide unseren Gedanken nach. „Das Wasser wird kalt", sprach sie dann, „du kannst gehen, ich erwarte dich erst wieder morgen früh." Ich verneigte mich, bevor ich das Zimmer verlies. „Dir ist es verboten irgendetwas, was du heute gehört hast an andere weiter zu geben, das ist dir bewusst?" „Natürlich, Eure Hoheit." Die alte Strenge war zurückgekehrt. „Gute Nacht, Prinzessin", sprach ich und verlies das Badezimmer ohne auf eine Antwort zu warten.

Gezielt lief ich durch leere Flure und dunkle Gänge. Amber und Sophie schliefen bereits, doch ich konnte in dieser Nacht keine Ruhe finden. In den frühen Morgenstunden stand ich wieder auf. Mir fiel auf, dass ich seit der Ankunft im Palast nicht ein einziges Mal draußen gewesen war. Also suchte ich Wege nach draußen und fand anstatt einer Tür, die mich in die Stadt führte große Scheiben und dahinter – einen Garten. Ich öffnete die Glasfront und trat in die Stille der Welt. Angelegte Grünflächen. Rosenranken in Bögen über dem Weg. Wie von einer Magie angezogen lief ich über den Kiesweg. Bäume und Blumen haben hier im Sommer geblüht, doch jetzt stand ich inmitten von toten Ästen und Sternen. Da waren tausende Sterne am Himmel und ich trat weiter nach vorne an eine kleine Mauer. Vor mir lag die ganze Stadt mit ihren Lichtern und über mir der Himmel mit seinen.

Die kühle Luft lies mich frösteln. Ich spürte dieses Ziehen in meiner Herzgegend, das ich versucht hatte zu vergessen, doch gerade jetzt war es so deutlich, dass ich es nicht umgehen konnte. Heimweh. Doch da war kein Ort, an den ich zurückkehren konnte. Meine Familie war dort hinter den Sternen.

Schritte näherten sich mir von hinten, doch es war bereits zu spät um zu verschwinden, denn der Fremde kam direkt auf mich zu. „Wer ist zu so einer frühen Stunde hier draußen unterwegs?" Ich wich zurück und verbeugte mich leicht, vor dem Herrn. „Ich konnte nicht schlafen", sprach ich leicht verunsichert. „Ich habe dich noch nie hier gesehen, wie kommt es, dass du ausgerechnet im Rosengarten, der normalerweise Mitgliedern der Königsfamilie vorbehalten ist, umherwanderst?" Ich hoffte, dass er nicht bemerkte, dass ich rot anlief. „Das wusste ich nicht, ich bin noch nicht so lange hier." „Natürlich wusstest du das nicht", fuhr er verständnisvoll fort, „wie ist dein Name, schöne Frau?" Der Mann wirkte unheimlich, ich wollte ihm nichts von mir geben, dennoch musste ich höflich bleiben. „Mein Name ist Amira, Sir, Amira Dornia." „Was für ein Zufall, das Mädchen der Dornen im Rosengarten." Irgendetwas stimmte mit diesem Mann nicht, seine Art wirkte hinterhältig. Ich musste hier schleunigst weg, doch es sah nicht danach aus als wollte er mich einfach gehen lassen. „Arbeitest du hier?" Ich nickte. Der wohlgewahrte Abstand zwischen uns wurde geschlossen als er sich mir näherte. Ich zuckte zusammen als er mich an meiner Hüfte berührte. Unangenehme Erinnerungen schossen in mir hoch, doch ich hielt sie von mir fern, so gut es ging. „Folge mir, Mädchen." Es schien mir nicht, als hätte ich eine Wahl.

Das Zimmer, in das er mich führte war dunkel gestrichen und die Vorhänge waren zugezogen. „Du musst definitiv vorsichtiger sein mit dem, was du sagst." „Wie bitte?", ich verstand nicht, was er meinte. Er drehte sich zu mir. „Vielleicht war dir das nicht bewusst, aber Flüchtlinge werden bestraft, eingesperrt, alles aus Sicherheitsgründen." Sämtliche Farbe wich aus meinem Gesicht. Jetzt durfte ich nichts Falsches sagen. „Ich werde mich dran erinnern, wenn ich mal einen Geflüchteten antreffe." Der Mann, der mir nun wieder gefährlich nahe kam, lachte. „Du brauchst mir nichts vorzuspielen, Amira. Ich weiß mehr über dich als jeder andere, der noch lebt, wie's aussieht." Mein versuchte, das Zittern zu unterdrücken, das mindestens genauso stark war wie mein Herzschlag schnell. Ich ging vor dem Mann auf die Knie. „Bitte", flehte ich, „bitte lassen sie mich hierbleiben. Ich habe die Krankheit nicht." Jetzt lächelte er verführerisch und deutete mir wieder aufzustehen. „Sei nicht dumm Mädchen, wenn ich nicht sicher wäre, dass du sie nicht hast würd ich wohl kaum in deine Nähe kommen, oder? Der verstrichene Zeitraum seit du aus Fiadah geflohen bist ist schon viel zu groß, dennoch werden in der Politik keine Ausnahmen gemacht und Risiken eingegangen. Erstrecht nicht, wenn die königliche Familie beteiligt ist." Das war's, dachte ich, jetzt ist es vorbei. „Du hast den Prinzen bereits kennengelernt, nicht wahr?" Ich nickte. „Nun, ich werde dich nicht verraten." Mein Herzschlag setzte aus. Nicht? Er hatte nicht gesagt! „Es war ein glücklicher Zufall, dich getroffen zu haben und ein noch größerer, das es nicht jemand anderer vor mir vor. Doch wenn ich deine Daten vertuschen soll, wie ich es, großmütig wie ich bin, gerne tun werde, stehst du in meinem Dienst." In der Luft lag ein Handel, an dem etwas falsch war, doch ich konnte nicht wahrnehmen was. Es gab keinen anderen Weg als Vertrauen in die Zukunft zu legen. Ich verneigte mich. „Natürlich, Sir." Sein Lächeln brannte sich in meinem Kopf an. „Du wirst soviel wie möglich über den Prinzen in Erfahrung bringen, was seine Schwachstellen sind, wo er ungeschützt hingeht, was sind seine", er hält eine symbolische Pause, dann flüstert er, „Geheimnisse." Ein doppelgesichtige Zofe musste ich sein. Vertrauensvoll wirken und zugleich genau das Gegenteil sein. „Ich hoffe dir ist klar, welche Konsequenzen es haben würde, wenn du dich mir widersetzt...", er ließ den Rest der Worte in der Luft hängen. Ich hatte keine Wahl.

Und als er mir seine Hand reichte, da gab ich ihm meine. So wie meine Treue. Er zog mich nah an sich und ich spürte seinen Atem an meinem Hals als er flüsterte: „Enttäusche mich nicht, Amira."

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