Kapitel 49: Fine

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Mein Kopf pulsierte. Kühles Nass breitete sich auf meiner Stirn aus. Ich versuchte mich ein wenig zu drehen, doch dabei fuhr ein Schmerz in meine Seite und ich stöhnte auf. Mir war schlecht, Übelkeit brandete in mir. Ich stützte mich hoch unter stechenden Kopfschmerzen und würgte über den Rand, dessen, worauf ich mich befand, aber nichts kam hoch. Erschöpft viel ich zurück in weiche Kissen. Die Augen immer noch geschlossen vor Anstrengung hörte ich wie der Lappen von meiner Stirn genommen und in kaltem Wasser aufgefrischt wurde. „Danke", flüsterte ich, ohne zu wissen, wer hier bei mir war. Eine Hand strich mir sanft die Haare aus dem Gesicht. „Ich habe dich doch nicht aus dieser Zelle geholt, um dich jetzt in Sicherheit sterben zu lassen." Bei der mir vertrauten Stimmte öffnete ich flatternd die Lider. Jer. „Hey", sagte er. Er sah fertig aus, müde, angestrengt. Ich wollte etwas darüber sagen, dass das hier mir nicht wie Sicherheitvorkam, aber meine Stimme produzierte keinen Ton, stattdessen hustete ich.Tut mir leid, dass ich Schwierigkeiten mache. „Will ist ein Idiot", kam es dann wie aus dem nichts als würde er mir antworten. Ich schloss die Augen wieder, atmete ruhig. Ich tauchte immer wieder ab und kam zurück an die Oberfläche. Noch lange spürte ich Jeremys Anwesenheit, aber als er aufstand und sich entfernte flüsterte ich kaum hörbar: „Ich bin keine Verräterin." Vielleicht hatte er es nicht mehr mitbekommen, aber ich musste einfach sagen, auch für mich selbst. Denn meine Träume handelten von nichts anderem mehr und bei wachem Zustand spürte ich nichts als diese Schmerzen, die ermir zugefügt hatte,Will. Wer war dieser Mann, dass er diese Wut auf mich hatte? Was war sein Problem mit mir?

Ich lernte ihn jedoch noch nicht so bald kennen. Stattdessen sah ich zu wie die Sonne aufstieg und wieder sank, etwas das ich wochenlang nicht mehr erlebt hatte, aber durch die Plane des Zeltes über meinem Kopf genau sehen konnte. Ich schlief und schlief bis ich mich irgendwann wieder besser fühlte. Jeremy hatte ich immer mal wieder gesehen, manchmal saß er bei mir oder brachte mir Wasser zu trinken, etwas zu essen. Es mussten bereits mindestens drei Tage vergangen sein als ein dünnes, schüchternes Mädchen das Zimmer betrat, in der Hand eine Schüssel Suppe. Ihre Augen waren wunderschön, die Haare trug sie offen mit kleineren Einflechtungen. Zaghaft lächelte sie mich an. Ich versuchte mich aufzusetzen. Es ging mir bereits besser und so schaffte ich es, wenn auch nicht ohne mein Gesicht zu verziehen. „Iss das", sprach sie leise zu mir. „Das hilft." Ich nickte, strich mir eine Haarsträhne hinter mein rechtes Ohr und dann bestand die Stille nur noch aus dem Klappern des Löffels am Schüsselrand. „Dein Name ist Amira, oder?" Ich nickte. Sie wirkte zwar sehr zerbrechlich, aber schien nicht wirklich Angst vor irgendwas oder irgendjemandem zu haben. „Wie geht es dir?" Ich hob meinen Blick erneut, musterte sie und aß weiter. „Oh, tut mir leid, ich wollte nicht-" „Schon okay", unterbrach ich sie und stellte die Schüssel auf meinem Schoß ab. „Es geht mir schon besser, ich meine die paar Kratzer und Beulen - schon lächerlich, dass mich das so sehr ausknockt, was? Ihr seid hier bestimmt viel Schlimmeres gewohnt." Eine riskante Aussage, denn ich hielt sie für schlau genug, den Zwischenton zu erkennen, der darin mitschwang, und dennoch irritierte mich ihre Reaktion, unbehaglich zupfte sie an ihrem Rockzipfel. „Ja... wir waren alle schockiert als Jeremy nicht mit zurückkam. Er war erst seit ein paar Monaten bei uns, aber irgendwie gehörte er trotzdem schon richtig dazu. Wir haben uns alle Sorgen gemacht." Oh. Natürlich.„Aber jetzt ist er zurück und hat dich mitgebracht." Sie unterbrach sich und lächelte, ein kleines, entschuldigendes Lächeln, aber bevor ich darauf reagieren konnte sprach sie bereits weiter. „Ich möchte mich im Namen von uns allen entschuldigen, Will ist", sie schaute nach oben als würde sie seufzen, „er ist kompliziert. Aber er hat wahrscheinlich nichts gegen dich." Das war wohl, die lächerlichste Entschuldigung, die ich jemals zu hören bekomme hatte. Er hatte nichts gegen mich?Das war ja zum Lachen. „Behandelt ihr alle neuen und fremden Menschen so? Das ist mir ja eine tolle Rebellentruppe, wollt ihr die Königsfamilie ermorden und jeden Menschen, der schon einmal ihren Namen gehört und in den Mund genommen hat gleich mit? Das führt ja auf jeden Fall zu einem besseren Leben." Das Mädchen vor mir war ganz bleich geworden und sie tat mir jetzt schon für meine harschen Worte leid. „Lass das niemanden außerhalb dieses Zeltes hören. Wir wollenein besseres Leben, aber nicht jeder will es auf die gleiche Weise erreichen." „Aber Will ist harmlos. Er hätte dich nie-" „Umgebracht? Nein, nur alle meine Knochen gebrochen und mich unter Qualen ausgehorcht." „Sag das nicht. Er ist manchmal sehr aufgeladen, wenn es um... bestimmte Personen geht. Er hat schon schwere Zeiten durchgemacht und will uns alle durchbringen. Wenn es nach ihm ginge dürften Städte brennen um ihm Gewissheit zu geben, dass unsnichts passiert. Aber er ist ein guter Kerl. Ihm ist Loyalität wichtig, weil er schon..." „Verraten wurde", beendete ich ihren Satz. Sie nickte.Ich auch. Vielleicht waren wir gar nicht so sehr verschieden.„Danke für die Suppe." „Ich bin übrigens Fine." „Hat mich gefreut." „Ich bin froh, dass Jeremy dich gefunden hat, Amira." Gefunden. Was genau meinte sie? „Auch, wenn Will und er nicht so gut miteinander klarkommen, das muss ja nichts heißen." Dann verließ sie mein Zelt wieder und nahm die halbleere Schüssel mit.

Ich sah mich um. Das Zelt war klein, ich lag auf einer Art Bett, das sehr flach über dem Boden stand. Stapel an Stoff, ordentlich gefaltet, und eine Truhe, über der eine Jacke lag, die sie halb verdeckte, sowie ein paar Stiefel befanden sich noch hier, mehr nicht, bis auf kleine Kiste unter dem Bett, in die ich aber nicht geschaut hatte. Ich wollte niemandes Privatsphäre stören. Wenn alle hier so sensibel mit persönlichen Werten umgangen, dann würde ich mich dem anschließen.

Ich streckte mich und untersuchte die schmerzenden Stellen meines Körpers. Größtenteils waren die kleineren Wunden schon wieder abgeschwollen, doch einige brannten noch immer bei jeder kleinen Berührung und Belastung. Neben blauen Flecken zierten auch Blutergüsse meine bleiche Haut, doch mein Gesicht war, soweit ich es erfühlen konnte beinahe unversehrt geblieben. Gott sei Dank. Denn ansonsten hätte ich mich dem gesamten Lager als verprügeltes Mädchen präsentieren müssen. So jedoch versteckte ich meine Makelunter Kleidung und drückte meinen Rücken durch. Niemand würde mein Leid zu Gesicht bekommen. Ich trat aus dem Zelt und schon durch die wenigen Schritte machten sich Kopfschmerzen bei mir bemerkbar. Sei stark.Ich setzte ein entspanntes Gesicht auf und suchte mir einen Weg durch das Lager.

Ich war bereits einer tödlichen Krankheit entkommen, war gefangen genommen worden und hatte mich befreit, hatte mir aus nichts als dem Dreck zwischen meinen Stoffalten ein Leben aufgebaut und es wieder verloren, hatte Freundschaften geschlossen und wurde aufgegeben, war eingesperrt worden und entkommen. Wider aller Vernunft hatte ich überlebt, immer und immer wieder. Nichts würde mich klein kriegen. Ich wurde von einem Rebell bewusstlos geprügelt und von einem anderen gesund gepflegt. Mein Leben wurde unaufhörlich auf die Probe gestellt, aber ich hatte es satt mich dem hinzugeben. Jedes Ereignis zog ein anderes nach sich und ich kannte jemanden, der das auch noch zu spüren bekommen würde. Denn ich war wie der Tod - unsterblich. Und niemand verriet den Tod. Niemals.

MIRAWo Geschichten leben. Entdecke jetzt