Mein Gesicht war gewaschen worden, das hatte ich bemerkt. Der Rest meines Körpers jedoch... Meine Haare hingen in verknoteten Strähnen über meine Schulter und ich wollte gar nicht wissen, wie ich roch. Ich brauchte unbedingt Wasser, nicht zuletzt um mir einige der Wunden genauer ansehen zu können, denn der Dreck klebte noch immer an mir wie eine zweite Haut. Unter meinen Fingernägeln klebte Schlamm und Blut. Aber meine Augen strahlten vor Lebenswillen. Ich ging aufrecht.
Während ich das Lager der Rebellen, inzwischen war ich mir dessen sicher, genauer unter Beobachtung nahm, vielen mir einige Dinge auf. Kleinigkeiten. Die Art wie sie mich ansahen, wie sie miteinander sprachen und zusammenarbeiteten. Doch ich verzichtete auf vorschnelle Beurteilungen. Ich wusste weder wer diese Menschen waren, noch welche Schicksale sie zusammengeführt hatten.
Eine Frau kam geradewegs auf mich zu, die Haare in einem Zopf zusammen gebunden, die Augen streng, mich fixierend, das Gesicht von ersten Falten durchzogen. Du hast überlebt. Du bist unsterblich.Ich drückte meinen Rücken durch und blieb in einem angemessenen Abstand vor ihr stehen. Sie hielt ebenfalls an und wir musterten uns. „Du solltest dich waschen gehen, Mädchen." „Und ihr seid?", fragte ich kühl zurück. „Alle nennen mich Rahila." Dann ging sie und ich folgte ihr.
Sie sah sich nicht um, als wüsste sie, dass ich ihr folgen würde. Obwohl mir das seltsam hätte vorkommen müssen, legte ich noch einen Schritt zu. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie mich hintergehen würde. Als die Zelte hinter uns lagen, begann sie einen Weg durch den Wald einzuschlagen. Ich drehte mich um, niemand war hier. Wenn sie mich jetzt töten wollten oder foltern, dann wäre ich schutzlos ausgeliefert. Das war ihr Gebiet, sie kannten sich aus und würden in der Überzahl sein. Ich sah ein letztes Mal über meine Schulter, nur ein kurzer Blick, dann vertrieb ich die Gedanken daran, holte zu ihr auf. „Wohin gehen wir?" „Du wirst so schnell nicht wieder angegriffen, das kannst du mir glauben." Wie vor den Kopf gestoßen blieb ich stehen, doch Rahila kletterte bereits über einen größeren Baumstamm. „Warum sollte ich Euch glauben?" „Weil", sie machte eine bedeutungsvolle Pause, „Jeremy deutlich gemacht hat, dass du ihm gehörst und niemand dich anrühren wird ohne sich mit ihm anzulegen." „Ich gehöre ihm nicht." „Nicht?", sie zog eine Augenbraue hoch. „Nein", gab ich entschieden von mir. „Das hatte sich von ihm aber ganz anders angehört." „Wir sind", sagte ich atemlos, während ich beinahe über einen Stein gestolpert wäre, „Freunde." Ihr Gesichtsausdruck war Antwort genug. „Freunde also." „Ja." Wir waren, ohne dass ich es bemerkt hatte, schon viel weiter in den Wald vorgedrungen. Aber er schien ganz so als kannte sie den Weg, Rahila wirkte unbekümmert. „Wie sind Eure Leute überhaupt in den Palast gekommen. Es gibt dort strenge Sicherheitsgesetze, gerade nach den", ich unterbrach den Satz. Ich war keine der Rebellen, aber ich war auch keine aus dem Palast, nicht wirklich. Wer war ich? „Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ich euch davon erzählen werde, oder?" Dann ging sie voran, wir kamen an eine Felswand und sie zog ein paar Äste und Sträucher beiseite, dann kletterte sie voran in einen kleinen, schmalen Gang. Ich hatte keine Ahnung mehr, wo wir uns befanden. Mir blieb nichts anderes übrig als ihr zu folgen. Bald schon vergrößerte sich der Weg und wir liefen zwischen feuchten Steinwänden entlang bis wir an einen See kamen. Ein See mitten in einem Berg. Irgendwo gab ein wohl einen Zulauf und auch einen Ausfluss, denn ich hörte es leise plätschern. Ich stieg in das Wasser und wusch mich. Gründlich. Danach auch die Kleider. Rahila hatte frische, trockene dabei und gewährte mir einen Moment Privatsphäre, um mich wieder anzuziehen. Ihr Blick wirkte auf eine gewisse Weise wissend und beruhigend. „Was ist Eure Aufgabe in dieser Gruppe?", fragte ich unvermittelt. „Hm, ich reise oft zu verschiedenen Stützpunkten, aber dort kümmere ich mich um die Menschen, die in diesen Zelten leben. Vielleicht siehst du nur ihre Wut, ihren Hass, den Tod, den sie zu bringen bereit wären. Aber ich sehe ihre Geschichten. Ich spreche mit ihnen und lerne kennen, was hinter der Zeltwand verborgen bleibt." „Ihr seid Geschichtenerzählerin?" „Nicht ganz." Rahila legte den Kopf schief. „Nimm deine Sachen, wir kehren zurück ins Lager, du wirst Aufgaben bekommen."
DU LIEST GERADE
MIRA
FantasyEine Krankheit breitet sich in Alliera aus und bringt Mira dazu aus ihrer Heimatstadt Fiadah zu fliehen und sich auf den Weg in die Hauptstadt zu machen. Als sie endlich wieder Arbeit findet, führen viele seltsame Umstände zu einer Bekanntschaft, mi...