siebenunddreißig.

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Elizabeth || Ich werde von einem leichten Kuss auf die Stirn geweckt. Weil ich die Augen noch nicht aufschlagen will, vergrabe ich mein Gesicht an Harrys Oberkörper und weigere mich, einen Zentimeter zur Seite zu weichen.

Lachend stupst Harry mich so lange an, bis ich mit genervtem Gesichtsausdruck zu ihm hochschaue. Am liebsten hätte ich ihm nun meinen Mittelfinger gezeigt, aber dafür müsste ich meine Hand bewegen und das ist mir zu anstrengend.

„Guten Morgen", grinst Harry zu mir herunter. Seine Stimme klingt verschlafen und ziemlich rau, als wäre er heiser. Ich verliebe mich in diese Stimme jeden Morgen nach dem Aufwachen mehr. Allerdings ist auch dies keine Entschädigung dafür, zu dieser frühen Stunde aus dem Schlaf gerissen zu werden.

„Ich hasse dich, Sternchen", beschwere ich mich bei Harry, der bloß die Augen verdreht und mich in einen Kuss verwickelt, welcher meine Laune direkt um einiges verbessert.

„Wie spät ist es eigentlich?", frage ich schließlich, während ich versuche, meine Haare zu ordnen, die sicherlich aussehen, als hätte mir jemand einen Stromschlag verpasst. Harry, der Schleimer, hilft mir dabei tatsächlich, wobei er sich lieber um seine eigene Haarpracht kümmern sollte. Er sieht auch nicht besser aus.

„Autsch", murmele ich, als er einen Knoten aus meinen Haaren entfernt. Dann erinnere ich ihn an meine Frage: „Die Uhrzeit?"

Er beugt sich über mich, um ein Blick auf sein Handy nehmen zu können und erdrückt mich dabei beinahe.

„Oh Scheiße", flucht er dann. „Fuck, Fuck, Fuck."

Das ist der Augenblick, in dem mir bewusst wird, was wir gestern Abend nicht getan haben. „Du hast keinen Wecker gestellt, oder?", werfe ich ihm vor.

„Du doch auch nicht!"

„Aber du hast gesagt, dass du immer daran denkst!"

„Entschuldige, ich bin etwas von deinem nackten Körper abgelenkt gewesen. Mein Wecker ist das letzte, an das ich da gedacht habe", rechtfertigt Harry sich und springt dann fluchend aus dem Doppelbett.

Dabei verfängt sich sein Bein im Bettlacken und er landet mit einem lauten Knall kopfüber auf dem Fußboden.

„Alles okay?", frage ich ihn hastig. Vom Boden ertönt ein beruhigendes Murren, bevor Harry aufsteht und im Bad verschwindet.

Meine Hand tastet über den Nachttisch, bis ich endlich mein Handy zu fassen kriege. Ich habe 13 verpasste Anrufe von Modest. Dies wundert mich aufgrund der Uhrzeit allerdings nicht, weswegen ich gar nicht erst zurückrufe.

Wir haben es tatsächlich geschafft, bis kurz nach zwölf zu schlafen, was ich schon seit Jahren nicht mehr getan habe. Aber Harrys Anwesenheit scheint selbst im Schlaf eine beruhigende Wirkung auf mich zu haben.

Eigentlich hätte wir um 9:45 in dem Flugzeug von Berlin Tegel nach London sitzen sollen, doch dieser ist mittlerweile bereits auf britischem Boden angelangt. Ohne uns, wohlgemerkt.

Ich schicke Mister Richards eine Nachricht, dass wir nicht gestorben sind und sie sich keine Sorgen machen sollen, bevor er einen Suchtrupp nach uns losschickt. Mein Verschwinden ist ihm sicherlich ziemlich egal, aber Harrys Abtauchen kann Mister Richards Millionen kosten. Weswegen er alles andere als begeistert sein wird.

Sie werden sich nach ihrer Ankunft in London unverzüglich auf dem Weg in mein Büro machen. Keine Umwege. Wir werden uns unterhalten müssen, erscheint keine dreißig Sekunden später die Antwort meines Vorgesetzten.

Na wundervoll. Darauf freue ich mich sicherlich nicht. Aber mir bleibt nichts anderes übrig, als mich in London direkt zu Modest zu begeben.

Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und nehme einen großen Schluck Wasser, in dem Versuch, wacher zu werden. Dann googele ich den nächstmöglichen Flug und zücke schweren Herzens meine Kreditkarte, die bei dem stolzen Betrag von fast sechshundert Pfund zu schreien scheint. Damit sind nun auch meine letzten Rücklagen vernichtet, aber wir werden irgendwie wieder zurück nach London kommen müssen.

Oblivion || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt