zweiundzwanzig.

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Harry || „Ich weiß einfach nicht, wie ich das meinen Eltern erzählen soll. Sie werden mich umbringen", stöhnt Louis und vergräbt das Gesicht in seinen Händen.

Es ist nicht allzu lange her, dass ich in der gleichen Position auf meinem Sofa gekauert habe, während meine besten Freunde versucht haben, mich wieder zur Vernunft zu bringen.

„Das wird schon wieder werden, Lou", versuche ich, meinen besten Freund zu beruhigen. „Was genau ist denn passiert? Rede mit mir."

„Das hier habe ich heute in meinem Briefkasten gehabt", entgegnet er mit heiserer Stimme.

„Darf ich es sehen?", frage ich ihn vorsichtig.

Wortlos drückt er mir das Foto in die Hand, das er umklammert hat, seitdem er durch meine Haustür gestürmt ist. Ein Blick darauf und ich hätte es am liebsten wieder fallen gelassen, denn ich fange an zu verstehen, warum Louis so aufgebracht ist. Das Foto ist ein Ultraschallbild, auf dem man ohne Zweifel die Umrisse eines Embryos erkennen kann.

„Maria Gonzales, Woche 16", lese ich vor und starre Louis dann an. „Das ist dein Kind da auf dem Bild, oder?"

„Ich frage mich, wo genau du da ein Kind erkennen willst, das sind nur schwarzweiße Flächen", erwidert Louis, doch seiner Stimme fehlt der übliche Sarkasmus.

Mein Blick wandert wieder zu dem Foto in meiner Hand, das mittlerweile ziemlich zerknittert ist.

„Das Bild lag heute Morgen in meinem Briefkasten", sagt Louis. „Ich meine, ich wusste, dass ich Vater werden würde und habe in letzter Zeit auch Kontakt zu Maria gehabt, aber es war dennoch ein Schock. Es fühlt sich jetzt einfach viel realer an."

Ein großer Teil von mir hat ebenfalls noch nicht realisiert, dass mein bester Freund wirklich ein Kind bekommen wird. Auch wenn Louis immer öfter von Maria gesprochen hat, haben wir das Thema dennoch oft gemieden. Ich bezweifle, dass außer mir überhaupt irgendjemand über Louis denkwürdigen Clubbesuch und die folgende Nacht Bescheid weiß.

„Ich schätze, es hat zumindest nicht deine Nase geerbt", kommentiere ich, in dem Versuch, ihn aufzuheitern und gebe ihm das Foto zurück.

„Was für ein Glückspilz", lacht Louis trocken.

„Wie kann ich dir helfen, Lou?"

„Eine Flasche Vodka wäre gut. Vielleicht sterbe ich dann wegen einer Alkoholvergiftung, bevor meine Mum dies erledigen kann."

Besorgt mustere ich ihn, stehe aber dennoch auf und fülle ihm ein Glas Alkohol ein. Er prostet mir zu und trinkt dann den Inhalt ohne das Glas abzusetzen. Wortlos fülle ich ihm nach und nehme mir ebenfalls einen Drink. Dunkel erinnere ich mich daran, dass ich das letzte Mal, als ich getrunken habe, mit Liz zusammen gewesen bin.

„Du hast es deiner Mutter also immer noch nicht erzählt?", frage ich ihn und versuche, nicht vorwurfsvoll zu klingen. „Ich glaube, dass würde dir gut tun."

„Sie wird mich enterben, Harry. Ich habe es versaut, auf voller Linie", entgegnet Louis tonlos.

Ich schüttele den Kopf und zwinge ihn dazu, mich anzusehen. „Es mag sein, dass du einen Fehler gemacht hast. Aber Fehler passieren nun einmal im Leben. Und du übernimmst die Verantwortung für dieses Kind, obwohl du auch einfach hättest wegrennen können. Deine Mum wird das genauso sehen", versuche ich ihn zu überzeugen.

„Ich werde es ihr am Wochenende sagen", entgegnet mein bester Freund zögerlich.

Das reicht mir fürs erste. Aufmunternd sehe ich ihn an und schütte ihm noch einen Schluck Vodka nach.

Oblivion || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt