epilog.

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        Dreizehn Monate später



„Miss Summers, ich benötige einen weiteren Cappuccino. Bei all dem Stress kann ich nicht arbeiten. Und denken Sie dieses Mal gefälligst an die drei Stücke Zucker! Der letzte hatte nur zwei und war damit ungenießbar", beschwert sich mein Chef lauthals bei mir. Seine Gesichtsfarbe ähnelt der Färbung seiner Haare immer mehr und ich kann die Falte auf seiner Stirn praktisch pochen sehen.

Ich seufze. Als ich mich vor einem Jahr auf die Praktikantenstelle beworben habe, hatte ich mir mehr von der Arbeit versprochen. Doch selbst sieben Monate später bin ich immer noch der Arsch vom Dienst. Aber Mister Warren zahlt gut genug, um meine Ausgaben zu sichern und mehr erwarte ich gar nicht.

Also setze ich mir ein falsches Lächeln aufs Gesicht, immer noch davon überrascht, wie sehr dieses durch meinen Ausflug in die Welt der PR-Beziehungen stetig besser geworden ist. W

Mister Warren sieht kaum von seiner Kamera auf, mit der er bereits erste Testshootings von der Location tätigt. In seinem Job ist er durchaus professionell, weswegen er sich bereits in dem jungen Alter von gerademal 36 Jahren einen Namen in seiner Branche erarbeitet hat. Leider ist er auch sehr exzentrisch, weswegen es die meisten seiner Angestellten nicht lange bei ihm aushalten. Ich bin mit meinen zehn Monaten eine seiner langfristigen Mitarbeiter und ich habe mich längst an die wandelnde Struktur gewöhnt.

„Miss Summers! Muss ich alles dreimal wiederholen?", herrscht mein Chef. „Bringen sie mir endlich diesen Kaffee! Ich kann sonst nicht arbeiten und sie haben Schuld daran, wenn dieses Shooting misslingt!"

Modest ist um einiges unausstehlicher gewesen, weswegen ich über seine Worte nur lächeln kann. Augenverdrehend mache ich mich auf den Weg zu dem Café zwei Straßen von unserem Studio entfernt, wo ich mittlerweile sicherlich eine der besten Kunden bin, wenn man bedenkt, dass Mister Warren seinen Cappuccino inhaliert wie andere die Luft zum Atmen.

Das Heartcake-Café ist wie immer gut gefüllt, weswegen ich kurz warten muss, bis ich meine Bestellung aufgeben kann.

Der Laden ist wirklich gemütlich eingerichtet, mit vielen Kissen und Decken sowie hölzernen Tischen und modernen Lampenschirmen, die ein gelbes Licht ausstrahlen. Es ist ein Familienbetrieb, wie ich bereits erfahren habe und alle Angestellten sind wunderbar. Nicht selten lege ich nach der Arbeit eine kleine Pause ein, um hier etwas zu entspannen, bevor es zurück nach Hause geht.

„Ein Cappuccino mit drei Stücken Zucker", ordere ich.

„Also das Übliche." Lucas, eine der festen Mitarbeiter, sieht mich grinsend an. „Wie sieht die Laune deines Chefs aus? Soll ich dir auch noch einen Schokoladenkeks einpacken, damit du um Gnade flehen kannst?"

Ich lache. „Der wäre bei Mister Warren falsch aufgehoben. Aber mir kannst du gerne einen einpacken."

„Dein Wunsch ist mein Befehl", meint Lucas lächelnd, wobei sich ein Grübchen auf seiner linken Wange bildet.

Er reicht mir den Kaffeebecher und mein Mittagsessen, woraufhin ich mich bedanke und dann zurück ins Studio hetze. Es würde mich nicht wundern, wenn Mister Warren meine Zeit stoppen und jede Sekunde, die ich hätte sparen können, von meinem Gehalt abzieht.

Ich eile also durch das gläserne Gebäude in den vierten Stock, in dem die Fotoshootings stattfinden und drücke Mister Warren seinen Kaffee in die Hand.

Er wirft einen kritischen Blick auf den Keks, den ich ebenfalls gekauft habe und bedankt sich dann. Das ist beinahe so selten wie ein fliegendes Schwein. Er scheint heute also guter Laune zu sein.

„Kann ich sonst noch irgendetwas tun?", erkundige ich mich.

Mein Chef nimmt einen großen Schluck seines Kaffees. „Stellen sie sich in die Ecke und stören sie mich nicht. Ich muss mich vorbereiten", meint er dann.

Oblivion || h.s. ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt