Abby:
Hektisch renne ich durch die Gänge des Backstagebereiches, mein suchender Blick gleitet an den weissen, sterilen Türen vorbei, die irgendwie alle gleich aussehen. Ich versuche, so gut es eben geht die Beine zusammenzukneifen, während ich renne. Au Mann, das ist echt dringend! Scheisse, wo ist hier nur das verdammte Klo?
Dieser Tag geht mir so langsam echt auf die Nerven. Heute morgen erst sind wir in London angekommen und kaum haben wir eingecheckt und unsere Zimmer bezogen, schon hat meine beste Freundin Evy mir zwei Karten dieser bescheuerten Boyband, auf die sie so steht unter die Nase gehalten und vor Begeisterung gekreischt, wie eine Sirene. Meine Versuche, sie dazu zu überreden lieber den Big Ben oder die Tower Bridge zu besichtigen, sind kläglich gescheitert und irgendwann musste ich mich zähneknirschend geschlagen geben, weil ich sie unmöglich alleine gehen lassen konnte.
Der Rest des Nachmittages war das reine Chaos. Evy und ich hetzten von Zug zu Zug, rempelten dabei Passanten an, die uns wüste Schimpfworte hinterherriefen... Aber das Schlimmste war wohl Evys Enthusiasmus und ihre wahnsinnig gute Laune, die sie dazu veranlasste so laut und falsch zu singen, dass uns die Leute nur noch wütender anstarrten. Am Anfang versuchte ich noch, sie davon abzuhalten, aber schon bald gab ich auf, lehnte meinen Kopf an die Scheibe des Zuges und schloss die Augen. Seit ein paar Stunden quälten mich stechende Kopfschmerzen und mein knurrender Magen verschlimmerte das Gefühl des Unwohlseins nur noch. Zudem lastete ein unangenehmer Druck auf meiner vollen Blase.
Aber so wirklich platze mir der Kragen erst, als wir endlich am Konzertplatz angekommen waren und ich feststellen musste, dass wir direkt in der ersten Reihe standen, umgeben von kreischenden, rangelnden Fangirls. Zudem spürte ich langsam, wie sich Platzangst in meinem Bauch ausbreitete. Ja, in meinem Bauch, von wo es weiter in meine Kehle wanderte und diese eng schnürrte. Nervös nestelte ich an dem Reissverschluss meines Hoddies herum: „Evy, lass uns noch kurz aufs Klo gehen. Wir haben noch eine Stunde Zeit.“, bettelte ich irgendwann nach zwei Stunden, aber Evy schüttelte nur hartnäckig den Kopf. „Wenn wir jetzt gehen, dann sind unsere Plätze weg.“
Ich atmete tief ein, um mich zu beruhigen, aber als ich die Augen wieder öffnete und prompt einen Ellenbogen in die Seite bekam, riss mir der Geduldsfaden. „Verdammte Scheisse, kannst du nicht aufpassen?“, fuhr ich das Mädchen an, dass vielleicht vierzehn oder fünfzehn war und eine riesige, runde Brille mit dicken Gläsern trug, die sie verzweifelt festzuhalten versuchte. Das Mädchen funkelte mich daraufhin nur wütend an, während ich einem besonders aufdringlichen Fangirl meinen Ellenbogen in die Seite stiess, woraufhin sie mir ihr Wasser aufs T-shirt kippte. Tja, life is a bitch!
„Mir reichts!“, schrie ich daraufhin Evy ins Ohr. „Ich hab die Schnauze voll.“ Evy starrte mich mit aufgerissenen Augen an. „Ich geh jetzt eine Toilette suchen und du passt verdammt nochmal auf, dass ich hier nachher noch Platz habe. Bleib genau hier stehen, klar! Und wehe, du bist nachher nicht mehr genau hier.“, knurrte ich und liess Evy mit offenem Mund stehen, während ich mich durch die Menge boxte.
Wie ich schliesslich im Backstagebereich landete, weiss ich nicht genau. Ich weiss nur, dass ich wahnsinnig aufs Klos musste und mein T-shirt unangenehm nass an meinem Bauch klebte...
Auf jeden Fall renne ich weiter durch das Labyrinth der Gänge, vorbei an Türen mit Sternchen drauf, nur auf der Suche nach einer verdammten Toilette. Gleichzeitig denke ich, wie bescheurt es war, Evy alleine zu lassen. Ob ich sie nachher wiederfinde? Bestimmt nicht bei dem ganzen Auflauf hier! Ist ja wie im Irrenhaus das Ganze... Aber der Druck meiner Blase lässt mich alles andere vergessen. Intuitiv sprinte ich um die nächste Ecke und knalle gegen etwas hartes.„Au.“, ächze ich, als ich schmerzhaft auf mein Hinterteil falle. Scheisse...
„Verdammt.“ grunzt jemand neben mir, während ich noch damit beschäftigt bin, vor mich hin zu fluchen. Verwirrt drehe ich meinen Kopf in die andere Richung und sehe einen Jungen, der sich umständlich auf die Knie stützt. „Kannst du nicht aufpassen?!“, werfe ich dem Jungen, der sich aufgebracht den Arm reibt, an seinen Lockenkopf.
Daraufhin guckt mich Lockenköpfchen ziemlich böse an und grasgrüne Augen funkeln mir entgegen: „Was ist dein Problem, verdammt? Das ihr durchgeknallten Fans euch immer in den Backstagebereich schleichen müsst.“ Was? Durchgeknallte Fans? Für wen hält sich dieser aufgeblasene Typ mit Dauerwelle eigentlich?
„Ähm, schön. Und du bist...?“, erwiedere ich kühl. Lockenköpchen erhebt sich umständlich und streicht sich mit den Fingern durch seine Haarpracht: „Ist das eine ernstgemeinte Frage?“ Seine perfekten Augenbrauen schiessen in die Höhe. Ob er jemanden hat, der sie für ihn zupft?
„Sehe ich so aus, als ob ich Witze mache?“, frage ich den selbstverliebten Pfau und kann nicht vermeiden, dass meine Stimme dabei zickig klingt. Er schüttelt fassungslos den Kopf, so dass die Löckchen nur so fliegen.
Er beschliesst daraufhin anscheinend einfach, mich zu ignorieren und läuft an mir vorbei. „Hey. Warte mal!“, rufe ich, als mir der Druck auf meiner Blase wieder einfällt. „Was ist denn noch?“, fragt er genervt und dreht sich wieder um.
Ohne auf eine Antwort zu warten hält er mir seine Hand hin und schenkt mir ein, in seinen Augen wohl unwiederstehliches Lächeln, das zwei engelsgleiche Grübchen entblöst. Zuckersüss. Ich würde am liebsten in seine Backen kneifen. „Wir machen ein Foto zusammen und du bekommst ein Autogramm, aber dann verlässt du bitte wieder den Backstagebereich, okay?“Was?! Entnervt stosse ich seine Hand weg. „Ich will kein verdammtes Autogramm von dir. Ich kenn dich nicht mal. Sag mir bitte einfach, wo hier ne Toilette ist, ich muss mal ganz dringend pissen...“
Er verzeiht das Gesicht. Hat ihn das Wort pissen verschreckt? Das tut mir aber leid.
Aber er hat sich anscheinend gleich wieder gefasst, denn er bringt seine Gesichtszüge wieder unter Kontrolle, schenkt mir ein charmantes Lächeln und zwinkert mir zu: „Schon gut, ich verrat dich schon nicht. Keine Angst, ein Foto ist drin.“
Was zum Himmel redet er da? Langsam ist es wirklich nicht mehr lustig: „Jetzt hör mir mal zu Lockenköpfchen. Mir ist es egal, was für ne supertolle Berühmtheit du bist. Ich will kein Foto mit dir. Das Einzige was ich will, ist ein Klo. Und zwar schnell, weil ich nämlich wirklich, wirklich dringend muss, alles klar?“ „Schön, wie du willst. Du gehst den Gang entlang und dann biegst du links ab. Dann gehst du ganz nach hinten, die letzte Tür rechts.“ Gelangweilt mustert er mich. „Danke Lockenköpfchen.“, sage ich und klopfe ihm kurz auf die Schulter.
Er verzeiht daraufhin seinen Mund zu einem spöttischen Lächeln: „Kein Problem, Schätzchen. Verlauf dich aber nicht.“ Oh Mann, ich hätte Lockenköpchen gar nicht so viel Humor zugetraut, denke ich, während ich losrenne...
Natürlich brauche ich ewig, bis ich Evy wieder finde, aber als ich endlich wieder neben ihr stehe, stahlt sie wie ein Honigkuchenpferd: „Gott sei Dank, du hast es gerade noch geschafft.“ Ich verkneife mir den Kommentar, dass ich das Ganze eigentlich liebend gerne verpasst hätte.
Und dann ist es soweit: Die fünf Herzbuben betreten die Bühne und die Welt geht in ohrenbetäubendem Gekreische unter. Ich wiederstehe dem Drang, mir die Ohren zuzuhalten, als mich Evy mit leuchtenden Augen anstrahlt. „Ist es nicht super?“, kreischt sie. Es hat noch nicht mal angefangen, denke ich, während ich mit einem gezwungenen Lächeln den Daumen hebe.
Dann lenke ich meine Aufmerksamkeit auf die fünf Jungs auf der Bühne und als ich genauer hinsehe, stockt mir der Atem: Da oben steht kein geringerer als Lockenköpfchen, der mit einem selbsicheren, schiefen Lächeln auf die johlende Menge hinabschaut. Natürlich, denke ich. Ich hätte Evy vielleicht vorher mal nach ihrer komischen Lieblingsband fragen sollen.
Aber schon bald erfahre ich, wie sie heissen, ich muss mir nur die Plakate und T-shirts angucken und zuhören, welche Namen die weinenden Mädchen kreischen. Ihr Münder formen sich zu einem einzigen, alles verschlingenden Ausdruck, der sich über den kompletten Konzertplatz erhebt.
Es sind zwei Worte, die sie rufen: „One Direction.“ Und irgendwann erfahre ich auch, wie der gelockte Schönling heisst, der hunderte Mädchenherzen zu brechen scheint.
Harry Styles.
DU LIEST GERADE
Teasing is a Sign of Affection
FanfictionIt takes a lot of love to hate you like this "...Ich hasse ihn! Ich hasse ihn- verdammt, ich hasse ihn! Ich hasse ihn für seine unendliche Arroganz und für sein Selbstbewusstsein, das schon beinahe an Selbstverliebtheit grenzt. Ich hasse ihn...