bad conscience

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Harry:

Schon seit etwa einer Stunde beobachte ich Abby, die tief und fest auf meiner Brust schläft. Ich wünsche mir nichts lieber, als ihr endlich ebenfalls ins Reich der Träume folgen zu können, aber mein Gewissen spielt wies aussieht fürs gegnerische Team... Immer wieder muss ich daran denken, was ihr dieser Widerling Alex angetan hat. Ich hasse ihn dafür, dass er ihr so wehgetan hat, aber viel mehr hasse ich mich selbst dafür, dass ich sie zum Objekt dieser beschissenen Wette gemacht habe. Das Einzige Mädchen auf diesem Planeten, dass mir etwas bedeutet...

Meine Augenlieder sind so unendlich schwer, aber trotzdem bin ich hellwach. Ich betrachte Abby eingehend, lasse meinen Blick über ihr langes, haselnussbraunes Haar und über ihr Gesicht wandern. Sie ist keine klassische Schönheit. Im Gegenteil: Sie ist eher unauffällig schön mit ihrem kantigen Gesicht und den markanten Augenbrauen. Ihre Schönheit liegt in ihren unglaublich blauen Augen versteckt, die sanft aber gleichzeitig auch eiskalt sein können. Ihr Schönheit liegt in ihrer Stupsnase, die sie so herrlich in die Luft recken kann, wenn wir uns streiten. Ich muss lächeln, als mir die wenigen, winzigen Sommersprossen darauf auffallen. Und ihre Schönheit liegt in ihren Lippen, den vollen Lippen, die die aufmüpfigsten, schlagfertigsten, intelligentesten Antworten geben können. Ihr Schönheit liegt in ihrer ganzen Art. In der Art, wie sie lacht und wie sie spricht und dabei gestikuliert.

Ich habe so etwas noch nie vorher in meinem Leben gefühlt. Das ich einen Menschen ansehe und mich ein so warmes, heimeliges Gefühl durchströmt. Gott, und ich habe noch nie jemanden angesehen und über seinen Charakter nachgedacht. Ich meine, bei Mädchen war das äussere immer das Entscheidende. Ein Blick und in wenigen Sekunden habe ich entschieden, in welche Schublade ich sie stecke. Aber seit ich sie kenne. Mein Gott, es ist nicht nur ihr äusseres, dass man Herz höher schlagen lässt. Ich liebe ihren Körper, ihren Charakter... alles. Ich liebe ihre Seele.

Behutsam streiche ich Abby die Haare aus der Stirn, woraufhin sie kurz leicht zusammenzuckt. Ich erstarre und halte den Atem an. Ich habe mit ihr geschlafen, denke ich dann verzweifelt. Ich habe sie in dem verletzlichsten Moment ihres Lebens gesehen und ich habe es nicht verhindert. Ich habe es zugelassen, mit dem Wissen, dass diese Beziehung im Grunde genommen auf einer Lüge basiert. Mit dem Wissen, dass ich sie irgendwie ausnutze. Und dann erzählte sie mir die Sache mit Alex und ich fiel aus allen Wolken. Warum habe ich sie nicht zehn Minuten vorher gefragt? Warum habe ich nicht gewartet? Warum habe ich meinen Hormonen und meinem schwanzgesteurten Gehirn die komplette Kontrolle überlassen?

Du bist ein mieses Arschloch, Harry Styles, beschimpfe ich mich selbst, aber ich fühle mich dabei nicht besser- im Gegenteil... Ich habe keine Ahnung, wie ich ihr morgen noch in die Augen sehen soll... Ich kann sie einfach nicht anlügen. Ich... ich liebe sie, verdammt. Ich bin völlig überfordert mit dieser Situation. Ich will sie unbedingt beschützen, sie festhalten, sie zum lachen bringen und alles Böse dieser Welt vor ihr versteckt halten, aber wenn sie die Wahrheit erfährt, wird sie mich hassen...

Sie wird dir niemals verzeihen können, was du ihr angetan hast, denke ich, während ich auf sie hinabblicke und eine Panikattake droht, mich zu überrollen. Am liebsten würde ich sie von mir stossen und vor meinen Ängsten davonrennen- ich habe schliesslich mein ganzes Leben lang nichts anderes getan... Aber auf der anderen Seite, will ich in ihren Armen einschlafen und alles vergessen. Und ich weiss, dass sie die Einzige ist, die meine Sorgen vertreiben kann, auch wenn sie gleichzeitig diejenige ist, die sie überhaupt erst erschafft.
Oh verdammt, wieso? Wieso bin ich so ein Idiot? Ich kann das einfach nicht. Es ist eine einfache Feststellung. Die Medien liegen gar nicht so falsch, wie ich immer dachte. Ich bin wirklich ein feiges Arschloch.

Behutsam bette ich Abbys Kopf wieder zurück auf das Kopfkissen und hebe ihren Arm von meiner Brust. Auf Zehenspitzen stehe ich auf und suche im halbdunkeln meine Klamotten zusammen. Ich muss weg von hier... Weg von dieser ganzen Scheisse. Du hast dir einfach ein zu grosses Ziel gesetzt, Harry. Dir hätte klar sein müssen, dass du bei diesem Mädchen nur auf die Fresse fliegst...

Doch auf einmal dreht sich Abby um und gibt ein kleines Maunzen von sich, wie ein Kätzchen. Sie murmelt etwas unverständliches und ich stehe da, wie zu Eis erstarrt und wage nicht, mich auch nur einen Zentimeter zu bewegen. „Harry“, flüstert sie in die Dunkelheit hinein und ich versteife mich noch mehr. „Ja?“, antworte ich schliesslich zaghaft und mit erstickter Stimme, aber die Antwort bleibt aus und nachdem ich eine halbe Ewigkeit mit klopfendem Herzen im Zimmer stehe und angestrengt die Ohren spitze, stelle ich fest, dass sie nur im Schlaf redet. Erleichtert atme ich aus und bücke ich mich, um mein T-shirt aufzuheben und da sagt sie es.

Und bei ihren Worten bricht alles in mir zusammen. Wilde Freude, Unglauben, Zuneigung, Angst und eine Woge aus noch grösserer Verzweiflung als gerade eben noch- all diese Gefühle überrollen mich und lassen mich völlig geschockt zurück. In diesem Moment fühle ich alles und ich kann mich nicht entscheiden, welchem Gefühl ich Glauben schenken soll. Was soll ich fühlen? Ich habe keine Ahnung und schliesslich beschlisse ich, dass ich mich einfach nur leer fühle.
„Ich liebe dich.“, diese drei Worte verändern alles.

Ich brauche sie. Sie ist mein Anker, der mich vor dem Ertrinken rettet. Sie war die Einzige, die mich in letzter Zeit irgendwie glücklich machen konnte und bei ihr konnte ich so weit wie möglich ich sein... Aber ich habe bis zu dieser Nacht immer gedacht, sie sei stark. Ja, ich war fest davon überzeugt, dass Abigail Tompson niemanden brauchte. Aber jetzt weiss ich es besser: Sie braucht mich. Ich werde gebraucht. Es fühlt sich toll an, gebraucht zu werden. Aber ich weiss auch, dass ich nicht derjenige bin, der sie retten kann, obwohl ich es so gerne sein will. Verdammt! Es zerreisst mich fast, aber ich weiss, dass ich es nur noch schlimmer mache, wenn ich jetzt gehe. Ich darf jetzt nicht gehen... Komm schon, Harry...

Seufzend gebe ich also meinem inneren Kampf nach und krabbele wieder zu ihr unter die warme Decke zurück und während sie sich im Schlaf wieder an mich kuschelt, als würde sie die Wärme meines Körpers bereits vermissen, fasse ich einen Entschluss:

Mir ist bewusst, dass ich nicht ihr Held sein kann und dass das mit uns wahrscheinlich nicht ewig funktioniert, aber ich werde für sie da sein, solange, wie sich mich braucht. Solange, bis sie mich wegschickt. Und bis dahin muss ich unbedingt dafür sorgen, dass sie nicht von der Wette erfährt. Sie darf um keinen Preis davon erfahren.

Und ich weiss, dass ich ein Arschloch bin, ich bin mir durchaus darüber bewusst. Ich weiss, dass es stimmt, was die Anderen über mich sagen. Und ich hasse mich so unbeschreiblich dafür. Ich hasse mich dafür, dass ich so viele Menschen verletze. Das es so viele Frauen gibt, denen ich wehgetan habe, dass meine Fans immer wieder Mist über mich in der Zeitung lesen müssen, dass ich durch meine Frauengeschichten mehr Aufmerksamkeit von der Presse bekomme, als die anderen Jungs, dass ich der Grund bin, warum wir nur noch streiten, dass wegen mir die Beziehung zwischen Louis und Eleanor von vielen nicht ernst genommen wird und dass meine Mum so oft traurig ist.
Und dafür, dass Abby jemanden wie mich liebt und ich nicht einfach abhaue und sie ihr Leben leben lasse, weil ich so furchtbar egoistisch bin- weil ich sie auch liebe und weil ich weiss, dass sie eigentlich jemand viel besseren verdient hätte. Es wäre so viel leichter, wenn ich sie nicht lieben würde. Aber ich tus...

Ich hasse mich selbst so abgrundtief.
Aber gleichzeitig hofft ein winziger, klitzekleiner Teil von mir, dass wenigstens meine Liebe zu diesem Mädchen mich zu einem besseren Menschen macht. Wenigstens ein kleines bisschen.

Und ich muss lächeln, als sie ihren Kopf an meine Schulter schmiegt. Sie gibt mir trotz Allem Hoffnung, dass ich es sein kann...

Teasing is a Sign of AffectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt