The ugly truth

3.5K 134 1
                                    

Abby:

Ich sitze mal wieder, wie so oft, auf meinem Bett und starre an die verputzte Wand meines Hotelzimmers, in dem ich nun schon seit fast drei Monaten wohne und das sich immer noch irgendwie fremd anfühlt. Neben mir sitzt Evy und redet nun schon seit etwa einer halben Stunde auf mich ein. Sie hat mir geduldig ihren heutigen Tagesplan für uns vorgetragen, der darin besteht einen Spaziergang durch den Hyde Park zu unternehmen, woraufhin ich entrüstet den Kopf geschüttelt habe. Draussen regnet es in strömen und London zeigt sich heute von seiner unfreundlichsten Seite. Entgegen ihres sonstigen Vorgehens hat mich Evy nicht etwa dazu zu überreden versucht, trotzdem raus zu gehen, sondern hat einen neuen Vorschlag nach dem anderen gebracht.
Und ich habe jeden Vorschlag verneint, geflissentlich ignorierend, dass Evys Lächeln mit jedem "Nein" meinerseits immer schmaler wurde.

Irgendwann kann ich es nicht mehr mit ansehen und greife einfach nach der Fernbedienung, die vor mir auf den weissen Kissen liegt. Nachdenklich mustere ich kurz das Kissen.
Nach meinem Ausraster letztens, bin ich wie von der Tarantel gestochen zu einem Zimmermädchen gerannt und habe sie beinahe angeschrieen, dass sie sofort mein Bett frisch überziehen soll. Der Gedanke an Harry in meinem Bett und dem Geruch auf meinen Kissen war mir so unerträglich, dass ich es nicht mehr aushalten konnte, obwohl seit dem letzten Mal als er hier geschlafen hat die Kissen bestimmt schon hundertmal neu bezogen wurden...

Seufzend wende ich mich an Evy: „Lass uns doch heute einfach mal hier bleiben und einen entspannten Fernsehtag im Bett veranstalten.“, sage ich und versuche verbissen, sie dabei überzeugend anzugrinsen. Aber Evys Mundwinkel wandern augenblicklich nach unten. Sie weiss ganz genau, dass sie mich beim Fernsehgucken nicht ablenken und von meinen düsteren Gedanken abbringen kann.
Ich wappne mich also schon für unsere Diskussion, aber zu meiner Überraschung seufzt sie kurze Zeit später nur leise auf und nickt dann. „Na gut.“, antwortet sie dann und gibt sich damit geschlagen.

Eine Viertelstunde später liegen wir im Schlafanzug unter meiner Decke, stopfen Chips in uns hinein und sehen uns eine dämliche Dokumentation über missratene Schönheits- Ops an.
„Darf ich umschalten?“, frage ich irgendwann gelangweilt, als einer fünfzigjährigen Frau gerade Brustimplantate eingesetzt werden. Evy starrt auf den Bildschirm und erschaudert: „Tu dir keinen Zwang an. Mann, das ist echt widerlich.“
Ich schenke ihr ein müdes Lächeln und greife nach der Fernbedienung. Gelangweilt zappe ich mich durch die Kanäle, als ich auf einmal auf etwas stosse, was mich für den Bruchteil einer Sekunde innehalten lässt.
Es ist ein Fernsehinterview mit One Direction...

Auf dem Sofa sitzen Niall, Liam, Zayn und Louis und etwas abseits neben ihnen, mit gesenktem Kopf, sitzt auch Harry.
Ich erschrecke, als ich die Ringe unter seinen Augen sehe, aber gleichzeitig versetzt mir sein Anblick einen unangenehmen Stich. Vor allem, als mein Blick auf das gepunktete Hemd fällt, das er trägt...

Ich will schon schnell weiterschalten, als der Interviewer auf einmal eine Frage stellt: „„Harry, wenn ich dir auch eine Frage stellen dürfte? Du bist ja als kleiner Frauenschwarm bekannt, hast die begehrtesten Frauen der Welt gedatet- von Taylor Swift bis Kendall Jenner und deine letzte Beziehung war die, zu dem Model Abigail Tompson, mit der du eine gemeinsame Fotostrecke aufgenommen hast. Aber letzte Woche sind eher unerfreuliche Meldungen über dich zu lesen gewesen. Etwas über eine bestimmte... Wette. Würdest du uns davon erzählen?“

Als die Worte des Interviewers an meine Ohren dringen, versteift sich automatisch mein ganzer Körper. Und selbst, wenn ich gewollt hätte, ich kann einfach nicht umschalten. Ich muss einfach seine Antwort hören. Ich muss einfach. Ich muss hören, was er dazu sagt, wie er reagiert.

Aber Evy scheint das anders zu sehen, denn sie sieht mich kurz vollkommen geschockt an und greift dann blitzschnell nach der Fernbedienung in meiner Hand, bevor ich reagieren kann: „Komm... lass uns mal umschalten.“, sagt sie mit zitternder Stimme.

Meine Reaktion ist vollkommen übertrieben, das weiss ich selber, aber mit einem Mal bekomme ich Panik. Ich will hören, was er sagt, auch wenn es wehtut, ich muss es einfach hören... Also werfe ich mich beinahe auf Evy und angele hektisch nach der Fernbedienung. „Nein!“, schreie ich dabei viel zu laut. Aber Evy zieht den Arm nach oben, sodass die Fernbedienung aus meinem Sichtfeld verschwindet und mit der anderen Hand, drückt sie mich weg. Ich rolle auf Grund ihrer heftigen Reaktion wieder auf meine Seite des Bettes zurück und Evy nutzt die Gelegenheit und schaltet blitzschnell zurück auf die Doku.

Als ich wieder die Kontrolle über meinen Körper bekomme, kauere ich mich auf meine Knie, wie eine Wildkatze und funkele sie wütend an: „Schalt zurück. Sofort!“, zische ich, aber Evy reagiert nicht. Und ich weiss selber nicht, wie mir geschieht, als ich mich plötzlich mit einem wilden, verrückten Schrei auf sie stürze und erneut nach der Fernbedienung in ihren Händen angele. Voller Wut und Verzweiflung graben sich meine Fingernägel tief in die Haut ihres Unterarmes, doch obwohl ihr die Tränen in die Augen schiessen- sie lässt einfach nicht los.
„Abby, du verdienst nicht, das hören zu müssen.“, ächzt sie unter meinem Körper, der sie vollkommen bewusst verletzt.

Aber es ist mir egal, es ist mir alles so egal. Alles, was ich will, ist seine Stimme zu hören. Und ob ich nun will oder nicht, auf einmal hoffe ich, dass es für alles, was passiert ist, eine Erklärung gibt.

„Es ist mir egal, schalt zurück.“, kreische ich und ich merke, wie Evys Hand langsam zu zittern beginnt. Trotzdem lockere ich meinen Griff nicht.
Sie sieht mich mit ihren dunkeln Augen traurig an: „Abby, bitte nicht...“
Und bei diesem Anblick lockere ich endlich meinen Griff um ihr Handgelenk, dass von langen, roten Kratzern überzogen ist. Beinahe anklagend sehen ihr Handgelenke aus. Ich starre darauf und frage mich, wie ich sie nur so verletzten konnte und endlich schaffe ich es, sie anzusehen.

Ich sehe sie an. Obwohl ich ihr gerade wehgetan habe, bereue ich mein Handeln trotzdem nicht wirklich und das macht mich krank vor Selbsthass auf mich selbst.

„Evy, versteh endlich, dass du mich nicht vor allem beschützen kannst.“, sage ich dann kalt und bei diesen Worten rinnen ihr wirklich die Tränen über die Wangen. Umständlich erhebt sie sich von meinem Bett und wirft mir mit einem dumpfen Knall die Fernbedienung vor die Hände. „Du verstehst überhaupt nicht, warum ich das hier tue, oder?“, fragt sie und sie klingt unglaublich verletzlich, aber ich kann einfach an nichts anderes mehr denken, als an Harry und das Interview, also tue ich das blödeste, was ich überhaupt tun kann. Ich greife nach der Frenbedienung und schalte hastig zurück auf den Sender, auf dem das Interview ausgestrahlt wird.

Ich merke kaum, wie Evy den Raum verlässt und die Tür hinter sich zuknallt.

Alles was ich sehe, ist Harry.

„Im Gegenteil, sowas wie eine Wette hat es niemals gegeben. Wir haben uns im Guten getrennt und sind immer noch sehr gut befreundet. Abby ist eine tolle Frau und ich bin wirklich froh, so eine gute Freundin zu haben, die mir immer zur Seite steht. Wir kamen schon von Anfang an sehr gut miteinander klar und haben uns einfach nur auseinandergelebt, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass wir gute Freunde sind.“

Ich starre auf den Bildschirm, starre in sein wunderschönes Gesicht, das mir so vertraut ist und das in diesem Augenblick doch unheimlich fremd auf mich wirkt. Sein Blick ist direkt in die Kamera gerichtet und beinahe scheinen sich seine grünen Augen direkt in meine zu bohren. Er wirkt traurig, aber dennoch überzeugt. Und diese Überzeugung in seiner Stimme tut am meisten weh. Mehr als die Worte, die er an die Kamera richtet. Mehr als alles andere. Es zeigt mir, dass er die Wahrheit sagt. Die Wahrheit, die eigentlich eine Lüge ist...
Aber komischerweise tut es überhaupt nicht so weh. Jedenfalls nicht so, wie ich gedacht habe.

Denn mit einem Mal weiss ich, dass es endgültig vorbei ist...
Evy hatte recht, ich muss lernen, mit dem Schmerz umzugehen und loszulassen.

Und ich weiss selber, dass das ziemlich lange dauern wird, aber auf einmal bin ich soagr bereit dazu, es zu versuchen. Es war nicht so falsch, seine Meinung über das Ganze zu hören. Es gibt mir nur Bewusstsein. Es zeigt mir, dass es nichts gibt, worauf ich noch warten müsste- oder hoffen...

Und mit diesem rettenden Gedanken im Kopf, diesem kleinen Lichtblick in der völligen Dunkelheit, springe ich vom Bett auf und reisse entschlossen die Zimmertür auf. "Evy!", will ich schon rufen, halte jedoch jäh in der Bewegung inne.

Ich stocke, als ich sehe, das bereits jemand vor mir steht.

Aber es ist nicht Harry, wie ich für einen kurzen, wahnwitzigen Moment hoffe.

Und es ist auch nicht Evy.

Es ist Alex...

Er baut sich vor mir auf und während ich instinktiv ein Stückchen vor ihm zurückweiche, breitet sich ein schmutziges Grinsen auf seinem Gesicht aus:

„Hallo Baby, schon lange nicht mehr gesehen...“

Teasing is a Sign of AffectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt