Fame or Feelings?

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Harry:

Ich habe keine Ahnung, wie lange ich im Badezimmer sitze und an die nackte Wand vor mir starre, ohne auch nur das geringste zu fühlen. Ja, ich fühle wirklich nichts, was um mich herum passiert. Zumindest körperlich...
Ich fühle den kalten Boden der Wanne unter mir nicht, ich fühle nicht, wie mein Rücken zu schmerzen beginnt oder wie mein Bein einschläft. Ich fühle rein gar nichts, was meinen Körper betrifft... Es ist mein Herz, das in Flammen steht.
Und verdammt, ich schwöre, dass ich das noch nie in meinem ganzen Leben gefühlt habe.
Noch niemand hat es geschafft, mein Herz zu brechen, ja noch nicht mal das kleinste bisschen Trennungsschmerz in mir auszulösen. Normalerweise war es immer ich, der die Herzen gebrochen hat, auch wenn ich niemals so sein wollte.
Und jetzt verabscheue ich mich dafür.

In letzter Zeit hasse ich mich sowieso für alles. Aber am meisten dafür, was ich ihr angetan habe. Diese Tatsche schmerzt sogar mehr, als mein eigener Kummer es jemals könnte. Das Gefühl der Schuld frisst mich beinahe auf und verschlingt jede andere Empfindung. Sie nimmt mich komplett für sich ein und selbst, wenn ich gewollt hätte, hätte ich sie mit niemandem teilen können. Nicht mal mit Louis.
Ich konnte Lou einfach nicht zeigen, wie schlecht es mir wirklich geht und was mich so sehr beschäftigt. Es tut mir weh, dass ich ihn damit quasi das erste Mal in meinem Leben von meinen Gedanken ausgeschlossen habe, aber es ging einfach nicht.
Lou ist mein bester Freund. Er hat es nicht verdient...
Louis ist ein Mensch mit leichten Gedanken- unbeschwert. Glücklich. Und auf den zweiten Blick ist er sensibler, als man vielleicht denkt. Ausserdem will er seinen Freunden immer unbedingt helfen und machen, dass es ihnen besser geht. Manchmal will er es sogar fast schon zu sehr.
Und im Moment kann mir gar nichts helfen, Ende der Fahnenstange.

Ich sitze noch Ewigkeiten in der kalten Badewanne. Ich weiss nicht wieso, aber schon seit ich denken kann, verstecke ich mich hier, wenn es mir wirklich schlecht geht.
Und ich durchlebe die „dunklesten“ Momente meines Lebens noch einmal und merke, dass sie verlglichen mit dem, was ich jetzt fühle, rein gar nichts bedeuten.

Ich war elf und hatte eine sechs in Mathe geschrieben.
Ich war vierzehn und hatte eine Abfuhr von Lizzy bekommen, die drei Jahre älter war, als ich.
Ich war fünfzehn und mein Hamster war gestorben.
Ich war sechzehn und wir hatten X-Faktor nicht gewonnen.
Ich war siebzehn und las mal wieder diversen Haterkommentare über mich auf Twitter.

Und auf einmal bin ich wieder sieben Jahre alt und habe mich heftig mit meiner Mutter gestritten.
Sie findet mich nach vier Stunden weinend in der Badewanne, nachdem sie überall nach mir gesucht hat. 

Sie hatte mir behutsam über den Kopf gestrichen und mich dann seufzend in eine feste Umarmung gezogen.
Und auf einmal fehlt sie mir unbeschreiblich und ich würde alles dafür geben, wieder sieben Jahre alt zu sein und in ihren Armen zu liegen. Damals war alles so einfach.
Am liebsten würde ich ihre Stimme hören, die mir sagt, dass alles wieder gut wird, aber ich weiss, dass das gerade nicht möglich ist, denn wenn ich sie anrufen würde, müsste ich ihr die Wahrheit sagen und das kann ich auf keinen Fall. Sie würde enttäuscht sein. Und meine Mutter derart zu enttäuschen, tut nur noch mehr weh.

Plötzlich fange ich an, unkontrolliert zu zitternd und mit einem Mal erwache ich aus meiner Starre und fange an, wieder sowas wie menschliche Empfindungen wahrzunehmen. Es ist kalt. Ich zittere. Meine starren Glieder sind unangenehm verrenkt und auf meiner Blase herrscht ein überdimensionaler Druck.
Ausserdem fällt mir mit einem mal auch auf, wie düster es in dem kleinen Badezimmer geworden ist. Mir ist nicht mal aufgefallen, wie die Zeit vergangen ist, aber ich habe wirklich den kompletten Nachmittag hier gesessen, ohne mich zu bewegen...

Seufzend krabbele ich aus der Badewanne und wische mir über die geschwollenen Augen. Leise tapse ich zu Tür und öffne diese einen Spalt.
Das Licht im Flur brennt und aufgeregte Stimmen dringen aus dem Erdgeschoss zu mir nach oben. Gut. Sie scheinen also alle unten zu sein, denke ich beruhigt, während ich den Flur entlangschleiche, peinlichst darauf bedacht, kein Geräusch von mir zu geben und schnellstens in mein Zimmer zu gelangen.
Als ich von unten meinen Namen höre, halte ich jedoch dennoch inne.

„Harry hat sich rein gar nicht zu Schulden kommen lassen, das habe ich doch bereits gesagt.“, höre ich Nialls gereizte Stimme und mit einem Mal gewinnt das absolut menschliche Gefühl der Neugierde die Oberhand in mir.

Sie reden über mich? Der Gedanke, dass dieses Gespräch wahrscheinlich alles andere als positiv ist, versetzt mir einen Stich. Keinen Augenblick lang habe ich daran gedacht, dass die Schlagzeile uns noch ganz andere Probleme beschaffen könnte. Keine Sekunde lang habe ich an die Jungs gedacht. Vollkommen egoistisch habe ich mich nur meinem eigenen Schmerz hingegeben und mich im Badezimmer eingeschlossen, während die Jungs anscheind sofort an das Wohl der Band gedacht haben... Als dieser Gedanke in meinem Kopf reift, fühle ich mich auf einmal wahnsinnig schuldig. Wie konnte ich nur so illoyal gegenüber den Anderen sein? Ich schäme mich so sehr, dass mir die Röte ins Gesicht steigt und ich mir wünsche, dass sich einfach der Boden vor mir auftut und mich verschluckt.
Schuld ist scheinbar das Einzige, was ich noch fühlen kann.

Ich versuche, den riesigen Kloss in meinem Hals runterzuschlucken, als ich langsam die Treppe hinunterlaufe und vor der Tür stehen bleibe. Ich will mit gerade einen Ruck geben und sie zaghaft öffnen, als mir auf einmal eine fremde Stimme ans Ohr dringt und mich jäh erstarren lässt. Mitten in der Bewegung halte ich inne.
„Wir können so nicht mehr weitermachen. Diese Schlagzeile muss schnellstmöglichst dementiert werden, sonst ist ihr guter Ruf endgültig zerstört.“ Die fremde Stimme klingt resigniert, jedoch höre ich deutlich den wütenden Unterton darin mitschwingen, der mir eine Gänsehaut über den Körper jagt.
Mir ist durchaus bewusst, in welcher Situation wir uns gerade befinden, denn ich glaube zu wissen, dass in unserer Küche soeben jemand vom Manegmant steht, der uns ordentlich Feuer unterm Hintern machen soll.

Wir haben ein grosses Problem, das steht ausser Frage. Und ich allein bin daran Schuld...

„Und was, Mr. Parker, sollen wir ihrer Meinung nach tun?”, höre ich Liam fragen und halte den Atem an.

„Das Mister Payne, frage ich mich allerdings auch.“, antwortet der Angesprochene, nun mit unverholener Kälte in der Stimme. Ich glaube der Kerl findet es ganz und gar nicht gut, dass ihm die Ehre zuteil wurde, die Sache wieder gerade zu biegen. Wenn er versagt, wird er sich garantiert nicht mehr zu den Mitarbeitern von Modest zählen dürfen...

„Aber sie haben doch bestimmt irgendwelche Vorschläge, wie wir das Problem aus der Welt schaffen könnten.“, Liams Stimme reisst mich aus meinen Gedanken, die erneut drohen, sich zu überschlagen. Auch er klingt wütend.
Ich beisse mir auf die Zunge, bis sich der strenge Geschmack von Blut in meinem Mund ausbreitet. Ich habe wirklich alles kaputt gemacht...

„Oh, das habe ich wohl, Mr. Payne.“, antwortet der Parker-Typ, aber mit einem Mal mischt sich eine andere Stimme in die Unterhaltung ein- Louis.
Als er redet, klingt auch er ziemlich wütend, ausserdem höre ich, wie ungeduldig er ist. Das Gespräch geht ihm ziemlich gegen den Strich, das spüre ich. „Warum lassen wir dieses blöde Getue nicht endlich sein und sie sagen uns, was das Managment von uns möchte, Mr. Parker.“
Wozu das Managment uns zwingt, berichtige ich ihn stumm in Gedanken und presse mein Ohr dichter an die Tür. Die nächsten Worte werden darüber entscheiden, wie es mit One Direction weiter geht, das weiss ich genau. Es geht um unsere Zukunft im so unbeständigen Showbiz, dessen Ende mit jedem Tag eintreten könnte. Schon morgen könnten wir nicht mehr angesagt sein oder mit so einem Fehltritt wie diesem, unsere komplette Fangemeinde verlieren. Es geht quasi um alles, das ist mir klar.

„Wir erwarten eine öffentliche Dementierung der Gerüchte.“, höre ich Mr. Parker antworten. „Uns zwar von Mister Harry Styles höchstpersönlich.“
Ich balle die Hände zu Fäusten, als sich mein leiser Verdacht bestätigt.
Jetzt ist es daran, auch noch meine Fans anzulügen. Die Menschen, die in mir immer einen guten Menschen gesehen haben. Die Menschen, die uns verehren, uns vertrauen, dessen Vorbilder wir sind. Ich habe in letzter Zeit so oft lügen müssen, vor allem im Bezug auf die Menschen, die ich liebe. Und nun muss auch noch meinen Fans eine Lüge auf dem Silbertablett servieren...
Und Abby... Was ist mit Abby, denke ich panisch. Denn ich weiss, dass egal was ich sage, in der Öffentlichkeit breitgetreten wird. Egal, was ich sage, sie wird es hören und ich werde sie damit nur noch mehr vereltzten. Ich weiss, dass ich das nicht tun kann. Es ist mir unmöglich, ihr noch einmal wehzutun. Es ist mir so klar, dass ich entschlossen die Küchentür öffne und den Raum betrete.

Um den Küchentisch versammelt sitzen Lou, Zayn, Liam und Niall, alle mit ernsten, besorgten Gesichtern. Inmitten von ihnen sitzt Paul, der das Gesicht in den Händen verborgen hat, vor seinem Laptop und an die Küchentheke gelehnt, steht ein breiter, riesiger Typ im Anzug. Er hat eine Glatze und dunkle, gefährlich wirkende Augen, die sich in genau diesem Moment mit unbarmherzigem Blick in meine bohren: „Na wen haben wir den da? Gibt sich Mr. Styles auch die Ehre?“, fragt er mich mit eiskalter Stimme und macht ein paar Schritte auf mich zu. Er streckt mir seine riesige Pranke entgegen: „Brian Parker- Modest.“ Aber ich ignoriere die ausgestreckte Hand geflissentlich.

„Mr. Parker... Es tut mir leid, aber sie hätten mich bereits am Anfang des Gesprächs dazuholen können. Es gibt nichts, was sie ohne mich besprechen sollten, zumal ich doch der Verursacher der Probleme bin, nicht wahr?“, frage ich ihn herausfordernd. Mit einem Mal bin ich alles andere als traurig. Im Gegenteil, eine alles verschlingende Wut verbreitet sich in meinem Bauch, als ich sehe, wie dieser Typ in der Küche steht und mit den Jungs redet. Als könnten sie irgend etwas dafür...

„Natürlich, Sie sind offen gesagt schon immer das Sorgenkind von Modest gewesen. Aber leider sind sie auch viel zu beliebt bei den Medien, als das man sie feuern könnte. Sie sind einfach ein zu gutes Werbemittel, nehme ich an.“ Ich versuche, die aufkeimende Wut hinunter zu schlucken, denn ich weiss, dass er mich absichtlich provoziert, aber es ist zugegebenermassen schwer, mich zurückzuhalten.
„Ich glaube nicht, dass das zur Geschäftsbeziehung gehört, sowas im Moment zu erwähnen.“, erwiedere ich also nur und presse meine Zähne aufeinander, sodass sich mein Kiefer anspannt. „Ich nehme an, dass ich die Gerüchte dementieren soll? Also, wie sieht der Plan aus.“, frage ich dann geradeheraus und Parker zieht überrascht die Augenbrauen nach oben.

Dann räuspert er sich: „Sie haben morgen ein Fernsehinterview, in dem sie garantiert auf diese Schlagzeile angesprochen werden. Aber statt sich zu dem Thema nicht zu äussern, werden sich genau das Gegenteil tun und von ihrer wunderbaren Beziehung zu Mrs. Tompson schwärmen. Und dann werden sie sagen, dass sie beide sich im Guten getrennt haben und immer noch eng miteinander befreundet sind.“, gibt er ebendso geradeheraus zurück.

Ungläubig starre ich ihn an und versuche, seine Worte zu verstehen. In der Küche ist es totenstill, alle Augen sind auf mich gerichtet. Alle warten auf meine Antwort.
„Das... das verlangen sie doch nicht wirklich von mir?“, stosse ich schliesslich mühsam hervor. Er kann nicht von mir erwarten, dass ich so tue, als wäre alles in Ordnung. Ich kann nicht so tun, als ob es das wäre. Vor allem nicht wegen Abby. Ich habe ihr so wehgetan und jetzt soll ich auch noch meinen Fehler verleugnen. Wenn ich das tue und sie es sieht, dann sieht es so aus, als ob es mir komplett egal wäre, ja, so als wäre sie wirklich bloss das Objekt einer Wette gewesen und ich kann ihr unmöglich noch einmal so weh tun.

Und schon wieder denke ich mehr an sie, als an mich... Eigentlich müsste ich doch schauen, dass mein Ruf wieder aufgebaut wird und meine Fans den Glauben an mich und meine Persönlichkeit nicht verlieren. Also wieso ist es dann so schwierig? Wieso kann ich nicht einfach das tun, was die Anderen von mir erwarten? Nur ein einziges Mal...

Heftig blinzelnd stehe ich in der Küche und suche nach Lous Blick. Aber er starrt nur auf die Tischplatte vor sich und auf seine ineinander verknoteten Hände darauf. Lou, hilf mir, will ich schreien, aber kein Ton kommt über meine Lippen.

„Oh doch, das verlangen wir sehr wohl von Ihnen.“, unterbricht Parker meinen Gedankengang und antwortet damit auf meine verzweifelte, rethorische Frage von eben. Mein Blick huscht zurück zu ihm, auf seinem Gesicht hat sich zwischenzeitlich ein fieses Lächeln ausgebreitet. Er geniesst es, mich unter Druck zu setzen.

„Sehen sie sich ihre Kollegen an, Mr. Styles. Sehen sie sich an, was sie ihnen mit ihrem Fehltritt antuen. Es steht alles auf dem Spiel für sie- es geht um ihren Erfolg und ihre Präsenz in der Öffentlichkeit, vergessen sie das nicht.“ Und erneut wandert mein Blick zu den Jungs.
Den Jungs, mit denen ich mehr erlebt habe, als mit irgendjemandem anderen.
Wir haben zusammen gute und schlechte Zeiten erlebt, wir hatten Spass und haben gemeinsam gelacht und geweint, haben uns getröstet, wenn uns Heimweh oder Haterkommentare plagten, wir haben zusammen die Welt erkundet, haben Konzerthallen gefüllt, unser erstes eigenes Geld verdient, wir haben zusammen Songs geschreiben und aufgenommen- schlichtweg, wir haben zusammen unseren Traum gelebt. Diese Jungs sind meine Familie geworden. Das einzig Vertraute in der Fremde.

Und mir ist bewusst, dass unser Traum bald platzen könnte und trotzdem bin ich nicht in der Lage, irgendwas zu antworten.
„Lou?“, frage ich schliesslich leise und warte, dass dieser endlich den Kopf hebt und mich ansieht. Aber sein Blick ist weder zuversichtlich noch aufbauend, er ist einfach nur traurig. Und genau diesen Ausdruck finde ich auch in den Augen der anderen wieder. Keiner sagt ein Wort, aber ich weiss auch so, was in ihnen vorgeht.
Sie können mir nicht sagen, dass ich die Gerüchte dementieren soll, weil sie genau wissen, wie weh es mir tut, aber sie können auch nicht sagen, dass sie wollen, dass ich glücklich bin und den Fans keine Eklärung abgebe. Sie lieben ihren Job und sie haben Angst, ihn zu verlieren. Und ich stehe einfach da und starre sie an.

Mein Gott, ich kann es einfach nicht! Mir ist klar, dass ich jemandem wehtun muss. Entweder Abby, oder die Jungs. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Diesmal kann ich nicht einfach weglaufen. Ich muss eine Entscheidung treffen, und wenn es noch so schmerzlich ist.

In diesem Moment wäre es mir das Liebste gewesen, wenn sie mich angeschrieen und gezwungen hätten, dem Wunsch von Modest nachzugehen. Ich brauche einfach jemanden, der mir die Entscheidung abnimmt, bevor ich einen weiteren Fehler begehe...

Es ist schlisslich Paul, der mich eindringlich ansieht und in Richtung Mr. Parker nickt. Und damit nimmt er mir endgültig die Entscheidung ab.

Ich weiss im Grunde, dass ich das mit Abby nicht wieder gut machen kann, aber die Jungs...

Ich schulde es ihnen. Jedem von ihnen.

Also balle ich die Hände zu Fäusten und wende mich Mr. Parker zu, dessen Lächeln noch breiter geworden ist und nun fast sein ganzes Gesicht bedeckt.

Und mit zitternder Stimme antworte ich schliesslich: „In Ordnung.“

Teasing is a Sign of AffectionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt