Kapitel 21- Postings und Gerüchte des 21 Jahrhunderts

267 24 2
                                    

Ich bemerke es sobald ich den Bus betrete und die Augen der Achtklässler auf mir kleben habe. Zu viele kennen das Foto. Oder sie meinen es zu kennen. Dabei würde ich viel lieber einfach nur ein Schild hochhalten und sagen, dass es einfach nicht so gewesen ist. Es ist schon fast schade, dass sie mir alle zutrauen, dass ich Sex auf einer Feuertreppe habe.

Dennoch lasse ich ganz ohne Schild die Fahrt über mich ergehen und bin ziemlich zufrieden, dass ich ohne einen Nervenzusammenbruch heil herauskomme.

„Wie kommt es das du mit dem Bus fährst?" Erschrocken blicke ich zu Reese, welche sichtlich auf mich gewartet hat. „Meine Mom hat mir das Auto gestrichen." Zerknirscht lasse ich mich neben ihr auf die Bank nieder und genieße den Schattenwurf, der kleinen Hütte. „Können wir reden?" Ihre Stimme, ihr Selbstbewusstsein senkt sich bei ihren vorsichtigen Worten. „Brauchen wir nicht. Es ist alles gut." Meine Mundwinkel zucken nach oben, als unsere Augen aufeinander treffen, doch sie scheint es nicht zu erwidern. „Ich habe es nicht gewollt dich anzulügen, nie. Ich wollte, dass du es selber erfährst, von ihm. Und ebenso hat er mich darum gebeten, nichts zu sagen, dass er wieder da-"

Ruckartig richte ich mich auf und umfasse fester den Riemen meiner Tasche. „Wir haben noch nicht darüber geredet, Reese. Ich kann dich verstehen, ehrlich. Und außerdem, brauche ich einfach nur meine Beste Freundin wieder. Und es ist mir egal, was mit ihrem Bruder ist, denn ich bin ihretwegen mit ihr befreundet."

Ihre Augen glitzern im Schein der Sonne, als auch sie sich aufrichtet und sich in meine Arme wirft.

„Danke." Ich spüre ihre Lippen an meiner Wange, wodurch ich sie näher an mich ziehe. Es tut gut sie endlich wieder in meinen Armen zu haben. Die Distanz zwischen uns zu überbrücken, das Gefühl unserer Verbindung wieder aufzubauen. Es tut so unglaublich gut, dass ich für einen Moment vergesse.

„Wir sollten rein." Haucht sie leise und nur zögernd gebe ich ihr recht. Ich muss noch unbedingt Taylor finden, denn meine Worte auf der Party waren wahr. Ich habe ihn und diese dumme Debatte vollkommen vergessen.

„Wo ist Ian?" Die Frage brannte mir bereits beim aussteigen auf der Zunge. Ich weiß nicht wie ich ihm weiter gegenüber treten möchte. Zwischen uns liegt noch immer das Stop und sobald dieses aufgelöst ist, sind wir in mitten eines Streites, dass uns die hässlichsten Wahrheiten aufzeigt. Und ich Fürchte mich mit jeder Faser, wie ich ihn mit jeder Faser liebe. „Als unser liebster Direktor von seiner Überraschungsrückkehr mitbekommen hat, sollte er sofort im Büro antanzen."

Kopfschüttelnd bleibe ich bei ihrem Spind stehen, doch sie hat ihre Augen bereits auf etwas ganz anderes gelegt. Kritisch ziehen sich meine zu schlitzen, ehe ich das Stück Papier an meinem Spind erkenne. „Wie kindisch muss man überhaupt noch sein?" bevor ich es richtig betrachten kann, reißt Reese das Bild von dem Klebestreifen und hält es über der bereits zuckenden Flamme ihres Feuerzeuges.

Sie erreicht nicht nur die Aufmerksamkeit der Schüler, sondern auch unseres Chemielehrers. „Miss Cunningham, sofort zum Direktor." Mit wütender Miene tritt er auf sie zu und reißt ihr das Foto aus der Hand, wodurch es auf die Fliesen fällt. Ich blicke auf die lodernden Flammen, die Ace und mich zunichte machen, bis sich der Schuh des Lehrers darauf stellt und versucht diese zu ersticken.

„Und das Feuerzeug, junge Dame." Erneut dreht sich Reese mit einem herausforderndem Lächeln um, um der bitte nachzukommen. Sie liebt es herauszufordern. Sie liebt es eine Rebellin zu sein, wodurch ich schon lange das schlechte Gewissen abgelegt habe, dass sich in mir aufbauen sollte. Wir haben beide was davon, ich ein Foto weniger und sie ein weiteres Gesprächsthema.

Seufzend gehe ich weiter, werde jedoch erneut durch die Stimme des Mannes zum stehen bleiben gezwungen. „Das ist bereits das dritte Foto, dass ich heute Morgen finde." Ich erkenne nun bereits den Vorwurf in seiner Stimme, als er mir das halbierte Papier hinhält. „Man sollte aufpassen, was man postet." Schnaubend greife ich nach dem Ding, um es noch vor seinen Augen in den Mülleimer zu werfen und ihn innerlich zu verfluchen.

Ich ignoriere all die Augen die auf mich nieder gelegt sind, selbst als der Unterricht bereits begonnen hat. Die Klasse kann nicht stoppen zu tuscheln, Tyler wirft mir nicht einmal einen Blick zu und Hayley kritzelt die ganze Zeit irgendwelche Fragen auf das Papier, um es mir zuzuschieben. Und nachdem ich entweder nicke oder den Kopfschüttle, scheint sie zufrieden zu sein.

Vielleicht kann sie ein wenig Wahrheit in die Gerüchteküche werfen. Es erscheint mir harmloser, wenn es bloß bei einer Knutscherei bleibt auch, wenn ich es nicht rückgängig machen kann, dass ich Ian betrogen habe. Und bisher habe ich mich so sehr geschämt, dass ich es nicht einmal ansprechen kann und mag. Es erscheint mir mehr als falsch. Es erscheint mir mehr als wahr. Ich würde endlich akzeptieren, dass es passiert ist und dabei will ich dies nicht einmal.

Ich möchte es einfach vergessen.

Ich blicke auf die karierten Kästchen des Blattes. Die Aufgaben sind erledigt und es tat sogar ein wenig gut, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren. Für einen Moment einfach wieder der Pflicht einer Schülerin nachzugehen. Es tat gut bis das Klopfen in meine Ohren durch dringt. Bis sich die Tür öffnet und die Augen der Schüler gebannt auf dem kantigen Gesicht liegt, dessen Züge mehr als gestresst und genervt sind. Er liebt die Schule, aber nicht die Schüler. Er liebt das wissen, aber nicht den Weg. Es war schon immer so. Aus diesem Grund sind die Lehrer ihm nicht einmal böse, dass er zu manchen Stunden erst gar nicht kommt. Sie wissen, dass er es kann und sie schätzen ihn als intelligent genug ein, dass er sein Leben durch einen Faulen Style weg wirft. Dem ist er sich auch bewusst.

Er hat zu große Pläne, als sich von etwas irrelevanten wie Schuleschwänzen abbringen zu lassen.

Ich spüre den Ellenbogen in meinen Rippen, wodurch ich aufzucke und wieder zu Ian blicke, dessen Augen bei mir hängen geblieben sind. Das tuscheln nimmt wieder zu, ich höre etwas wie unangenehm oder schlampe, dabei möchte ich einfach nur schreien, dass nichts zwischen mir und Ace passiert ist. Außer einem Kuss und dies war nicht einmal unser erster. Ebenso höre ich, dass Ian bemitleidet wird, weil er eine Freundin wie mich hat, jedoch gibt es auch schon die ersten Trennungsgerüchte, wie mir Hayley berichtete.

„Sehr schön Sie wieder bei uns zu haben, Mr. Cunningham. Setzten sie sich einfach und lassen sie sich alle Informationen von ihren Kameraden geben."

Das Hoffnungsvolle grinsen, dass auf den Lippen unseres Lehrers entsteht, führt bereits nun zu vereinfachten Unterricht. Viele haben die Erklärungen von Ian besser verstanden, wodurch wir mit dem Unterricht voran kamen. Und als ich einmal die Aufgabe erklären sollte, brachte ich es nur noch komplizierter über meine Lippen. Danach verloren wir kein Wort mehr darüber.

Ich höre wie die Stuhlbeine über den Boden schaben. Laut und wie das ticken einer Uhrzeit, dass einem bewusst wird, wie viel Zeit einem noch bleibt. Mein Blick gleitet nur zögernd über meine Schulter, wo ich auf dieses verdammte grün treffe, das mich immer wieder mit seinem braunen Punkt verwirrt. Und anders wie erwartet, erkenne ich die leichte wärme die von ihm ausgeht und die mich ansteckt. Die seine Mundwinkel nach oben zucken lässt, wodurch die Grübchen entstehen, in die ich mich so verliebt habe. Und genau das bringt auch mir das Lächeln zurück.

(Ex)change-Was sind dir (deine) Geheimnisse wertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt