Kapitel 26-Seelensorge

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„Und hast du?"

Sie stoppt ihr gieriges verschlingen des Puddings, als ich sie lang genug gemustert habe. Letztendlich war es keine große Überraschung, dass zwischen den beiden etwas lief. Immerhin hatten die beiden schon immer eine komische Verbindung, zwischen Lieben und Hassen. Es war bloß eine Frage der Zeit, bis die Spannung zu nimmt und etwas passiert.
„Was habe ich?"

Schmunzelnd lasse ich meine Flasche auf dem Tisch aufkommen. „Etwas geklaut." Auch dies wäre keine große Überraschung, dass schlimmere wäre jedoch nicht der Diebstahl, sondern das beklauen unseres Besten Freundes. Und auch, wenn mir klar sein sollte, dass sie sowas nicht tun würde, so versuche ich den Funken in mir zu besiegen, der dagegen steuert.

„Scarlett! Nein, das habe ich nicht! Wie kommst du auf sowas?"

„Wir kennen beide Edwin und er kommt auch nicht ganz ohne Grund auf den Gedanken. Was hat er also gegen dich?"

Frustriert fährt sie sich durch ihr Gesicht, wodurch sich die Schlieren ihres Make-ups an ihrer Hand festsetzt. „Das ist es eben, ich habe keine Ahnung. Könntest du nicht einfach mit ihm reden. Ihr habt irgendwie so ein Draht zueinander." Flehend beißt sie ihre Zähne aufeinander.

„Ich kann es versuchen." Ihre Züge werden weicher, bis sie sich wieder verhärten und ihr Blick an mir vorbei gleitet.
Ebenso folge ich ihrem Blick und bleibe bei Ace stehen, dessen Augen sich auf mich gelegt haben. „Ich glaube er hat das Foto gemacht." Murmelt sie finster. „Das glaube ich nicht." Flüstre ich.

Es klingt absurd, aber trotz allem vertraue ich ihm. Und ich vertraue ihm, dass er nicht dafür verantwortlich ist.

„Entweder bist du zu Naiv oder zu Hart zu deinen Mitmenschen. Nein, eigentlich bist du zu Naiv und ich zu hart. Aber das spielt keine Rolle. Hör mal, es gibt noch was worüber ich mit dir reden wollte." Auffordernd blickt sie mich an.

„Ian zieht sich momentan zurück. Und wir- also eigentlich ich hatte gedacht, dass du mit ihm reden könntest. Die Leute von seiner Agentur meinten es sei vollkommen normal, wenn die Schüler für sich alleine sein wollen, damit sie sich irgendwie wieder damit abfinden hier zu sein. Aber wir kennen Ian. So ist er nicht."

„Inwiefern zieht er sich zurück?" Meine Brauen ziehen sich zusammen, ehe sie ergeben seufzt. „Ich weiß nicht. Er will nicht reden, er kommt nur aus seinem Zimmer, wenn keiner da ist. Und die Tür ist dauernd abgeschlossen. Ich meine gut, wenn ihr beide drin seid, ist es das beste für das Allgemeinwohl, aber alleine?"

Mühselig stütze ich meinen Kopf an meiner Hand ab. „Und wenn ich nach Physik zu ihm gehe und wir das Shoppen verschieben?"

Spöttisch lacht sie auf. „Nichts da. Du hast mich die letzten Tage bereits im Sport alleine gelassen. Und nicht nur im Basketball. Joe rastet deinetwegen total aus."

Tatsächlich fehlte ich in Sport bereits des öfteren, wodurch ich nicht noch weiter auffallen wollte. Aber dennoch fühlte sich der Unterricht schlimmer denn je an. Alleine dadurch, dass ich ständig an Ian denken musste. Wir haben uns das letzte mal in der Schule vor wenigen Tagen gesehen. Da ich mit meinen Gedanken bei Mom war und auch nur notgedrungen dort war, habe ich es vollkommen vergessen. Wahrscheinlich habe ich ihn vergessen und das drängt mich nur noch mehr ihn zu sehen.

„Scarlett." Janetts Lächeln ebbt ab, als sie mir die Tür öffnet. Wie früher bereits erklimmt mich der Geruch des Familienhauses. „Ich wollte zu Ian." Mein Blick gleitet über meine Schulter und begegnet den, der Mutter meines Freundes. „Versuche dein Glück."

Dankend gehe ich nach oben und bleibe sogleich an seiner Tür stehen, um leise zu klopfen. Doch selbst nachdem kein Ton nach außen drang und ich versuchte die Tür zu öffnen, bewegt sich nichts.

„Ian, ich bins. Mach bitte die Tür auf." Wehleidig streichen meine Fingerkuppen über das gemaserte Holz. „Ich mache mir Sorgen."

Und nachdem selbst nun nichts passiert, ergreife ich die Möglichkeit und gehe in Reese Zimmer. Wie immer fliegen die Kleidungsstücke umher, lassen das Zimmer unordentlicher denn je wirken und nehmen ihr all den Platz weg. Aber das ist Reese.

Der Wind erfasst mich, als ich auf den Balkon gehe und zu Ians Fenster gehe. Die Vorhänge sind nicht zugezogen, sodass ich den Blick auf den zurückgezogenen Jungen habe. Seine Haare hängen ihm wild in sein Gesicht, seine Haut ist blass.

Erneut klopfe ich, erneut versuche ich zu ihm zu kommen, nur um zu wissen, ob es ihm gut geht. Nur um zu wissen, dass alles wieder gut wird.

Erschrocken blickt er auf und erfasst mich. Doch statt einer Abweisung, legt sich ein fassungsloses schmunzeln auf seine Lippen, dass sich ebenso beruhigt auf meine stiehlt.
„Du bist verrückt." Murrt er lachend, als er das Fenster öffnet und mir seine Hand gibt, an der ich mich ins Zimmer ziehen lasse.

„Und besorgt." Füge ich hinzu, wodurch er sich abwendet. Ich lasse das Fenster auf, der Geruch der sich hier angesammelt hat, ist mehr als nur zerfleischend.

„Und das bin nicht nur ich." Zögernd lässt er sich auf das Bett nieder. Ich neben ihn. Und ich spüre die Wärme die von seinem Körper ausgeht. Ich sehe seinen Atem, durch seine nackte Brust die sich langsam hebt und senkt.
„Die Agentur meint-"

„das es normal ist. Ich weiß. Aber wir wissen beide, dass es nicht nur daran liegt."

Zeitgleich blicken wir einander an. Und doch liegt sein Blick sogleich auf meiner Wange, welcher er mit seinem Daumen entlang fährt. Und ich genieße es. Ich genieße diese zarte Berührung. Ich genieße die Gänsehaut die entsteht. Ich genieße die Hitze die in mir entsteht. Und dieser erlaube ich mich zu besetzten.

„Stimmt." Mir ist bereits nun bewusst, dass es alles ist, was er überhaupt von sich gibt. Das ist alles was er dazu sagen wird. Und ihm ist bewusst, dass ich nicht fragen werde. Das ich nicht drängeln werde. Es ist wie ein ungeschriebenes Gesetz in unserer Gruppe.

Auf seinen Lippen legt sich ein Spitzbübisches Lächeln, als er seine Hand von meiner Wange über meinen Hals gleiten lässt. Als er sieht wie sich die Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitet. Wie er dafür verantwortlich ist. Wie ich auf ihn reagiere.
Mein Atem geht flacher, er scheint kaum noch zu existieren, als seine Finger sich um den Träger meines Kleides legen, als er sie von meiner Schulter streift. Als sich seine Lippen auf meiner glühenden Haut legen und mich zu flüssigem Wachs machen.

Seine grünen Augen sind noch immer auf mich gelegt, als ich meine Augen schließe, seine Zunge über meine Haut wandern spüre. Als er mich mit so wenig um den Verstand bringt.

„Ian." Hauchend legen sich meine Finger in sein Haar, umklammern jede Strähne, die ich zu fassen bekomme. Umklammern jede Chance, um nicht bereits nun meinen Verstand zu verlieren.

„Soll ich aufhören?" Neckend küsst er mein Kiefer entlang, bis er vor meinen Lippen stehen bleibt und mich anblickt. Meine Lippen verziehen sich zu einem hinterlistigen grinsen, während sich meine andere Hand in seinen Nacken legt. „Um Himmels willen nein."

Triumphierend greifen seine Hände nach meinen Beinen, an denen er mich über seinen Schoß bringt. An denen ich ihm noch näher komme. So Nah und doch reicht es nicht aus. Meine Finger streichen über seine Brust, erkenne ebenso die aufstehenden Haare, wie sie es bei mir tun. Spüren ebenso das klopfende Herz, wie es bei mir getan wird.

Seine Finger gleiten an meinem Rücken hinunter, ziehen den Reißverschluss mit sich, lassen mich die Kühle des Windes wahrnehmen. Wie er auf mir verglüht und nichts als eine Erinnerung bleiben.

Ich spüre seine Lust, seine Gier, seine Sehnsucht. Ich sehe sie in seinen Augen.

Ich spüre sie in mir, während er Schicht für Schicht meine Kleidung von mir schiebt.

(Ex)change-Was sind dir (deine) Geheimnisse wertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt