Kapitel 22- Stärke

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Ich bleibe sitzen, als jeder einpackt. Ich lausche wie es jeder tut, außer er. Ich ignoriere wie jeder an uns vorbei geht, während mein Blick auf die Tafel gerichtet ist. Während ich versuche meinen schnellen Herzschlag zu ignorieren, solange bis auch die letzte den Raum verlassen hat und nur noch wir beide übrig bleiben. Mein Atem beschleunigt sich, meine Lungen brennen, mein Herz schmerzt vor lauter Schläge.

„Die Fotos," er bricht ab, als ich mir auf meine Lippe beiße und mich umdrehe, um in seine Augen zu blicken. Ich habe sie die ganze Zeit in meinem Rücken gespürt. Immer wieder spürte ich die Schauer, die meinen Körper hinunter flossen. Die mich in Besitz nahmen. „Ich hatte heute eines in meinem Spind. Ehrlich gesagt mehrere." Das Blut fließt in meine Wangen. Es ist schön das mir andere helfen wollen, meinen Fehler vorzuhalten, aber trotzdem wäre es ganz nett gewesen, mir dies vollkommen alleine zu überlassen.

„Es tut mir leid, dass es soweit gekommen ist." Mein Blick senkt sich. Ich kann ihm nicht weiter in die Augen blicken. Er war immer eifersüchtig auf Ace, beziehungsweise er hatte Angst, dass ich noch weiter etwas für ihn empfinde. Und wir hatten bereits darüber gestritten. „Hast du Gefühle für ihn?" Fassungslos reiße ich meinen Kopf hoch. „Nein, nein das habe ich nicht. Es war ein Kuss, eine-"

„Es sieht aber nicht aus wie ein Kuss." Unterbricht er mich scharf. Die Wut staut sich in ihm und ich bin mir nicht sicher wie lange er diese bereits in sich hatte.

„Ian, dass hatten wir alles schon einmal!" 

Ich versuche meine Stimme zu kontrollieren, doch ich schaffe es nicht. Die Verzweiflung liegt in mir. Ich möchte es nicht noch einmal ausdiskutieren.

Seine Hand schlingt sich um den Riemen der Tasche, bevor er aufsteht. „Ich verstehe es nicht." Meine Augen legen sich auf den Boden nieder, als ich über die gesamte Situation nachdenke. Als ich darüber nachdenke, wie unser Verhältnis ist. Wie er wegen meinem Fehler reagiert, wie ich wegen seinem Fehler reagiere.
„Du hast dich nicht gemeldet, du hast für uns beide entschieden, du meintest zu wissen, was das beste für uns ist. Und vielleicht war der Kuss mit Ace eben das beste für mich." Herausfordernd hebe ich meinen Blick, erkenne die Furcht und die Streitsucht, die ihn eigentlich mal ausgemacht hat. Er hat es geliebt sich zu messen. Sowohl mit mir, als auch mit dem Rest der Menschheit.

„Wenn du meinst, dass es so ist, dann hast du wohl etwas vergessen." Meine Hände legen sich bei seinen Worten auf den Tisch vor ihm, während mein Mundwinkel nach oben zuckt. „Ich habe nichts vergessen, Ian. Das ist es doch was dich stört. Für dich wird Ace immer zwischen uns stehen. Und das einzige was dich daran stört ist, dass du Schuld daran bist. Vielleicht denkst du ja mehr an ihn in jener Nacht, als ich es tu."

Seine Hand schlingt sich um meine Wange. Ich spüre die pochende Wärme die durch meinen Körper fließt. Ich spüre die gleitende Hitze, die mich mit seinem betörenden Duft umwirbelt. Meine Finger gleiten an seinem Köper hinauf, bis ich bei seinen Schultern stehen bleibe. Sie sind noch immer breit, seine Arme noch immer Muskulös genug, um mich mehr als nur Sicher zu fühlen.

Er hat sich nicht verändert und doch irgendwie schon.

Es ist ein hin und her.

Und er kann es sich selbst nicht einmal beantworten.

„Ich habe es vermisst, von dir Herausgefordert zu werden, Scar. Aber manchmal musst du einsehen, dass ich der Gewinner bin. Immerhin habe ich dich." Seine Finger gleiten von meinem Hals über mein Schlüsselbein, ich spüre die Gänsehaut die sich auf meinem Körper ausbreitet. Ich spüre die Hitze die mich in beschlag nimmt, die meine Wangen in dem Feurigen Rot aufgehen lässt. „Nur dieses mal gebe ich dir recht."

Seine Muskeln spannen sich unter mir an, während sein Mundwinkel frech nach oben zuckt und ich unsere Lippen miteinander vereine. Sein griff um mich nimmt zu, ehe er seine Hand in mein Haar fahren lässt und mich weiter zu sich drängt. 

Erst als seine andere Hand sich um meine Wange schlingt zucke ich unbemerkt zusammen. Und doch löst er sich atemlos von mir, als sich meine Augen aufreißen.

Seine Augen ziehen sich gewaltsam zusammen. „Ist deine Wange angeschwollen?" Ich entziehe mich ihm vollkommen, um meine Tasche zu packen. „Ich hatte Samstag eine Auseinandersetzung mit meiner Mom."

Seufzend drehe ich mich wieder zu ihm und erkenne, dass auch er geh bereit ist. „Was soll das heißen?"

Er kennt die Wahrheit, möchte es aber dennoch mit Genauigkeit von sich wissen. Denn er hätte meine Mom ebenso wenig wie ich so eingeschätzt. „Ich kümmere mich darum, sie wird wieder zur Besinnung kommen, irgendwie."

Seine Hand schlingt sich um mein Gelenk, wodurch sich die Wärme wieder in mir ausbreitet und ich in seine besorgten Augen schaue. „Sag, wenn ich dir irgendwie helfen kann." Dankend zucken meine Mundwinkel nach oben, ehe ich mich auf Zehenspitze stelle und einen kurzen Kuss auf seinen Mundwinkel hauche. Seine Fingerspitzen gleiten über mein Gelenk bis hin zu meiner Hand, wo sie sich um meine Finger schlingen. Ich kann das dümmliche Grinsen nicht unterdrücken, als er mich hinter sich herzieht.

Das ist das größte Statement, welches wir setzen können.

Keiner kann uns besiegen.

(Ex)change-Was sind dir (deine) Geheimnisse wertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt