Kapitel 23- Kampf der Unerbittlichkeit

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„Oh mein Gott."

Augenrollend lasse ich mich auf der Bank nieder und spüre wie Ian es mir gleich tut. Die Augen unserer Freunde, ungläubig und weit aufgerissen. „Schön, dass ihr uns so schnell aufgegeben habt." Nörgelnd legt sich sein Arm um mich, wodurch ich mich an ihn schmiege und bereits nun aus der Konversation ziehe. Viel zu sehr versuche ich alles gesagte zu verdauen.

„Hallo Ian." Genervt blicke ich an ihm vorbei und betrachte Miranda, die wie ein Insekt immer dann auftaucht, wenn es am schönsten ist. Oder aber auch, wenn man ohne hin schon genervt ist. Sie ist also einfach immer da. Und nicht einmal Tod schlagen kann man sie.

„Miranda." Seufzend fährt seine Hand meinen Oberschenkel entlang, was mich genüsslich meine Augen schließen lässt. Ich weiß das er schmunzelt, dass tut er immer, wenn ich beginne mich zu entspannen. „Schön, dass du den Weg wieder in die Staaten gefunden hast." Ich blende den Tinitus weiter aus.

„Vielleicht, da du ja nun Single bist, könnten wir uns wieder treffen." Mein Auge beginnt bei ihrer Unverschämtheit zu zucken. Ich kann nicht glauben wie Dreist sie ist. Soll ich mich gleich auf Ians Schoß räkeln, damit jeder sieht, dass wir noch zusammen sind?

„Wie eh und je verteilst du erst das Gift, bevor du die Zähne in deinem Gegner hast." Spottend richtet sich Ian auf, um sich ihr gegenüber größer zu machen. Doch sie scheint kaum den Spruch von ihm zu verstehen, denn sie steht noch immer mit einem widerlichen Augenaufschlag da und betrachtet die Muskeln, die über das Jahr dazugekommen sind.

„Wo ist eigentlich Reese?" Fragend schaut mich Edwin an. „Ich glaube sie wurde Nachhause geschickt." Schmunzelnd schaue ich in die skeptischen Gesichter, bemerke nur im Ansatz wie Miranda davon geht, weil wir begannen sie zu ignorieren.
„Sie hatte eines der Fotos angezündet und wurde erwischt. Sie wird sich mehr über das Feuerzeug ärgern, dass ihr abgenommen wurde."

Unser Lachen klingt ehrlich, leicht. Und doch schwingt dort etwas trauriges mit sich.

„Wenigstens hat sich eine Sache nicht geändert."
Ich verspanne mich bei seinen Worten. Er hat etwas ausgesprochen, was bisher nicht einmal erwähnt wurde.

*

Auffordernd lasse ich meinen Kopf zur Seite fallen, wo ich auf die neugierigen Augen von Edwin blicke. Bereits seit beginn der Stunde starrt er mich an und versucht etwas aus mir herauszubekommen. Er ist in diesem Fall bereits schlimmer als meine Cousine. Sein Mundwinkel zuckt nach oben, welches ich zögernd erwidere.

„Es scheint gut zu laufen." Murmelt er leise und angestrengt, dass unsere Lehrerin nichts davon mitbekommt. „Ich weiß es noch nicht. Und ich glaube erst einmal versuchen wir uns alle an den Gedanken zu gewöhnen, dass er wieder da ist." Gebe ich knapp von mir, was ihn zum nicken bringt. „Und Ace?" Die Frage dürfte ihn bereits länger auf der Zunge legen, wodurch ich ratlos mit meinen Schultern zucke. „Ich habe ihn bisher noch nicht gesehen und ich bezweifle das er überhaupt in der Schule ist. Aber er hatte mir zugesichert herauszufinden, wer das Foto gemacht hat."

Zweifelnd legt sich seine Stirn in Falten. „Du glaubst ihm, dass er nichts damit zu tun hat."

Kopfschüttelnd beginne ich die Notizen von der Tafel abzuschreiben. „Nein, nicht wirklich. Aber wenn er doch recht behält, dann habe ich richtig vertraut. Wenn nicht, dann habe ich gar nicht vertraut." Die Logik scheint verdreht, aber so habe ich bei beiden Seiten keinen Fehler gemacht. Und die versuche ich momentan zu vermeiden.

„Wenn du Hilfe brauchst, sind wir für dich da. Und ich glaube ich kann Ian dort mit einschließen." Kritisch verziehe ich meine Braue, auf seine Stimmlage. Sie scheint mir mehr zu beinhalten, als das es sollte.
„Ian hat dir von meiner Mom erzählt."

„Nein, ich habe ihn darauf angesprochen. Du meidest deine Wange vollkommen und als du mit Ian da saßt, hattest du dein Gesicht verzogen. Also was ist passiert?"

Seufzend reibe ich meine Stirn. Da ich meine Mom sowieso verraten habe, bringt leugnen nun auch nichts mehr. „Wir hatten einen dummen Streit und dabei habe ich hässliche Dinge gesagt. Ich habe es wohl verdient."

Ihm entkommt ein spöttisches Schnauben, was Ms. Preschwtke zu uns blicken lässt.

„Wir wissen beide das deine Mutter sowas eigentlich nicht, also was ist wirklich in sie gefahren?"

Schulterzuckend streiche ich meine Haare zurück. „Ich weiß es nicht. Wirklich. Aber ich werde es herausfinden."

Schweigsam lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen, um mich aus meiner Jacke zu zwängen und den Geruch bis in die Küche zu verfolgen.

Ich entdecke meine Mutter, welche an der Arbeitsplatte steht und weiter versucht ein Passables Mittagessen zu machen. Doch ich vermisse die Musik, ich vermisse das lachen, dass sie dabei eigentlich immer trägt. Dabei weiß sie, dass es nicht besonders gut schmecken wird. Sie versucht es aber trotzdem immer wieder.

Ich kann nicht anders als in dem Türrahmen stehen zu bleiben und sie zu betrachten. Meine Arme verschränken sich von selber, während ich meine Schulter an dem Holzrahmen lehne. Immer wieder versuche ich mich zu fragen, was in sie gefahren ist. Was mit ihr geschehen ist, dass sie so auf Abstand geht. War es wirklich nur, weil mein Vater die Ranch ganz übernahm? Weil er sich mehr mit ihr beschäftigt, als mit meiner Mutter? Ich kann sie verstehen, dass sie sich zurückziehen würde, aber das sie ihn sogleich betrügt?

Ich schäme mich über meine eigenen Gedanken, dass ich Angst habe ihr in die Augen zu blicken.

Meine Augen gleiten durch die Küche, wobei ich bei ihrer Tasche stehen bleibe. Es wäre mehr als ein Vertrauensbruch, wenn ich in diese Hineinblicke. Aber wie weit würde man für seine Liebsten gehen, damit es ihnen wieder besser geht? Damit man überhaupt weiß, was sie bedrückt?

„Ich muss später noch Einkaufen, ich möchte, das du mitkommst." Erschrocken blicke ich zu ihr und erkenne mein eigenes Spiegelbild im Fenster. Meine Stirn kräuselt sich bei ihrer harschen Bitte. „Wieso sollte ich?"

„Weil ich keinen Besuch im Haus haben möchte." Schnaubend löse ich meine Starre auf und trete neben sie. Doch meine Wut verblasst, als ich ihr sonst so junges Gesicht sehe. Aller Stress ist in ihrem Gesicht geschrieben und es schmerzt sie so zu sehen. „Mom, was ist passiert?" Meine Stimme ist schneidend, wehleidig und wütend. Ich verstehe ihren Sturkopf nicht, den sie mir entgegen bringt.

„Nichts Scarlett. Es ist absolut nichts passiert. Und nun mach deine Hausaufgaben. Ich rufe dich zum Essen."

(Ex)change-Was sind dir (deine) Geheimnisse wertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt