Kapitel 53- Die, die man im Herzen trägt

365 27 2
                                    


„Was tust du da?" Erschrocken fahre ich hoch. Ace blaue Augen mustern mich skeptisch, während ich meinen Kopf schüttle und wieder durch die kleine Lücke der Blätter schaue. „Ich bin gleich weg, dann kannst du hier inruhe rauchen." Seine aufkommende Lache lässt mich irritiert meine Brauen verziehen. Deutlich spüre ich meine Falten auf meiner Stirn, als er sich neben mich setzt. „Du kannst ruhig bleiben, aber nur, wenn du mir erzählst, wenn du beobachtest."

Zaghaft bringe ich das Lächeln auf meine Lippen, beobachte weiter wie Reese mit Edwin redet und eben um Vergebung bittet. Sie tut das, was wir alle ab und zu mal machen sollten. Sie tut das, was wir können, so schwer es uns auch fallen mag. Letztendlich ist es der Zauberspruch zur Freiheit. Der Kuss zur Wiedererweckung oder zur Beendung des Fluches. Und unser Fluch lag viel zu lang über uns. Unser Fluch hat ebenso sein Ende gefunden.

„Trotz deiner Augenringe, siehst du anders aus Scarlett."

Das sanfte Lächeln wird breiter. Es lässt mein Herz zum klopfen bringen. „Ich fühle mich anders."
„Und was war der Grund dafür?"

Voller neugier liegen seine Augen auf mir. Betrachten mich, mustern mich. Nur nicht mehr wie seine Beute, wie sein Spiel, viel eher wie eine Freundin. „Ich könnte sagen, es waren meine Freunde, aber wahrscheinlich haben sie mich nur aufgeweckt. Geändert habe ich mich."

Und das mag wohl stimmen. Reese habe ich es zu verdanken überhaupt wieder bei Verstand zu sein, allerdings fühle ich mich besser, weil ich mich besser fühlen möchte. Ich habe lang genug in dem Selbstmitleid gebadet und andere bestimmen lassen was ich zu fühlen und zu denken habe. „Oder könnte es an der Trennung liegen?" Ich kann den Stich in meinem Herzen nicht vertuschen. Er wird für die nächste Zeit auf Ewig bleiben. Tief verankert und voller schmerzen. „Woher?" Woher weiß er das nun schon wieder. Ian ist so Still und Heimlich abgereist, dass nur Direktor Dunahue und seine Familie davon mitbekommen haben. Die anderen werden es die ersten Monate mit seinen üblichen Schwänzereien abtun, bis sie merken, dass mehr dahinter steckt. „Ich kenne dich Scarlett." Tadelnd wirft er mir einen Seitenblick zu.

„Die Trennung geschah schon vorher, Ace. Wir haben es nur nicht mitbekommen. Oder zumindest nur ich."


„Manchmal möchte man etwas auch einfach nicht wahrhaben." Zögerlich bringe ich ein nicken zustande. „Er ist weg und das genügt mir, es wird die Wunden heilen, die heilen müssen." Es ist eine Woche vergangen seit dem ich herausgefunden habe, dass Ian mich mit seiner Gastmutter betrogen hat. Drei Tage danach ist er mit ihr zurück nach England gereist. Laut Reese wird er dort sein Abschlussjahr machen und anschließend zu studieren beginnen. Ebenso laut Reese, wird diese Beziehung zum scheitern verurteilt sein. Ich erhoffe mir das Gegenteil. Es soll sich gelohnt haben, mich aufgegeben zu haben. Uns aufgegeben zu haben. Also sollen sie verdammt noch mal glücklich miteinander werden. Das Recht hat jeder verdient.

„Sie werden reden, wenn es herauskommt." Erneut nicke ich. „Aber sie werden aufhören. Irgendwann, werden sie es vergessen haben." Das hoffe ich zumindest. Sie werden es vergessen haben, weil irgendeiner wieder einen neue Fehler begehen wird. Und selbst wenn, ich brauche nur noch ein Jahr, dann ziehe ich mit meinem Vater aus dieser Stadt. Ich werde die zurücklassen, die ich zurücklassen möchte. Und ich werde die in meinem Herzen tragen, die sich einen Platz in meinem Herzen verdient haben. Und ich sage es ungern, aber Ace gehört dazu.

„Ich glaube du wurdest erwischt." Fragend blicke ich ihn an. „Na sieh hin." Ich folge seinem Blick durch das Gestrüpp und erwische die Rehbraunen Augen. Sie funkeln, sie glänzen, sie strahlen. Und dies kann ich bei diesem Anblick nur erwidern. Schmunzelnd greife ich nach meiner Tasche und erhebe mich von der Bank. „Scarlett." Die Dringlichkeit in seiner Stimme lässt mich skeptisch zu ihm niederschauen. Mein Lächeln sinkt ab, bei seinem niedergeschlagenem Lächeln.
„Ich habe damals das Foto auf der Party machen lassen. Nur wollte ich nie, dass es an die Öffentlichkeit kommt und ich weiß ebenso wenig, wer es war."

Überrascht zucken meine Brauen nach oben. „Wieso hast du das getan?"

„Irgendwas in mir hatte mir gesagt, dass das wohl unser letzter Kuss werden würde. Und ich sollte sicherlich recht behalten, nicht?" Schmerzend Zäh beginnt mein Herz im Takt meiner Atmung zu schlagen. Es war für ihn ein Abschied. Ein Abschied meiner ersten Liebe. Ein Abschied einer ganzen Zeit. Schmunzelnd umfasse ich seine Wange und beuge mich hinunter, um meine Lippen auf seine Haut zu legen. Nur kurz. Nur schwach. Aber wirksam genug, um ihm zu zeigen, dass es wohl unser letzter Kuss war, aber nicht unser letzter Moment.

Ich kämpfe mich durch die Blättermenge und laufe weiter auf Edwin und Reese zu, die mich erneut zu bemerken scheinen. Reese Hände sind auf seinen Schultern platziert. Seine versteckt die herausfallenden Strähnen ihrer Haare hinter ihr Ohr. Die Wehmut die mich ergreift lässt mein Herz in Trauer schlagen. Ian hatte mich genauso angesehen. Ian konnte mich genauso trösten. Lieben. Aber Ian ist fort. Und dies sollte ich mir immer wieder bewusstwerden lassen.


„Du hast es geschafft." Murmelt er leise. Ich presse meine Lippen aufeinander und bleibe vor ihnen stehen. „Niemals ohne deine Hilfe."


„Und wir haben es noch lange nicht geschafft." Reese Enthusiasmus ist zu beneiden. Die Vorstellung mit Connor zu reden und ihn wieder zurück zu uns zu holen graut mir. Er schottet sich von allen ab, er lässt mit niemanden reden. „Aber genau da kommt unsere Chance." Edwin nickt hinter mich und ich betrachte Connor, wie er seine Kippe auf den Boden wirft. Seine Augen sind rot unterlaufen, seine Haut blass. Und er blickt genau in unsere Richtung.

„Ich habe unser letztes Gespräch nicht wirklich gut in Erinnerung."

„Er war wütend, du kennst ihn wenn er wütend ist." Reese Hand legt sich unterstützend auf meine Schulter, wodurch ich nickend durchatme.

Mit zitternden Schritten gehe ich langsam auf ihn zu und sobald er erkennt was ich vorhabe, wendet er sich Augenrollend von mir ab. „Connor!" Meine Stimme hallt über das abgrenzende Schulgelände. „Connor, bleibe stehen!" Ich beginne die letzten Meter zwischen uns aufzuholen und erreiche ihn an seinem Arm. Seine Kühle Haut pocht unter meinen schwitzenden Händen. Und doch erinnert es mich an die Situation von vor zwei Wochen. „Lass mich bitte mit dir reden." Flehendlich klammere ich meine Finger in seine Jacke und erst dies lässt seine Züge weicher werden. Denn dies habe ich immer gemacht, wenn ich ihn brauchte. Niemand anderen, einfach nur ihn. „Wie es scheint habt ihr euch ja wiedergefunden. Also warum gehst du nicht zu Ian, Reese oder Edwin?" Voller Spott und Abschaum richtet er sein Blick wieder auf das Paar. Ich blicke ihn weiter an. „Weil es nicht mehr so ist wie vor Monaten. Ian hat mich mit seiner Gastmutter betrogen, Edwin wird nie wieder der selbe sein und wir auch nicht. Es geht nicht darum, alles wieder so wie damals zu machen. Es geht nicht darum alles zu wiederholen. Es geht einfach nur darum, die Menschen wieder zusammen zu bringen, die einander brauchen. Und Connor ich brauche dich. Ich brauche dich als meinen Freund, als meinen Bruder. Als der, der mir aufzeigt, dass das Leben einfach sein kann. So Sorglos. Denn selbst wenn du es nicht merkst, das tust du. Du hast es immer getan."

„Ian hat dich betrogen?" Zögernd nicke ich. „Dieser verdammte Mistkerl. Gott, wenn ich ihn in die Finger bekomme." Seine Stimme beginnt bei seinen Worten zu zittern. Im Einklang mit seiner Erscheinung wirkt er nahezu unbesiegbar. Absolut einschüchternd. Und doch zaubert es mir ein Lächeln auf die Lippen. Eines das mich so blendet, dass ich erst nun seinen leeren Platz erkenne.

„Wo willst du hin?" Erneut rufe ich seinen Namen über den Schulplatz. Und selbst Reese und Edwin scheinen seine Wut wahrzunehmen. „Ich suche diese wiederliche Kröte, keiner tut meinem Mädchen etwas an!"

Oh, Connor, wenn du nur wüsstest. 

(Ex)change-Was sind dir (deine) Geheimnisse wertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt