Kapitel 46- Verzerrte Erinnerungen

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Meine Zähne pressen sich aufeinander, als ich zum Gang Ende schaue und ein kleines Mädchen erkenne. Ihre Zöpfe wackeln bei jeder Bewegung die sie macht und bisher kann sie gar nicht aufhören, peinlich berührt zu lachen. Meine Züge werden sanfter, gar schaffe ich es ein Stück die Anspannung los zu werden. „Kann ich dir helfen?" Wieder ein leises Kichern, dass sie mit ihrer Hand abzufangen versucht.

Ich spüre wie sich der Wind in meinem Haar verfängt, wie sie mir wild in mein Gesicht peitschen und jede Spitze einen brennenden Schmerz hinterlassen. Ich spüre wie der Wind an meiner Kleidung zerrt. Wie er mich am liebsten von der Maschine bringen wüde, ich mich jedoch immer weiter an dem Lenker verhake. Ace Arme sind fest um mich geschlungen, halten mich weiter. Das grinsen an meinem Ohr verrät mir das er das Gefühl bereits spürt. Doch bei mir bleibt es aus. Und ich verstehe es nicht. Ich habe es sonst immer. Gleich. Schnell.

„Meine Mama hat mir mal erzählt, dass du auf mich aufgepasst hast." Meine Augen werden größer, als ich nun gründlich die grünen Augen mustere und feststellen muss, dass es wirklich das kleine Mädchen von vor drei Jahren war. „Stimmt. Du bist ganz schön gewachsen. Ich habe dich gar nicht wiedererkannt." Erneut ein Kichern, dass mich schmunzeln lässt. „Du warst damals schon immer am Lachen." Grinse ich breit. „Ich habe nächste Woche Geburtstag, möchtest du vorbei kommen?" Unsicher gehe ich vor ihr in die Hocke, sodass sie sich ein Stück nähert. „Wie alt wirst du denn?"

Ich möchte das Adrenalin in meinem Körper pochen spüren. So sehr, dass ich das Gefühl habe, ich sei unbesiegbar. Ich lausche dem Motor, welcher weiter vorangetrieben wird. Ich sehe die Landschaft, die an mir vorbei fliegt, während die Räder den Halt zu verlieren beginnen. „Scarlett!" Es ist ein unbrauchbarer Ruf von Ace, der mich dazu bringen soll zu stoppen. Aber ich kann nicht.

„Sechs." Kaum zu glauben, dass das kleine Mädchen von damals schon in die Schule geht. Kaum zu glauben, dass sich mein Leben seit drei Jahren so schlagartig verändert hat. Das einzige was gleich ist, ist diese verdammte Farm.


Ich will nicht.

„Ach du meine Güte, Elizabeth! Komm sofort her!" Ich zucke zusammen, als eine herrische Frauen Stimme meine Entspannung verjagt und mich aufblicken lässt. Zu meiner Überraschung ist es wirklich ihre Mutter, die mich immer mit ihren Zimtschnecken und einer liebevollen Güte Willkommen heißen hat. Und nun sind ihre Augen voller Abschaum auf mich gerichtet, während sie an der Hand ihrer Tochter reißt. „Entschuldigung." Murmle ich zögernd, als ich mich wieder hinstelle. „Halte meine Tochter von dem Abschaum deiner Familie fern, Scarlett, sonst lernst du mich richtig kennen."

Der Kloß kratzt unerkenntlich in meinem Hals. Er schnürt mir die Lungen zu und hinterlässt das bebende Gefühl von einem zerrissenen Herz. Sie kennt mich doch. Sie weiß doch, dass ich anders bin oder zumindest das meine Familie kein Abschaum ist. „Wir haben uns nur unterhalten." Krächzend trete ich einen weiteren Schritt zurück und blicke zu der kleinen hinunter, die sich nun hinter den Beinen ihrer Mutter versteckt. Ganz so, als hätte sie Angst vor mir bekommen. „Wer weiß, was deine Mutter bereits für Krankheiten an dich übertragen hat." Ich spüre wie meine Augen zu brennen beginnen. „Reden Sie da von..." Ich möchte es nicht einmal aussprechen. Ich möchte es nicht einmal denken. Sie halten meine Mutter für eine elendige Schlampe. Mein Mund öffnet sich ein Stück, schließt sich aber sogleich wieder, als sie mit einem letzten Mahnenden Blick an mir vorbei geht.

Und zurück bleibe ich.

Ich kann nicht.


Erst durch den Druck zu stoppen, bemerke ich das zucken meiner Mundwinkel. Ich bemerke wie leicht die Hiebe meiner Haare werden, wie sie beginnen mein Gesicht zu umgarnen. Wie ich es beginne zu genießen. Mein Blut fließt rasend heiß durch meine Adern. Es lässt mein Herz so viel wahrer und leichter Schlagen, dass sich meine Hand weiter anspannt. Dass die Räder weiter den Halt verlieren. Es fühlt sich an als würde ich fliegen. Als würde nicht einmal der Asphalt mich davon abhalten, einen Weg zu nehmen, der nicht da ist. Es fühlt sich an, als sei ich Machtvoller, als es jemals jemand sein kann.

(Ex)change-Was sind dir (deine) Geheimnisse wertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt