Kapitel 16- Gerüchte sind schneller als das Eigentliche

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Erst die grellen Sonnenstrahlen lassen mich am nächsten Morgen aufwachen. Und für diesen Moment habe ich weder den vergangenen Abend, noch die vergangenen Träume in Erinnerung. Es fühlt sich wie ein gewöhnlicher Morgen an. Einer an dem meine Mutter mich weckt, um zu sagen, dass es wieder viel zu spät ist. Einer an dem ich nach unten komme, um meinen Vater bereits am Frühstückstisch zu sehen. Sie wissen, dass ich kaum Zeit zum Frühstücken habe. Dass ich mich noch mit Reese und den Jungs am See treffe. Dass wir uns mit Ian verabredet haben, welcher über Skype mit uns über alles Geschehen bei uns aufklärt. Wir werden trotz der Distanz lachen. Wir werden die gleichen Witze reißen und die neuesten Geheimnisse entblößen.

Und doch scheint alles anders, als ich meine Augen öffne und eine permanente Übelkeit in mir spüre. Als ich verschwommen die Umrisse des Zimmers wahrnehme. Und sobald mir auffällt, dass es nicht mein Bett ist in welchem ich liege, schlage ich meine Augen wieder zu und vergrabe mich tiefer in dem Bettzeug von Connor, welches immer das Beste von uns allen ist. Ich ignoriere den Geruch von Zigaretten, welcher in meinen Haaren liegt.

Ebenso ignoriere ich das knirschen der Tür, die über dem Boden schabt und mir damit den Gast ankündigt. „Scar." Es ist bloß ein flüstern, dass seinen Lippen entkommen müsste, doch es hört sich lauter und verzerrter an, sodass ich dem kaum glauben schenken kann. Brummend rolle ich mich auf die Seite und versuche so meinen rebellierenden Magen zu zähmen.

Die Matratze senkt sich neben mir ab, ehe ich seine Hand auf meinem Arm spüre. „Ich habe hier was, dass sollte dir helfen." Nur zögernd schaffe ich es wieder meine Augen zu öffnen und zu dem Glas zu schauen, dass er in seiner Hand hält. „Sag mir das es aufhört." Quälend richte ich mich auf und ergreife die Mehlige Flüssigkeit, um sie hinunter zu schütten. Mein Mund fühlt sich nun noch viel trockener an, mein Körper ist vollkommen dehydriert.

„Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht."

Auffordernd lasse ich mein Blick auf die Bettdecke gleiten, während er mir das Glas wieder abnimmt. Doch ich hätte es nicht tun sollen. Der Anblick ist grausam, als ich seine leichte Schwellung an seiner Hand sehe.

„Meine Eltern sind nicht da und kommen erst heute Abend wieder, also kannst du dich hier in Ruhe entspannen, bis es besser wird." Nickend lasse ich meine Hand gegen meinen Kopf gleiten, um die dröhnenden schreie in mir zu unterdrücken. Obgleich mir eine Wasserflasche gegen mein Bein geschmissen wird, welche mich erneut aufblicken lässt.

„Das ist die schlechte. Edwin hat davon mitbekommen."

Schwer seufzend ziehe ich mir wieder die Bettdecke bis unter mein Kinn, ehe ich meine Augen schließe. „Raus." Es ist bloß ein murren, doch sobald ich spüre wie jemand an meiner Bettdecke zerrt und Connor Protest einlegt, da dies sein Zimmer ist, schaue ich wieder auf die beiden und besonders auf Edwin. Trotz seiner Ruhe, schäumt er vor Wut, wegen unserer Aktion. Und ich bin wirklich nicht Stolz drauf.

„Erspare es mir." Klagend verdecke ich mein Gesicht. „Wir sollten sie erst-"

„Halte deine Schnauze, Connor."

Der barsche Ton erschreckt selbst mich. „Wie konntest du sie bloß zu solch einem Ort bringen, wie dumm musst du überhaupt sein?"

„Wie oft denn noch, sie brauchte mal Abstand!" Aufgebracht richtet sich Connor auf, ehe auch ich mich wieder einmische und die fragen abzuarbeiten versuche.

„Woher wusstest du überhaupt davon?" Seine Stimme scheint verschluckt zu sein, mit ihr, auch die von Connor. Beide blicken mich aus ihren Augen an, als hätte ich die Flammen der Verderbnis soeben angezündet.

„Schieben." Es ist als würde mir der Kopf platzen, als würde dort nicht noch eine Abweisung wegen eines Geheimnisses meinen Verstand verkraften.

„Nicht Connor, lass es sein. Du wolltest mir weder gestern sagen, was los ist, noch jetzt. Und ich bin es leid. Genau das war es, dass uns dazu brachte dir zu folgen. Genau das war es, was mich in nur noch mehr Scheiße ritt. Und es muss aufhören."

Erneut erklimmt die Übelkeit meinen Körper, wodurch ich meine Hand um meinen Hals schlinge, um die kleinen Bröckchen, wieder hinunter zu zwingen. „Reese fehlt ebenfalls seit eurem Streit. Sie reagiert nicht, sie tut nichts. Es ist als wäre sie wie vom Erdboden verschluckt. Das ist es was ich dir gestern sagen wollte, doch nachdem was du alles gesagt hattest, wollte ich, dass du dich erst um dich kümmerst, statt nun noch um Reese. Das hätten wir schon geregelt. Edwin aber möchte das wir das heute alles klären." Ich kann nicht glauben, dass ich nicht die einzige bin, die dem Alltag entflohen ist.

„Und woher weißt du, dass wir gestern Aus waren?" Die Frage gleitet zu Edwin, welcher seine Hände schuldig in die Hosentaschen vergräbt. „Ace und ihr wart nicht die einzigen, die von hier kommen. Es wird viel geredet, darunter auch der Schlag auf Ace." Fassungslos entlasse ich ein schnauben, während ich erneut die Hand von Connor erfasse.

„Und das scheint nun keine Lüge zu sein." Es klingt wie ein Vorwurf. Es klingt wie eine Missbilligung, ehe seine Augen wieder zu mir huschen.

„Was soll auch kein Gerücht sein?" Es reicht mir endgültig, noch kleiner als sonst zu sein, wodurch ich mich aus dem Bett kämpfe und den Schwindel über mich ergehen lasse. „Du sollst mit Ace geschlafen haben." Beantwortet Connor leise.

Doch die Antwort zieht mir jeden Boden unter den Füßen fort. „Das ist eine Lüge!" Der schrei hallt schrill durch den Raum. Meine Atmung ist unkontrolliert. Barbarisch schnell und Furchtsam. Die Gerüchte werden sich überspitzen, sie werden geglaubt, ohne eine Chance auf Rechtfertigung zu bekommen.

Und als ich erneut ansetzten wollte, wenigstens vor meinen Freunden Gerechtigkeit zu bekommen, blicke ich auf das Bild, welches er mir zeigt, welches mich die Dehydration meines Körpers nur noch mehr fühlen lässt.

„Das kann nicht sein, wer hat das gemacht?" Erschüttert fahre ich mir durch meine Haare und versuche die Illusion zu verstehen. „Ich würde mit ihm niemals auf einer Feuerleiter schlafen! Das sieht nur so aus."
Ich blicke auf die aneinander gepressten Körper, ich auf seinem Schoß, mein Kleid verdeckt genug, um vieles hinein zu interpretatieren und genau das wurde hier gemacht. Genau das ist mein Urteil.

„Wir haben uns geküsst- ja. Aber mehr war da nicht. Ich bin gegangen. Ich habe eingesehen, dass esein Fehler war. Ich würde niemals soweit gehen." Meine Worte überschlagen sich und erst als Edwin mich zu sich zieht, spüre ich wie er mir glaubt. Wie er meinen Worten glaubt. Wie er dem wahren Geschehen glaubt.

„Aber ich glaube ich weiß wer dafür verantwortlich ist."

(Ex)change-Was sind dir (deine) Geheimnisse wertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt