Kapitel 33- Gegen den Rest der Welt, Dad

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Ich habe mich für ein schlicht blaues Kleid entschieden, dessen Schleife auf meiner Taille sitzt. Meine Haare hängen glatt über meine Schulter, während sich meine Füße in den Cowboy Stiefeln wohler denn je fühlen. Und doch schaffe ich es nicht meine Mundwinkel nach oben zu zerren.

Es ist egal ob ich bei den Häusern vorbei gehe, die ich mit einer schönen Erinnerung verbinde oder bei Häusern die ich einfach nur nie betrachtet habe. Ich versuche es immer wieder in die Fensterscheiben zu blicken und zu lächeln. Meine Mundwinkel dazu zu zwingen. Mich dazu zu zwingen.

Ich erreiche bloß immer das gleiche: Trübe Augen, die mich anschauen. Das grau, dass eigentlich mal flüssiges Silber war. Das in jedem Schein der Sonne geleuchtet hat. So zumindest sehe ich mich immer auf all den Kinderfotos und ich wünsche mir all die Tage zurück. Dort wo wir fünf unzertrennlich und unschuldig waren. Ganz ohne Geheimnisse und wenn dann nur, weil Ian nie zugeben wollte, dass er es war, wer meine Sandburg zerstörte. Ich vermisse diesen Funken in jeden Augen.
Es scheint als hätte es ein Opfer gegeben, dass jeder erbringen musste. Und augenblicklich frage ich mich, ob es das ist, was zum Erwachsen sein gehört.

Wann musste man Dinge aufgeben, damit man eine Altersgrenze, auch seelisch spürt?  Wann wurde das jemals vom Leben eingeführt?

Letztendlich komme ich vor dem Familienhaus zum stehen. Meine Finger sind in dem Saum vergraben, meine Tränen unter dem Make-up versiegelt.

Und ebenso meine Geschichte.

Die Stimmen werden lauter, je näher ich dem Garten komme. Je näher ich der Rauchschwarte entgegen komme, die den Geruch des Rusches und des Fleisches entfacht. Mir wird übel bei diesem Geruch. Allein bei dem Gedanken an essen.

„Scarlett." Meine Augen huschen hektisch zu meiner rechten Seite. Die alte Lady hat ihre Augen auf mich gerichtet, als sei ich ein Dämon und damit gleichen ihre Empfindungen mir gegenüber, die ihrer Tochter und Ians Mutter. Es ist furchtbar, aber diese Familie scheint mich wahrlich zu verachten, ohne mir eine Chance zu geben. Immerhin war es im Kindergarten ebenso.

„Mrs. Cunningham." Erneut zwinge ich mich zu einem Lächeln, gleicht jedoch eher einer Aussage von: Gehen sie zurück in die Hölle. Mein Ton lässt sie zurückfahren. Meine Nerven liegen blank, ich kann mich weder konzentrieren, noch eine Ruhe finden. Ich hatte genug von den letzten zwei Tagen, sodass dieser Drache nur noch mehr dazu beisteuern, dass ich meinen Verstand verliere.

„Unglaublich, dass du noch immer eingeladen bist." Ich würde ihr am liebsten ins Gesicht spucken und mich dann kindisch darüber aufregen, dass sogar ihre Tochter mich eingeladen hat. Doch mein Lächeln wächst nur bei ihrer Wortwahl. „Unglaublich das sie nicht schon wieder von der Hölle eingefodert-" 

„Scarlett!" Reese schneidet mir das Wort ab, während sich ihre Hand um mein Gelenk schlingt und sie mich von ihrer Granny fortzieht. „Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst."

Matt pressen sich meine Lippen aufeinander, während sie mich in den Ausgekühlten Schatten zieht. Ich habe hier weniger das Gefühl erdrückt zu werden. „Mir geht es gut." Hauche ich leise, fahre mit meinen Fingern den Ansatz meiner Haare entlang, bis mir einfällt, dass diese glatt sind. Achtlos lasse ich meine Hand wieder fallen und unterdrücke ein gequältes schnauben.

„Das sah heute in der Schule anders aus." Sorgsam ziehen sich ihre Brauen nach oben, als sie beginnt mich zu mustern. Ich schüttle lediglich den Kopf.

„Wo ist Ian?"

Reese zuckt verunsichert mit den Schultern. „Er hat ebenso wenig Lust auf das alles wie wir, weswegen er sich freiwillig dafür gemeldet hat, die Biere kalt zu stellen." Dankend gleitet meine Hand über ihren Arm, ehe ich durch das kleine Gartentor gehe.

(Ex)change-Was sind dir (deine) Geheimnisse wertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt