Kapitel 35- Das Stück Wahrheit der Gerüchte

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Es ist der penetrante Geruch des Übergebenen der mich mit den Würggeräuschen aus meinem schlaf holt. Er war ohne hin dünn und viel zu ungemütlich, als das ich wirklich fest geschlafen habe, dazu spüre ich die Konsequenzen, die mir der Boden persönlich überreicht hat. Der Stich zieht sich über und durch meinen Rücken und doch schaffe ich diesen zu ignorieren und dem Geräusch wieder die Aufmerksamkeit zu schenken.
Der Schlafplatz meines Vaters liegt Still, hingegen die Tür gegen die Wand knallt und ich meinen Vater samt eines Eimers daran lehnen sehe. Er übergibt sich in den Eimer, scheint es wohl versucht zu haben in das Bad zu kommen. Jedoch ist er mit vollster Seele daran gescheitert.

Mir selber steigt die Galle bei dem Anblick seines Erbrochenen hoch, jedoch schaffe ich es mich zu konzentrieren und die Decke von meinen Beinen zu strampeln, um ihm auf schnellstem Weg eine Flasche Wasser zu besorgen.

Meine Hand streift sein Bein, an welchem ich mich abstütze, während ich die blitzenden Tränen in seinem Auge erkenne. Mir wird die Kehle zu geschnürt, womit automatisch kein Stück der Übelkeit mehr nach oben gelangt. „Trink ein bisschen." Murmle ich heiser. Er lehnt seinen Kopf zurück an die Tür und betrachtet mit verschwommenen Blick die Decke. „Dad." Besänftigend umfasse ich seine Wange und versuche ihn dazu zu bringen, mich anzuschauen. Mir in die Augen zu blicken und mir endlich zu sagen, dass es ihm gut geht. Das er es schafft. Das wir es so schaffen, wie wir immer alles geschafft haben. Er soll mir doch bloß sagen, dass dies bloß eine kleine Krise ist.

Doch stattdessen greifen seine Finger um mein Gelenk und ziehen es mit aller übrig gebliebenen Kraft wieder fort. „Geh."

Meine Brauen ziehen sich zusammen, als das krächzende Wort seinen wunden Hals überwunden hat. „Papa, lasse dir von mir helfen. Bitte." Ich erkenne mich selber nicht wieder. Wann habe ich jemals so verzweifelt geklungen und wer genau hat mich dazu gemacht? Wer hat mich in meinem Leben so verwundet, wenn nicht der Mann vor mir oder die Frau die ihre neue Familie gegründet hat. Ganz ohne uns.

„Scarlett. Raus." Er hebt seinen Kopf an. Seine Augen scheinen mir beinahe grau. Schwarz, nur mit einem Schleier, der seine Wut noch zurück hält. Ich zucke dennoch bei seinen Worten zusammen und schaffe es einfach nicht mich zu bewegen. Ich habe nichts getan. Ich habe auf dem Boden neben ihn gelegen und habe in dem Staub gebadet. Ich spüre jeden Knochen von mir, nur weil ich Angst um meinen Vater hatte. Nur weil ich ihm zeigen wollte, dass er nicht alleine ist. Das wird er doch niemals sein, wieso will er mich also fort schicken?

„Papa." Ich kann kaum so schnell reagieren, wie er unbedacht aufsteht. Der Eimer wird von seinem Bein umgestoßen, sodass sich der Inhalt über den Boden verteilt und mir erneut die Galle aufsteigt. Doch bei dem Anblick meines Vaters vergeht er mir wieder. Er baut sich vor mir auf, in aller Möglichkeit, die ich ihm zugetraut hätte. „Raus! Raus verdammt noch mal! Lasse dich hier nicht mehr blicken!" Tränen treten in meine Augen. Hinterlassen einen Schauder an Trauer und Wut, derweil mein Vater in seinen Tränen ausbricht und die Tür wieder hinunter gleitet. Er vergräbt seinen roten Kopf hinter seinen Händen. Murmelt, Flucht und tritt um sich. Es ist ein Trauerspiel. Eines welches einem Schauspieler einen Oscar eingebracht hätte. Doch dies ist kein Schauspiel. Dies ist die verzweifelte Lage eines Mannes, der viel zu sehr liebt. Der viel zu sehr leidet.
„Raus!" Erneut zucken meine Muskeln unter dem elendigen Schrei zusammen, der sich in mich einbrennt. Und ich gehe. Erst einen Schritt rückwärts. Dann den zweiten. Den dritten. Den vierten. Solange bis ich die Scheibe der Tür in meinem Rücken spüre und wie auf einer Flucht hinaus springe. Die Tür springt automatisch wieder ins Schloss und hinterlässt ein Kälte Gefühl, dass ich noch nie in meinem Leben gespürt habe.

Denn ich habe mich noch nie so Heimatlos gefühlt.

Bös' Gerücht nimmt immer zu,

gut' Gerücht kommt bald zur Ruh."

(Ex)change-Was sind dir (deine) Geheimnisse wertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt