Kapitel 24- Mütter und Sorgen

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„Kann ich sitzen bleiben?" Genervt lege ich meinen Kopf schief um die Frau neben mir besser mit meinen Blicken zu erdolchen. „Von mir aus. Ich schließe aber ab." Sie widmet mir keinen Blick, wodurch ich schnaubend wieder nach vorne blicke. „Mach was du willst."

Die Tür knallt zu und sobald das klacken ertönt, bin ich in der Hitze eingeschlossen. Bereits nun spüre ich die Langeweile in meinen Knochen sitzen, während der Wagen sich mit einer derben Hitze füllt, die mich bereits nun um den Verstand bringt.

Seufzend kurble ich das Fenster hinunter, spüre den angenehmen Windhauch, welcher mich erreicht und welcher mich dazu bringt, meine Augen zu schließen. Es tut gut, selbst wenn es nur die Stille ist, die mich noch umgibt.

Erst das leise klopfen an dem Blech des Autos, lässt mich meine Augen wieder öffnen und direkt in die der Blondine schauen. Ihre Lippen sind zu einem sanften Lächeln verzogen. „Was tust du hier?" Neugierig legt sie ihren Kopf schief und mustert mich eindringlich, während ich einen Blick zum Supermarkt werfe. „Meine Mom lässt mich nicht mehr alleine. Zumindest nicht Zuhause." Seufzend streiche ich meine Haare aus meinem Gesicht und schaue wieder zu Reese, welche mitleidig ihren Blick senkt.

„Ich finde schon heraus was mit ihr los ist. Und nun zu dir, was tust du hier?" Fragend betrachte ich den Missbilligen Ausdruck auf ihrem Gesicht.

„Miranda hatte mich heute Angerufen. Ich solle einiges besorgen, für die Party die trotzdem stattfinden wird."

„Was für eine Party?" Kritisch verziehe ich meine Braue und versuche jedes Funken Wissen aufzusaugen. Ihr grinsen wird breiter, als sie mich wieder anblickt und weiter mit ihren Fingern auf dem Fenster rumtrommelt. „Die Willkommensparty für Ian und Kaior."

Erstaunt richte ich mich auf. „Sie wird Morgen die Flyer aufhängen, die Party findet in der Sporthalle statt. Am Freitag." Noch immer kann ich nicht fassen, dass Miranda mir nicht einmal bescheid gegeben hat. Aber so wie sie mich auch behandelte, dürfte es keine große Überraschung gewesen sein.

„Und damit hätten wir übrigens eine weitere Verdachtsperson." Ihr Mundwinkel zuckt nach oben, wodurch auch ich mir das wissen nicht zurückdrängen kann. Miranda hatte schon immer ein Problem mit Ian und mir. Ob es nun am Intellekt lag oder ob sie einfach schon seit dem Kindergarten von ihm schwärmt ist mir gleichgültig. Fakt ist, dass sie uns einfach nicht zusammen haben möchte. „Ich hätte sie gesehen, wenn sie dort wäre. Außerdem war es schon für mich eine Überraschung dort zu sein, also was sollte sie dort hinführen?"

„Das werden wir noch herausfinden." Ihr Blickt gleitet an mir vorbei, wodurch ich meine Mutter entdecke, die die Zentralverrieglung auflöst, wodurch ich aussteige.

„Hallo Mrs. Harper." Flötend folge ich Reese zum Kofferraum, wo wir beginnen den Einkauf einzusortieren. „Hallo Reese. Wie geht es deiner Familie?" Reese Augen erwischen mich, wodurch ich nur grob den Kopf schüttle. Ich weiß nicht ob meine Eltern bereits wissen, dass Ian bereits wieder da ist. Aber ich habe keine Lust mich mit meiner Mutter auseinander zusetzten.

„Gut. Sehr gut. Ich hätte dort nur eine Frage." Skeptisch blicken meine Mutter und ich zu ihr. „Am Freitag ist die Willkommensparty für Ian. Ich hatte eigentlich vor mit Scar Kleider zu kaufen und naja hinzugehen."

Ich weiß nicht ob ich sie lieber umarmen oder töten möchte, als sie die Waghalsige Frage stellt. Meine Mutter beginnt nun schon die Lippe zu kräuseln und sich dem Einkauf zuwidmen. „Ich bin mir nicht sicher, ob dies eine gute Idee ist, Reese. Meine Tochter hatte nicht einmal gesagt, dass er wieder da ist."

Meine Augen reißen sich sogleich auf. „Das ist er ja auch nicht-„
„Reese lüge mich nicht an. Das ist eine verdammt kleine Stadt." Meine Mom verliert die Kontrolle, als sie wieder aufblickt und man das zittern ihrer Stimmbänder mitbekommt. Es ist als würde sie sich vor ihren eigenen Worten fürchten. „Wir klären das Zuhause." Gibt sie scharf von sich, ehe sie den Einkaufswagen nimmt und wieder fortfährt. „Es war ein Versuch wert." Gebe ich knapp von mir, doch erreiche bloß ein Schnauben von ihr.

„Du wirst sowas von mitkommen. Als ob du mich alleine mit all den Idioten lässt." Grinsend wende ich mich wieder dem Auto zu und lasse mich in den Sitz nieder sinken. Es ist egal was ich nun noch mache, es kann nur schlimmer werden.

„Du kannst mir nicht vorwerfen, nicht mit dir zu reden, wenn du nicht mit mir redest." Gebe ich zerknirscht von mir, als ich meinen Kopf zu ihr drehe und ihren starren Blick betrachte. Und trotz meiner Worte, die sogar noch nett gewählt waren, beginnt sie nicht zu sprechen. Sie schweigt weiterhin und es ist eine Qual in mitten der Spannung zu sein. Der Grund der Spannung zu sein.

„Mom, was ist daran so schwer mit mir oder Dad zu reden? Was hindert dich dadran?" Krächzend rutsche ich weiter nach vorne, blicke in ihre Augen, dessen grau sogleich mit meinen ist. Blicke in die Schicht der Tränen, die einen Schleier vor das Grau legt. Und es zerreißt mich. Erneut.

„Mom-" Es ist ein Schrei der meine Kehle von sich gibt. Der den Ton ewig lang in der Luft hält, der sie die Träne von der Wange reiben lässt, bevor sich ihre Lippen zu einem matten Lächeln verziehen. „Das soll nicht dein Problem sein, Carly. Weder deins, noch das von deinem Vater. Lass es mich regeln und es wird wieder."

Ihre zitternde Stimme klingt gebrochen, rau, kratzig. Als würde sie alle Kraft gehabt haben, diese Worte über ihre Lippen zu bringen. Als würde sie die Kraft bis zum letzten Tropfen aufgebraucht haben. „Du sagst immer ich muss durch nichts alleine durch, wieso aber nimmst du die Bürde auf? Wieso hast du mich mit diesem Verhalten alleine gelassen?" Heiser, quietschend lausche ich dem leiser werdenden Motor, ehe wir an dem Straßenrand stehen bleiben und sie mich betrachtet.

Das erste mal, blickt sie mir wieder in die Augen und ich erkenne die Sehnsucht, die nur eine liebende Mutter besitzen kann in ihr. Und ich genieße den Moment, ich sauge ihn in mir auf, weil ich wahrscheinlich schon weiß, dass es wieder anders enden wird.

„Es tut mir leid." Erstaunt lege ich meine Stirn in Falten, während ich meine Finger zitternd über meine Wange fahren lasse. „Ich hatte nie gewollt dich außer acht zu lassen. Ich hatte vieles nicht gewollt. Aber dein Dad, er-"

Sie bricht ab. Voller Trauer, voller Enttäuschung, sodass sich mein Hals zuschnürt. „Er hat dich betrogen." Es ist keine Frage, es ist die Feststellung die sie hektisch den Kopf schütteln lässt. „Um Himmels Willen, nein." Doch mit diesen Worten überkommt sie auch eine noch bittere Trauer, die ihr Gesicht in einer Röte aufgehen lässt.

Ich möchte sie umarmen, sie schaukeln, sowie sie es bei mir immer tat, wenn ich mein Knie aufgeschlagen habe, wenn ich vom Pferd fiel, wenn ich mich gestritten habe. Ich möchte es so bei ihr machen, wie sie es all die Jahre bei mir tat. Doch allein an ihrer Haltung erkenne ich, dass sie jeden Kontakt zurückweist. Selbst dieser hier ist ihr gerade zuviel.

„Mom, sage mir doch, wenn ich dir helfen kann. Rede mit mir. Mache irgendwas, aber bitte verschließe dich nicht vor mir!"

Flehend blicke ich sie an. Flehend erhoffe ich mir eine Antwort die mich weiter bringt. Die sie endlich öffnet. Die uns hilft.

Meine Augen zucken von ihrem Tränen besetzten Gesicht, zu ihren Händen die um das Lenkrad geschlungen sind. Ihre Knöchel beginnen weiß hervor zu stechen, sie beginnt sich mit jeder Faser anzuspannen.

„Steig aus." Ungläubig lausche ich ihrem leisen flüstern.
Versuche ihre unbändige Kälte zu verstehen, sogar zu akzeptieren, aber der Hall ihrer Worte herrscht noch immer in meinen Ohren.

„Mom, was geht in deinem Kopf vor?"

Erneut schaffe ich es nicht, meine Stimme wieder zufinden. Erneut versagt sie, während die Wut und die Fassungslosigkeit in mir zu entstehen beginnt.

„Ich sagte steig aus."

„Mom!"

„Scarlett, ich will dich für den restlichen Tag nicht mehr sehen! Also, steig aus." Schluchzend stemme ich mich gegen die Tür, spüre den schneidenden Wind, spüre die zornige Sonne.

Spüre den unersättlichen Schmerz meiner Mutter gegenüber.

(Ex)change-Was sind dir (deine) Geheimnisse wertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt