Kapitel 14

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„Was machst du hier?", fragte Thomas, der gerade aus dem Gehöft gelaufen kam – immer noch ziemlich müde und zerkratzt aussah -, als er mich am Rand des Waldes sitzen sah. Schnell wischte ich mir meine Tränen aus dem Gesicht, da ich nicht wollte, dass mich jemand weinen sah.

„Es ist gar nichts", meinte ich, als er sich einen Baum mir gegenüber runterrutschen ließ.

„Sieht aber nicht danach aus", sagte er und schenkte mir ein leichtes Lächeln, das ich allerdings nicht erwidern konnte. Ich fühlte mich miserabel. Ich fühlte mich verraten.

„Du musst dich nicht schlecht fühlen", meinte der Junge, „du hast Minho und mir das Leben gerettet. Du stehst echt in meiner Schuld. Die Idee mit dem Ducken war echt gut."

Ich wollte etwas darauf erwidern, aber irgendwie kam nichts aus meinen Mund, auch wenn ich es versuchte. Mir fehlten einfach die Worte für diese Situation und für das, was ich fühlte.

„Hast du Angst vor dem morgen?", fragte Thomas mich nach einer Weile Stille, in der wir auf die Lichtung geblickt hatten, wo sich die Jungs gerade schlaffertig machten.

„Ja", antwortete ich knapp. Mehr bekam ich gerade einfach nicht über meine Lippen ohne in Tränen auszubrechen.

„Ich auch. Aber ich glaube nicht, dass wir etwas falsch gemacht haben, wir haben – also besser gesagt du - schließlich Menschenleben gerettet."

„Du hast nichts falsch gemacht; das stimmt", meinte ich und blickte zu dem Jungen hinüber, „ich habe allerdings viel falsch gemacht."

„Aber du hast Minho das Leben gerettet und mir das mit dem Ducken zugerufen – ohne dich wären wir hier nicht. Du musst keine Angst vor morgen haben."

Mit diesen Worten stand er auf, tätschelte mir aufmunternd die Schulter und verschwand mit einem lauten Gähnen. Auch in mir machte sich die Müdigkeit breit, dennoch konnte ich sicherlich kein Auge zumachen. Zu viel war die letzte Nacht passiert und Newts Worte hingen mir immer noch nach. Plötzlich hallten laute Schreie über die Lichtung, die mir verrieten, dass Albys Verwandlung begonnen hatte. Einerseits war ich erleichtert, dass er lebte, aber andererseits tat er mir jetzt schon leid: Es mussten höllische Schmerzen sein, die der Anführer gerade durchleben musste.

Am nächsten Tag wachte ich von dem Geräusch der aufgehenden Wände auf. Als ich meine Augen rieb und langsam öffnete, strahlte die Sonne mir mitten ins Gesicht. Am liebsten hätte ich noch weiter geschlafen, da ich höchstens drei Stunden geschlafen hatte, allerdings musste ich bald zur Versammlung.

Gerade, als ich aufstand, bemerkte ich, dass ich zugedeckt war. Wer auch immer das war, würde ich am liebsten ein großes Dankeschön sagen.

Ich zog mich – es sah sicherlich fürchterlich unelegant aus – an dem Baum hoch und humpelte die Treppe hoch in Richtung Newts Zimmer, was gefühlte Stunden dauerte, da mein Bein so schrecklich weh tat. Der einzige Grund, warum ich dort hinging, war, dass ich Schuhe brauchte, da ich gestern barfuß rausgelaufen war und mir andere Klamotten anziehen wollte, da ich immer noch die gleichen anhatte, die ich auch im Labyrinth anhatte.

Als ich die Tür öffnete und eintrat, war dort Newt, der sich gerade umzog. Ich musste mir ein Augenrollen verkneifen, da ich gerade echt keine Lust hatte mich zu entschuldigen.

„Guten Morgen, Tori", begrüßte er mich, als er sich ein T-Shirt aus dem Schrank zog, um es sich über seine Brust zu streifen. Am liebsten hätte ich mich weggedreht, aber Newts Oberkörper hatte eine gewisse Anziehungskraft, die mir rein gar nicht gefiel, denn eigentlich wollte ich wütend auf ihn sein. Obwohl er verhältnisweiße dünn war, sah man seine Muskeln, die er durch die harte Arbeit auf der Lichtung sehr definiert waren, gut.

„Morgen", gab ich zurück und zog mir auch eine Hose und ein T-Shirt aus dem Schrank.

„Hast du gut geschlafen?", fragte er mich, als ich mein altes und verschwitztes Shirt auszog und mir das frische anzog. Mir war ziemlich egal was Newt alles sehen konnte – ich wollte nur neue Klamotten anziehen.

„Geht so", entgegnete ich, was noch eine ziemliche Beschönigung meiner echt grauenvollen Nacht gewesen war, „aber danke für die Decken."

Irgendwie war mir jetzt klar geworden, dass er es gewesen war, der mich zugedeckt hatte.

„Kein Problem", meinte er mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen, als ich mich aufs Bett setzte und versuchte meine Hose auszuziehen, was mir aber ziemlich schwer mit meinem Verband am Bein viel, da ich es so beinahe nicht bewegen konnte.

„Lass mich dir helfen", bot er mir an, kniete sich vor mir auf den Boden, wobei er mein kaputtes Bein auf sein Knie legte und vorsichtig die Hose abstreifte. Wenn ich den Jungen so sah, konnte ich gar nicht mehr auf ihn wütend sah - so fürsorglich und zuvorkommend wie er war.

„Deine Versammlung ist direkt nach der von Thomas – wir verhandeln euch einzeln", erklärte er mir, obwohl ich nicht einmal gefragt hatte, „du musst ehrlich sein, aber bitte rede nicht dazwischen oder zu viel, sondern nur, wenn ich dich darum bete, okay? Hoffe einfach, dass alles gut wird."

Ich nickte etwas steif, als er mir die Stoffhose, die ich mir zum Anziehen rausgelegt hatte, vorsichtig über mein Bein zog.

„Soll ich auch das mit den Karten sagen?", fragte ich ihn, als ich spürte, wie Nervosität in mir aufstieg.

„Nein", sagte er klar und deutlich, „die Versammlung wird einberufen, weil du ins Labyrinth gerannt bist und nicht, weil du Karten gestohlen hast. Also halt bitte dein Mund über die geklauten Karten; ist das klar? Falls dich jemand fragt, weshalb du ins Labyrinth gerannt bist, dann halte eine Moralpredigt: Ich konnte Minho und Alby nicht allein lassen. Das konnte ich nicht mit meinem Gewissen ins reine bringen oder sowas. Erzähl ihnen die Story vom bunten Hund – mir egal, aber lass das unnötige weg."

„Du willst also, dass ich lüge?", fragte ich Newt überrascht, da er doch sonst immer so regelkonform und korrekt war.

„Nicht direkt lügen", meinte er, als er mich half aufzustehen, damit er meine Hose hochziehen konnte, „ sondern vielmehr, dass du dich nicht unnötig in Probleme stürzt."

Es war mir etwas unangenehm so unbeholfen zu sein, dass mir jemand beim Anziehen helfen musste, aber Newt schien das nicht wirklich zu stören.

Ich blickte ihn nachdenklich von oben an. Es war schon was dran, dass ich das mit den Karten lieber verschweigen sollte, dennoch gab mir diese Heimlichtuerei kein gutes Bauchgefühl.

„Keine Sorge", beruhigt er mich, als wir fertig waren; er legte seine Hand, die immer wieder dick in Verbänden, die aber deutlich professioneller wirkten als gestern, eingewickelt war, auf meine Schulter, „ich werde die anderen schon überreden können deine Strafe nicht all zu hoch auffallen zu lassen."

„Strafe", sagte ich eher zu mir als zu dem Jungen. Auch wenn ich es mir selbst nicht eingestehen wollte, hatte ich Angst davor, was kommen würde. Ob ich so einen großen Fehler begangen hatte, dass ich womöglich verbannt werden würde? Ich hoffte nicht, denn noch so eine Nacht mit den Griewern würde ich sicher nicht überleben – vor allem nicht mit meinem kaputten Bein.

„Komm, Tori", meinte Newt nach einem Moment der Stille, „die Versammlung fängt gleich an – und zu spät kommen acht sicher keinen guten Eindruck bei den Strünken da unten."

Ich nickte etwas verlegen. Meine Hände fingen an zu schwitzen, als wir langsam hinunter zu dem Versammlungsraum gingen, wobei Newt mir die Treppe runter helfen musste. Ich hatte keine Ahnung mehr, wie ich es gestern nach dem Streit geschafft hatte allein die Treppe runterzukommen. Wahrscheinlich hatte meine ganze Wut den Schmerz übertüncht.

„Warte dort", meinte er und deutete auf einen klapprigen Holzstuhl vor dem Versammlungsraum, „ich werde dich dann reinholen, wenn wir mit Thomas fertig sind."

Alles, was wir geben mussten ~Maze Runner FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt