Kapitel 25

331 12 0
                                    

Eine knappe Halbestunde, in der ich mich geduscht und meinen Mund ungefähr 1 000 Mal ausgespült hatte, später, als sich die Tür von unseren Schlafraum öffnete und Newt, der aussah, als sei er seinen letzten Nerven geraubt worden, in den Raum trat.

„Und?", fragte ich ihn und setzte mich in dem Bett, in dem ich bis gerade gedöst hatte, auf.

„Ein Tag und zwei Nächte im Bau für Gally", meinte er ziemlich kühl, als er sein von der Arbeit dreckiges Shirt auszog, an die Seite des Bettes warf und sich jetzt nur noch im Top neben mich aufs Bett setzte und mir eine Tüte gab, „und natürlich musst du deine Strafe bei den Baumeistern nicht mehr abarbeiten. Ab morgen kannst du zu den Sanis gehen."

Ich nickte nur etwas steif darüber. Zwar wusste ich nicht, was ich erwartet hatte, aber wirklich Freude darüber, dass der Junge dafür bestraft worden war, verspürte ich nicht. Es änderte rein gar nichts an der kompletten Tatsache mit dem Kuss, die einfach nur widerlich war.

„Ich hab Essen mitgebracht", meinte Newt dann und deutete auf die Tüte, die er mir gerade gegeben hatte, „zwar nur Sandwiches und Obst, weil wir das Abendessen verpasst haben, aber besser als nichts."

Langsam öffnete ich die Tüte und nahm die beiden belegten Brote raus, wobei ich eins davon Newt gab, der es dankend annahm. Noch vor ein paar Stunden hätte ich mich unglaublich über etwas Richtiges zu Essen gefreut, aber jetzt, wenn ich das Käsesandwich vor mir sah, hatte ich doch nicht so viel Lust etwas zu essen. Mein Magen schien immer noch in irgendeiner Schieflage zu sein.

„Denk nicht so viel nach", meinte Newt nach ein paar Minuten Stille, in der wir unser Essen, das letztendlich doch gut geschmeckt hatte, verdrückt haben, „Nachdenken bringt dich im Leben nicht weiter, es kreiert nur Probleme, die eigentlich nicht existieren."

„Ich weiß", brummte ich und ließ mich in das Bett fallen, „aber... aber-"

„Du kannst es einfach nicht lassen", ergänzte er und legte sich direkt neben mich, „ich kenn das. Du denkst nach und denkst noch mehr nach und dann noch mehr und dann noch ein bisschen mehr, aber glaub mir: Es macht dich auf Dauer krank. Du wirst nicht schlauer daraus und keine Probleme lösen sich dadurch, es entstehen nur noch viel mehr."

„Aber manchmal muss man ein paar Sachen Revue passieren lassen."

„Über was willst du bei der Sache mit Gally nachdenken oder wie du es sagst Revue passieren lassen?"

Ich blickte eine Weile in seine kastanienbrauen Augen, in denen ich mich verlieren konnte so schön waren sie, bevor ich sagte: „Ich habe darüber nachgedacht, ob die Sache mit Gally etwas zwischen uns ändert."

„Es ändert rein gar nichts daran, was ich für dich fühle", versicherte er mir, schüttelte dabei energisch seinen Kopf und strich mir ganz sanft über die Wange, „dieser Strunk hat es nicht einmal verdient noch die neppigste Sekunde über ihn nachzudenken."

Der Junge schlang seine Arme um mich rum und legte seine Stirn an meine, als er säuselte: „Denk da bitte nicht weiter drüber nach, Tori. Es ändert nichts zwischen uns. Wirklich."

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Einerseits spürte ich, wie sich Erleichterung darüber, dass Newt das egal war, in mir breit machte. Andererseits fühlte ich mich trotz allem noch schrecklich unwohl in meiner Haut.

„Wir sollten jetzt schlafen", flüsterte Newt dann schließlich ganz leise in mein Ohr

„Das sollten wir", erwiderte ich und schmiegte mich enger an ihn, als er das Licht losch und seine Arme eng um mich schlang.

Es fühlte sich gut an, ihn nach allem, was heute passiert war, so nah bei mir zu haben. Ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus. Geborgenheit. Sicherheit. Für einen Moment konnte ich tatsächlich vergessen, was passiert war. Ich spürte das erste Mal, was Zuhause hieß, als wir uns so nah waren.

„Sie schicken dich ins Labyrinth?", hörte ich mein ungefähr 14- oder 15-jähriges Ich entsetzt fragen, noch bevor sich der Raum, in den ich reingeworfen wurde, richtig gebildet hatte. Es dauerte einen Moment bis sich alles um mich herum scharf gestellt hatte. Ich war in einem Schlafsaal mit zwei Betten, die an die Wand gestellt wurden, der ohne jegliche Fenster war und nur mit Neonröhren an der Decke beleuchtet wurde. Diesmal war ich nicht in meinem Körper von vor ein paar Jahren, sondern stand nebendran, während mein Ich von vor ungefähr zwei Jahren und Newt, der ebenfalls noch etwas jünger aussah und gerade aus dem Lüftungsschacht am oberen Ende der Wand kroch, aufgewühlt miteinander redeten. Außer uns beiden war niemand anders in dem kleinen Raum.

„Doch... doch Tori!", japste er, als er gerade rauskletterte und meinem damaligen Ich in die Arme fiel, „es ist wahr.... ANGST schickt mich mit der ersten Gruppe hoch!"

„Das können sie nicht machen!", keuchte mein altes Ich und ich sah, wie an meinen Wangen Tränen runterliefen, „sie können dich nicht von mir wegnehmen!"

Newt und mein damaliges Ich lagen sich ein paar Momente schluchzend in den Armen, bevor wir uns losließen und uns küssten. Etwas überrascht darüber trat ich einen Schritt zurück. Newt und ich waren schon damals zusammen gewesen? Zwar machte das die ganze Situation um einiges süßer, aber auch um einiges herzzerreißender.

„Und was ist mit dir?", fragte Newt und strich mir meine Tränen aus dem Gesicht, „Bringt ANGST dich auch ins Labyrinth?"

„Nein", japste ich und schüttelte weinend den Kopf, „ich bleibe hier."

„Aber warum?", wollte er wissen und umarmte mich wieder ganz fest. Es tat meinem heutigen Ich so schrecklich weh zu sehen, wie wir damals getrennt wurden. Mit den Erinnerungen kamen anscheinend auch die Gefühle zurück.

„Ich... ich w-weiß es nicht... Aber ich – ich kann n-n-nicht ohne dich leben, Newt."

„Tori", sagte er und legte seine Hände um meinen Kopf, um mir besser in die Augen zu schauen, „du bist schlau; du wirst einen Weg finden. Alles wird gut; ich verspreche es dir. Aber ich muss jetzt los; die Gedächtnisblockade fängt gleich an."

„Ich liebe dich, Newt", schrie ich weinend und fiel dem Jungen noch einmal um den Hals, dem das alles sichtlich auch schwer fiel. Newt kämpft darum nicht auch wieder mit dem Weinen anzufangen, wahrscheinlich wollte er die ganze Situation nicht noch schwerer machen, als sie eh schon war.

„Ich liebe dich auch, Tori", japste er und drückte mich von ihm weg, „es tut mir leid – ich muss los."

Mein damaliges Ich nickte nur unter lauten Schluchzern, als Newt wieder hoch an die Wand zum Lüftungsschacht kletterte, dessen Gitter er rausgerissen hatte, um reinzukommen.

„Alles wird gut, Tori", versicherte er mir und ich erkannte, wie Tränen seine Wangen hinunterkullerten, als er mit einem letzten trauererfüllten Blick im Lüftungsschacht verschwand und mein junges Ich, das weinend auf dem Boden zusammengebrochen war zurückließ.

ANGST hatte mir damals schon Newt genommen... ANGST war nicht gut... ANGST konnte nicht gut sein...

Dem Schlafsaal entrissen, landete ich unangenehm hart auf Betonboden. Riesige Wände, die sich neben mir Richtung schwarzen Himmel auftürmten wie gigantische Grabstein, waren schon genug, um zu wissen, dass ich wieder im Labyrinth war.

Das Kratze von messerscharfem Metall, das über Stein kratzte, wurde von den Wänden widergehallt und ohne länger nachzudenken rannte ich los...

Alles, was wir geben mussten ~Maze Runner FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt