Kapitel 4

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Ich hatte mich an einen Baum am Rand des Waldes gelehnt, als die Sonne gerade hinter den Mauern verschwand. Die Lichtung lag nun fast komplett im dunklen und ich beobachtete wie die meisten der Jungs sich schon in ihre Schlafsäcke auf den Boden legten. Zum Glück sah niemand, wie ich hier saß und Trübsal blies.

Irgendwie schienen meine Gedanken sich zu drehen wie ein Karussell, aber so schnell, dass ich nichts zu fassen bekam. Mehr als eine schreckliche Leere in mir und Wut auf die Leute, die mich hier reingesteckt hatten, konnte ich ganz einfach nicht fühlen. Jedes positive Gefühl wie Freude oder ganz einfach nur Lachen schien nicht hierher in diese Welt – auf diese Lichtung – zu passen.

Verzweifelt raufte ich mir durch meine Locken. Wirklich eine Antwort auf all meine Fragen zu bekommen war so gut wie unmöglich – zumindest als Nicht-Läuferin. Mir schien es so als wüssten die Läufer hier am besten von allen Bescheid und irgendetwas in mir wollte nicht einfach tatenlos hier auf der Lichtung sein und kochen oder das Gehöft putzen. Dieses Etwas in mir wollte mit den Läufern in dieses rätselhafte Labyrinth. Dieses Etwas wollte den Ausgang finden.

Meine Chance als Läuferin waren aber alles andere als gut und das war mir klar: Erstens hatte ich mir es mit einen von ihnen gerade eben verscherzt und mit dem Chef der Lichtung auch, außerdem hatte Minho schon gesagt, dass ich keine guten Voraussetzungen für eine Läuferin hatte. Aber egal was es kostete, ich musste ganz einfach daraus und wenn das heißen müsste sich ein bisschen Einzuschleimen, dann würde ich es wenigstens versuchen.

Gerade, als ich darüber nachdachte, ob ich meine erste Nacht auf der Lichtung wirklich an einen Baum gelehnt verbringen wollte, sah ich aus der Ferne eine Gestalt auf mich zulaufen. Schon jetzt wusste ich, dass es Newt war, denn er hatte dasselbe dreckig weiße Oberteil an wie vorhin. Nur ein etwas wunderte mich. Er hinkte. Vielleicht war es mir die letzten Stunden ganz einfach nicht aufgefallen, da ich nicht darauf geachtet hatte, aber hier – als ich ihn direkt auf mich zukommen sah – war es kaum zu übersehen. Am liebsten hätte ich ihn sofort gefragt weshalb er hinkte, aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich es besser lassen sollte.

„Da bist du ja!", rief er schon von 30 Metern Entfernung, „Wo warst du die ganze Zeit? Ich hab dich gesucht wie ein Verrückter!"

„Hat sich da jemand sorgen um mich gemacht?", fragte ich grinsend und lief ihm entgegen.

„Ein verschwundener Frischling ist nie ein gutes Zeichen und vor allem nicht, wenn er eine sie und obendrein das erste Mädchen aller Zeiten ist. Es hätte ja sein können, dass dir was zugestoßen ist."

Kopfschüttelnd kam ich bei ihm an und meinte: „Es tut mir leid, dass ich weggelaufen bin."

Ein schmales Grinsen zeichnete sich auf seinen Lippen ab und er entgegnete: „Kein Problem, ich verstehe, dass das alles schwer für dich ist – ich musste da ja auch durch."

„Wie war es bei dir?", wollte ich wissen, als wir zusammen Richtung Gehöft liefen.

„Ach", seufzte er und guckte sich um, so als wolle er Augenkontakt vermeiden; so als wäre ihn das Thema unangenehm „es – es war nicht einfach."

„Was war denn?", stocherte ich nach, aber sein Blick verriet mir, dass er nicht drüber reden wollte. Seine Augen starrten einfach auf den Boden mit einer befremdlichen Leere.

„Ich war ein Teil der Gruppe, die die Lichtung gegründet hatten", meinte Newt und öffnete die knarzende Holztür ins Gehöft, „und ich habe lange gebraucht um meinen Platz hier auf der Lichtung zu finden."

Die Wendeltreppe gingen wir schweigend hoch. Nur das laute Knarren der Stufen unter unseren Gewicht und einzelne leise Gespräche aus den Räumen war zu hören, als plötzlich ein Schrei durch das Gehöft hallte. Es war nicht einfach nur ein Schrei – es klang, als würde sich jemand seine Seele aus dem Leib schreien. Als würde dieser jemand unter schrecklicheren Schmerzen leiden, als man sich in seinem kühnsten Albträumen vorstellen könnte. Das Blut in meinen Adern gefror vor lauter Schock, als der Schrei wieder so schnell verstummte, wie er gekommen war.

Alles, was wir geben mussten ~Maze Runner FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt