Kapitel 28

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„Warum darf ich nicht ins Labyrinth?"

In dieser Erinnerung war ich in keinen Schlafsaal, Aufenthalts- oder Analyseraum. Der relativ kleine Raum, dessen Mobiliar aus nichts außer einem Schreibtisch und vielen darauf liegenden Unterlagen, die sich in hohen Türmen stapelten, bestanden, deutete vielmehr darauf hin, dass das ein Büro war, in dem ich mich befand. Das gleiche helle Neonröhrenlicht wie in meinen letzten Träumen erleuchtete auch diesen Raum, was mich erahnen ließ, dass ich im gleichen Gebäude war – immer noch bei ANGST. Diesmal war ich nicht wieder ein Zuschauer wie die letzten Male sondern war wieder in meinem vergangen Körper, der ohne jegliche Kontrolle von mir handelte.

„Warum darf ich nicht ins Labyrinth?", fragte ich erneut. Meiner Stimme war anzuhören, dass diese Erinnerung nicht lang her sein konnte, denn sie hatte genau die gleiche Stimmlage wie heute. Trotz allem war nicht zu überhören, dass Wut und Frust in ihr lag. Ich verschränkte die Arme vor der Brust, als die Frau mit den streng zurück gekämmten Haaren und finsteren Gesichtsausdruck, hinter den Papierstapeln ihres Schreibtisches auftauchte.

„Du weißt es genau, Tori", sagte die Frau mit ihrer kühlen Stimme befehlshaberisch.

„Aber warum? Du hast mir alles genommen, dass mir wichtig war!", giftete ich sie an, wobei ich verwundert war, dass ich sie duzte, „Und jetzt willst du auch noch Thomas wegschicken?! Gibt es irgendwas auf dieser verklonkten Welt, das ich nicht hergeben muss, damit du dein neppiges Ziel erreichst und endlich das Gegenmittel für den Brand findest? Gönnst du mir nichts?!"

„Hör auf diese vulgäre Sprache zu benutzen, die ihr Kindsköpfe euch ausgedacht habt!", fuhr die Frau mich scharf an und stand aufgebracht von ihren Schreibtisch auf. Sie ging mit großen Schritten auf die andere Seite – zu mir – und lehnte sich dann gegen die Tischkante und fuhr wieder in ihrer kühlen Tonlage fort: „Das hier hat nichts mit gönnen oder nicht gönnen zu tun, Tori. Deine Freunde und du – ihr habt eine Gabe, eine wundervolle Gabe, die die gesamte Menschheit retten kann und damit ihr uns alle retten könnt, müsst ihr getestet werden – und das geht nun mal nur im Labyrinth. Ich bitte dich an das Allgemeinwohl zu denken und nicht immer so egoistisch."

„Egoistisch?!", quiekte ich, „Das sagst ausgerechnet du, die mich nicht ins Labyrinth schicken will!"

„Das hat ganz andere Gründe, Tori!"

„Hat es nicht! Du willst mich nur nicht ins Labyrinth schicken, weil du mich nicht verlieren möchtest, da du Angst hast, dass mir dabei etwas passieren könnte – das ist egoistisch! Aber es geht einfach nicht in deinen neppigen Kopf, dass ich genau die gleiche Angst in mir verspüre, wenn ich meine Freunde da auf den Bildschirmen sehe. Ich habe Angst, dass ihnen etwas passieren könnte, dass sie sterben könnten. Das ist dir aber egal, weil die für dich nur irgendwelche Laborratten sind. Aber weißt du was? Diese Leute sind meine Freunde! Sie bedeuten mir mehr als du!"

Der sonst so strenge Gesichtsausdruck der Frau entgleiste. Ihr Kiefer klappte hinunter und sie riss ihre Augen vor lauter Entsetzen weit auf, als sie geschockt sagte: „Dir ist deine eigene Familie weniger Wert als deine Freunde?"

„Meine Freunde sind wenigstens für mich da, wenn es mir schlechtgeht", erwiderte ich und verschränkte meine Arme, „sie sind für mich da, wenn mich meine Albträume und Erinnerungen plagen, in denen ich Mum, Dad und Jimmy sehe, wie sie leiden – wie sie vor meinen eigenen Augen verrückt und getötet werden! Wenn ich wieder sehe, was mit der Welt da draußen ist! Meine Freunde sind es, die mich trotz schlechten Tagen wieder zum Lachen und auf andere Gedanken bringen, nicht du."

„Aber ich bin dabei zu bekämpfen, was unsere Familie umgebracht hat! Und deine Freunde tragen nun mal ihren Teil dazu bei."

„Dann lass mich auch meinen Teil beitragen! Ich bin auch Immun! Ich kann auch bei der Studie helfen!"

Alles, was wir geben mussten ~Maze Runner FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt