Kapitel 30

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Selbst durch die dicken Betonmauern im Bau bekam ich die angespannte Stimmung auf der Lichtung mit. Etwas war anders. Keiner schien mehr wirklich zu arbeiten. Die paar Mal, die ich durch das kleine Fenster schaute, erkannte ich mehrere kleine Gruppen von Lichtern, die allesamt zu diskutieren schienen anstatt ihren Aufgaben nachzugehen. Außerdem war kein Hüter weit und breit zu sehen, die sie wieder hätte zur Arbeit zwingen können, da sie alle bei der Versammlung waren. Es war grauenvoll hier einfach rumzusitzen und genau zu wissen, dass gerade über dein eigenes Leben entschieden wurde. Ich hoffte inständig, dass ich noch eine Aussage machen durfte, in der ich alles klarstellen konnte. Vielleicht würde mir wenigstens ein paar glauben....

Noch nie in meinem Leben hatte ich so schreckliche Angst davor gehabt, was kommen könnte. Würden sie mich womöglich verbannen? Nicht in meinen kühnsten Träumen wollte ich mir noch so eine Nacht im Labyrinth ausmalen, wie die, die ich schon einmal dort verbracht hatte. Selbst wenn ich diese Nacht überleben würde, könnte ich ja schlecht wieder auf die Lichtung zurückkehren. Ich müsste so viele Nächte im Labyrinth verbringen, bis ich getötet werden würde. Bei dieser Vorstellung zogen sich meine kompletten Innereien zusammen. Den Tod so glasklar ins Auge zu blicken war schrecklich.

Aber das schlimmste an allen war, dass ich Angst hatte, dass Newt von mir enttäuscht sein könnte. Was er sich jetzt von mir dachte? Heute Morgen war doch alles noch in Ordnung gewesen... Ich hatte Angst, dass er sich wieder etwas antun würde, wenn ich gehen müsste oder dass, wenn er mir glaubt, mir folgen würde. Aber die Vorstellung, dass er mir nicht glaubte war auch nicht besser. Egal, was kommen würde, es würde schrecklich werden...

„Tori?", fragte auf einmal eine Stimme und als ich mich zum Fenster drehte, erkannte ich, wie Thomas hinter dem Gitter stand. Er sah verschwitzt und erledigt von seiner Tour aus, aber auf seinem Gesicht konnte ich auch Verwirrtheit und Besorgnis erkennen.

„Thomas", sagte ich uns lief ans Fenster, wobei ich mich auf Zehnspitzen stellen musste, damit ich den Jungen erkennen konnte, „was läuft da draußen ab?"

„Sie erzählen, dass du Gally abgestochen hast", meinte er und kam damit ohne Umwege auf das Thema, „stimmt es, was alle sagen?"

„Nein!", erwiderte ich verzweifelt und spürte, wie wieder Tränen in meinen Augen aufstiegen, „Ich war am Waldrand und dann ist er gekommen. Gally war total durch den Wind und am Ende hat er mein Messer gezogen und sich selbst erstochen und allen gesagt, dass ich es war."
Der Junge schaute mich mit seinen hellbraunen Augen nachdenklich an. Einen Moment sagte er nichts, doch dann meinte er: „Ich glaube dir. Keine Ahnung warum, aber das passt nicht zu dir andere abzustechen und außerdem hat Gally so eine an der Klatsche, dass ich ihn das zutraue."

Erleichterung machte sich in mir breit. Es machte mir Hoffnung, dass mir wenigstens eine Person glaubte und dann war es auch noch Thomas, der zu einen meiner wenigen Freunde hier gehört.

„Auf Minho kannst du sicher auch zählen", versicherte der Junge mir aufmunternd, „der ist wahrscheinlich eher enttäuscht, dass du ihn nicht wirklich erstochen hast. Der mag Gally genau so wenig wie wir."

Er schenkte mir ein kleines, aufmunterndes Lächeln. Aber das Gefühl der Erleichterung hielt nicht länger als einen Moment an, denn auf einmal hörte ich lautes Klirren von Schlüsseln und die Tür zum Bau öffnete sich schwungvoll.

„Mitkommen", sagte eine ziemlich tiefe Stimme, die von den kargen Betonwänden beängstigenden wiederhallte. Mit Gänsehaut auf dem ganzen Körper vor lauter Angst und Nervosität vor dem, was jetzt kommen würde, schritt ich langsam zum Ausgang. Zu der tiefen Stimme gehört ein ziemlicher großer und kräftiger Junge, dessen Name ich nicht kannte, aber von dem ich wusste, dass er bei den Eintütern arbeitete. Ohne irgendetwas zu sagen, umpackte er grob meinen Oberarm und schleifte mich Richtung Gehöft. Ich drehte mich noch einmal zu Thomas um, der am Bau stehen geblieben war und mir aufmunternd zulächelte. Zu gerne wäre ich jetzt einfach bei ihm geblieben und hätte darüber geredet, was er heute im Labyrinth gefunden hatte, aber der Junge zog mich grob über die Lichtung weg von Thomas.

Alles, was wir geben mussten ~Maze Runner FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt