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Zwei Tage später hatte sich nicht viel verändert. Tyler hielt seine Fassade vor den anderen aufrecht. Weder Jenna noch Josh hatten es geschafft, irgendein Wort aus Tyler herauszubekommen und ich hatte es bisher noch nicht versucht, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. 

Während wir aber noch mehrere Stunden Zeit hatten, bis wir weiterfahren würden und Jenna gerade mit Sarah, Josie und Rachel in der Stadt war - ich war so müde, dass ich noch etwas schlafen wollte, aber ich hatte es nach einer schlaflosen halben Stunde aufgegeben - ergriff ich die Chance und stieg zu Tyler und Josh in den Bus. Josh saß am Tisch und tippte auf seinem Bildschirm, während er Oreos aß.

"Hey", sagte ich und er sah auf.

"Hey, wie geht's?"

"Ganz okay", antwortete ich und lächelte mühsam. "Ich wollte mal mit Tyler sprechen... Alleine, wenn es in Ordnung ist"

Josh stand auf und steckte sein Handy in die Hosentasche.

"Ja klar. Ich wollte sowieso noch einkaufen", antwortete Josh und griff nach seinem grauen Rucksack. Er sah mich zwar aufmunternd an, aber in seinem Blick steckte so viel Sorge. Josh verschwand aus dem Bus und plötzlich war alles still. Ich wusste nicht einmal, wo Tyler war. Vielleicht schlief er und ich wollte ihn nicht wecken.

"Tyler?", rief ich vorsichtig in den Bus, erhielt aber keine Antwort.

Ich ging durch den Bus und rief erneut seinen Namen. Leise klopfte ich an die Badezimmertür.

"Tyler?"

"Uh... Ja?", hörte ich seine gedämpfte Stimme durch die Tür.

"Hier ist Kelly", sagte ich nur und kam mir dabei ziemlich bescheuert vor.

Kurz danach hörte ich, wie er die Tür aufschloss und ich wich einen Schritt zurück, obwohl die Tür nach innen aufging. 

"Ich wollte nicht stören", murmelte ich und Tyler schüttelte den Kopf.

"Du störst nicht... Ich wollte gerade duschen, aber das kann ich auch später noch", antwortete er und ich stand schweigend vor ihm.

"Wo ist Josh?", fragte er, nachdem ich nichts sagte und er bemerkte, dass wir alleine waren.

"Einkaufen. Hör zu, Tyler. Hast du einen Moment Zeit?", fragte ich schließlich und Tyler nickte.

"Was ist los?"

"Das würde ich dich gerne fragen", erwiderte ich und nahm wahr, dass Tyler kurz innehielt.

"Was soll das heißen?", fragte er, dabei wusste er sicherlich ganz genau, was ich meinte.

"Dir geht es schlecht, aber du redest mit niemandem. Nicht mit deiner Freundin, noch nicht einmal mit deinem besten Freund! Und was ist mit uns?"

Tyler wurde etwas rot und zwirbelte eine seiner Haarsträhnen zwischen den Fingern.

"Was meinst du?"

"Ich dachte, ich wäre so etwas wie eine Freundin für dich! Wir schreiben fast jede Nacht, weil wir beide nicht schlafen können, du schickst mir Lieder, bevor du sie Jenna oder irgendjemandem zeigst, ich dachte echt, dass ich für dich eine Freundin wäre! Und jetzt erfahre ich eigentlich nur aus Zufall, dass du dich wieder schneidest und ich hätte nichts gemerkt, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, du hast uns allen nur etwas vorgemacht, du versuchst, deine Fassade aufrecht zu erhalten, aber vor wem? Und vor allem, warum? Was geht in dir vor, bitte, Tyler, ich flehe dich an, sprich mit mir!"

Die Worte sprudelten nur aus mir heraus und meine Stimme brach. Ich weinte nicht, aber ich war verzweifelt. Ich hatte furchtbare Angst um Tyler. Er war mir in dieser Zeit wichtig geworden. Es ist paradox, aber aus irgendeinem Grund verstand ich, wie es ihm ging und gleichzeitig hatte ich keine Ahnung. Zu viel an ihm erinnerte mich an meine Mum und vermutlich machte mir genau das Angst. Weil ich wusste, wie das Leben meiner Mum endete.

Tyler hatte sich inzwischen auf die Bank fallen lassen und rieb mit seiner Hand über seine Stirn, während er einen Punkt am Boden fixierte als könne er dort die richtigen Worte finden.

"Es ist nicht so leicht", sagte er. Am liebsten hätte ich ihn gepackt und geschüttelt, damit er mir endlich sagte, was los war. Doch ich hielt mich zurück und wartete darauf, dass er weitersprach.

"Dann erklär es mir. Bitte"

Er sah mich endlich an und lächelte traurig.

"Ich kann nicht"

"Doch. Du kannst"

"Nein"

Ich atmete langsam aus.

"Wieso nicht?"

"Weil... Keiner würde es verstehen. Auch du nicht. Ich... Ich kann nicht"

"Tyler, bitte versuch es wenigstens. Bitte erklär es mir!", ich bettelte ihn inzwischen fast darum, dass er nur irgendetwas sagte. Doch wieder schüttelte er den Kopf. Ich seufzte.

"Okay, hör zu. Egal, was es ist, das dich runterzieht, es gibt immer eine Lösung, für alles. Ich weiß nicht, was dich gerade so fühlen lässt und vielleicht kann ich es auch nicht verstehen. Aber ich möchte nicht dabei zusehen, wie du kaputt gehst. Du bist mir wichtig, Tyler. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne dich tun sollte. Du hörst immer zu, du bist nachts immer wach, wenn ich es auch bin und ich bin quasi immer wach", sagte ich und Tyler lächelte etwas. "Ich möchte nicht, dass du dir so etwas antust, ich möchte nicht, dass du dich verletzt. Denn damit verletzt du mich. Sehr sogar"

Tyler schwieg. Das schien ihn tatsächlich zum Nachdenken zu bringen und das stimmte mich zumindest ein bisschen hoffnungsvoll.

"Ich möchte dich nicht verletzen", sagte Tyler leise.

"Dann verletz dich nicht", flüsterte ich.

Er wollte etwas sagen, doch er beließ es schließlich doch dabei. Ich wusste nicht, ob dieses Gespräch ihm tatsächlich geholfen hatte. Ich wusste auch nicht, ob ihm das wirklich von der Selbstverletzung abhalten würde. Aber ich wusste, dass er zumindest darüber nachdenken würde und das war immerhin ein kleiner Erfolg.

Ich nahm Tyler in den Arm und hielt ihn fest.

"Alles wird gut"

Friend, please. // twenty one pilots Fanfiction // germanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt