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Erleichtert ließ ich mich gegen die Tür meiner Wohnung runtergleiten, bis ich auf dem Boden ankam. Ich knöpfte meine Bluse auf und schmiss die hohen Schuhe in die nächstbeste Ecke. David kam gerade aus der Küche, in seiner Hand einen belegten Bagel. Es war nicht einmal 10 Uhr, doch mein Tag war für heute gelaufen. Zu dem Termin mit meinem neuen potentiellen Interessenten war ich ausnahmsweise mal pünktlich erschienen. Das Gespräch war gut verlaufen, die Verträge wurden unterschrieben, ich hatte sogar den ekligen Prosecco am Ende herunterbekommen.

Wir hatten auf meinen neuen Auftrag angestoßen. Der neue Look von Red Bull, der ein halbes Jahr im deutschen Fernsehen und auf allen erdenklichen sozialen Medien ausgestrahlt werden würde, würde für mindestens drei Jahre mein Design tragen. Wenn es gut ankam, könnte sich das Gehalt, das ich dafür auf Monatsbasis erhielt, auf zwei weitere Jahre verlängern. Es war nicht gerade realistisch, doch ich glaubte nicht einmal daran, dass sich der Vertreter von Red Bull wirklich für meine Ideen interessieren würde. Also vielleicht klappte es ja auch damit.

"Ich hoffe du grinst so vor dich hin, weil der Deal geklappt hat?" Ich nickte schwach und ließ mir von meinem Bruder wieder aufhelfen. Er zog mich in eine stürmische Umarmung und drehte mich einmal im Kreis. Er freute sich fast mehr darüber, als ich mich selbst, aber es lag anscheinend daran, dass ich es noch nicht fassen konnte. Schon am Montag würde die Arbeit losgehen.

"Das muss doch gefeiert werden! Wir könnten heute Abend was trinken gehen. Toni wird sich bestimmt auch freuen und mitkommen. Dann könnt ihr mir mal das Nachtleben zeigen." David ging zurück in die Küche, biss abermals genüsslich in seinen Bagel. Ich schaute ihm nachdenklich nach.

Mein Nachtleben sah in den letzten Tagen anders aus, als es sich mein Bruder wohl vorstellte. Ich konnte froh sein, am Tag noch auf den Beinen stehen zu können, nachdem ich im Durchschnitt nur noch vier Stunden Schlaf abbekam. Ich sollte mich nicht beschweren. Ich hatte mir das so rausgesucht und genau gewusst, dass ich mich nicht nur mit Bushido über sein Album unterhalten würde, bei dem wir mittlerweile gut vorankamen. Es gab schon eingegrenzte Ideen zu dem Cover, doch solange es noch keinen richtigen Titel gab, lohnte sich das Aussehen sowieso nicht.

Dass ich mich dann natürlich auch noch immer öfters mit Capi nachts im Studio traf, so wie ich es immer mit Michael getan hatte, trug zu keinem normalen Rhythmus bei. Ich verbrachte gerne Zeit mit dem Rapper, aber manchmal wurde ich zu melancholisch und dachte mir, dass er nur mein Ersatz für Shindy war. Natürlich war Vladi ganz anders. Er lachte viel mehr und es steckte mich immer wieder an. Er sprach viel mehr, sodass wir Stunden über das immer gleiche Thema hätten reden können, wenn wir nicht lieber schwiegen. Er war viel mehr eben nicht so wie Michael und letztenendes war das auch sehr gut so. Es lag nur an mir, ihn zu vergessen, doch es fiel mir schwer, wenn ich auch nur das Gebäude, in dem sich das EGJ-Studio befand, betrat.

Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, mir einen Abend, eine Nacht von den Rappern frei zu nehmen. Ab nächster Woche würde sich die Arbeit verdoppeln, da konnte ich mich doch jetzt auch noch einmal so richtig gehen lassen, oder? Mit Antonia hatte ich keinen normalen Abend mehr seit etwa zwei Wochen und zusammen ausgegangen waren wir in letzter Zeit nicht, da sie in ihre Prüfungen vertieft und ich in meine Arbeit versunken war. David konnte ich erst in ein paar wenige Restaurants ausführen, da ich kaum Zeit fand und neben einem Kunstmuseum klang 'mit der Stadt und den Menschen bekannt machen' etwas zu übertrieben. Kurz gesagt, mein Bruder hatte bis auf das Brandenburgertor bei seiner Anreise noch nichts gesehen oder erlebt. Das konnte sich ändern.

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Wir waren seit einer Stunde in einer von Toni's und meinen Lieblingsbars. Sie hieß 'The Weekends' Night' und hebte sich von den anderen Kneipen in der Nähe ab, indem man direkt nach Betreten der Bar eine Flasche Alkohol im Austausch für seine eigens mitgebrachte aussuchte. Es gab keinen Tresen, an dem man etwas bestellen konnte. Je mehr Freunde man dabei hatte, desto mehr Alkohol hatte man eben. So war das ganze Vergnügen nicht nur recht billig, sondern man konnte den Alkohol, den man sowieso loswerden wollte, gegen etwas tauschen, was man gerne mochte. So war es bei mir ein Jägermeister im Angebot zu einem mir vehassten Malibu, den mir eine Studentenfreundin auf meinen letzten Geburtstag geschenkt hatte.

Arrhythmie [Rap-FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt