Ich fühlte mich wie an diesem ersten Tag im Studio, nachdem ich wieder bei Anis angefangen hatte. Ich erinnerte mich noch zu gut daran, wie stark sich mein Körper versteift hatte, wie schnell mein Herz schlug, wie hilflos ich mich fühlte, als ich in seine Augen geblickt hatte. Wie sich die Flüssigkeit des Champagners langsam einen Weg über den teuren Laminatboden suchte und ich immer noch erschrocken war von den auf diesem zerbrochenen Scherben. Genauso fühlte ich mich gerade ein weiteres Mal, bloß heute ging aufgrund meiner Reaktion nichts zu Bruch.
Ich traute ihm zu, dass er seine Wohnungstür direkt vor meiner Nase wieder zu zuschlagen würde, aber er starrte mich nur genauso an, wie ich ihn und bedeutete mir dann nach ewigen Sekunden, dass ich eintreten durfte, indem er sich seitlich hinstellte. Sein Blick, der sich, während ich in seine Wohnung kam, in meinen Rücken einbrannte, hatte mich sonst immer rot werden lassen, aber jetzt machte er mich nur nervös und ängstlich.
Es war heute erst der zweite Tag, seitdem ich aus dem Krankenhaus entlassen worden war und eigentlich sollte ich ruhig im Bett oder auf der Couch liegen, um mich weiter zu regenerieren, doch Hussein's Nachricht ließ mich nicht schlafen. Jedes Mal, wenn ich sie wiederholt durchgelesen hatte, war ich von einem Schock so überwältigt gewesen, dass ich einfach weinen musste. Einerseits fühlte ich mich verraten, andererseits fühlte ich mich ertappt. Hussein wusste schließlich die ganze Zeit über, dass ich Capi's Songs gelöscht hatte und ihn hintergangen war. Aber machte ihn das nicht ebenfalls automatisch zu einem Mittäter?
"Willst du was trinken?" Wir gelangten ins Wohnzimmer, in dem ich mich kopfschüttelnd zu ihm umdrehte, um dieses merkwürdige Gefühl der Beobachtung zu überwinden. Er wusste genauso gut wie ich, weshalb ich hier war, weswegen ich die Zeit nicht durch Smalltalk verschwenden wollte. Es war sowieso schon viel zu spät für einen Besuch. Besonders in meiner Verfassung. Ein Wunder, dass mich Toni überhaupt rausgelassen hatte.
"Du hast die SMS gelesen." Es war keine Frage, klar wusste er es. Ich nickte nur, hielt die Luft an, um nicht das Weinen anzufangen.
"Du bist wirklich nicht gut für mich." Nachdem ich diesen Satz ausgesprochen hatte, erkannte ich in seinen Gesichtszügen etwas zwischen Zustimmung und Schmerz.
"Du weißt gar nicht, wie sich mein Herz zusammengezogen hat, als ich erfahren hatte, dass dich Kalil's Kerle doch gefunden haben. Ich mache mir bis heute Vorwürfe, dass ich dich nicht eher informiert habe. Dass sie dich töten wollten." Ich trat einen Schritt zurück, als er einen auf mich zu machte und gerade nach meiner Hand greifen wollte.
"Ich will nicht, dass du mich berührst, Hussein. Ich... Ich habe Angst vor dir." Er runzelte seine Stirn, doch hörte auf meine Bitte und entfernte sich wieder etwas von mir.
"Wieso hast du Angst vor mir?" Auch auf diese Frage hatte er schon eine Antwort, aber er wollte es aus meinem Mund hören. Er wollte Bestätigung. Ich seufzte, unterdrückte dabei das Ziehen an meiner Verletzung.
"Weil ich nicht wüsste, ob du mich ein weiteres Mal verraten würdest, wenn es um dein eigenes Leben ginge." Er schüttelte den Kopf, schnaubte stark aus, als fände er meine Aussage lächerlich.
"Hättest du es nicht getan? Wenn man dir damit droht deine Mutter, das einzige Stück Familie, dass du noch besitzt, zu nehmen? Du hast schließlich auch daraus gehandelt, Vladislav zu schützen." Seine Worte bereiteten mir eine Gänsehaut, denn es war das erste Mal, dass er über seine Familie sprach. Ich wusste nicht, dass er keinen Vater hatte. Den Grund wollte ich gar nicht wissen. Aber ja, ich konnte nichts dagegen erwidern.
Er sprach nicht, ich sprach nicht. Er atmete aus, ich atmete ein. Mein Blick sank zu Boden, er dagegen beobachtete mich, wie er es schon die letzten Tage und Wochen machte.
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Arrhythmie [Rap-FF]
FanfictionNach einem Jahr ohne Kontakt, wird Luisa von ihrem ehemaligen Chef, Anis Ferchichi, alias Bushido, zu den HipHop.de Awards eingeladen. Die Grafikdesignerin wird schnell in ihr früheres Leben zurückkatapultiert und bekommt die Chance, abermals für...