Ich zündete mir auf dem Balkon zu meinem ehemaligen Kinderzimmer eine Zigarette an, reichte sie ihm, doch er lehnte ab. Ich glaubte nicht, weil er plötzlich vom Nikotin losgekommen war, sondern weil dieser plötzliche Austausch von ein und der gleichen Kippe zu viel des Guten für ihn war. Wir hatten das früher immer gemacht und er wollte nicht an früher erinnern, sondern mit mir das Hier und Jetzt besprechen. Deshalb, glaubte ich zumindest, war er hier so spät, am Tag vor der Silberhochzeit meiner Eltern, aufgetaucht.
Ich hatte ganz vergessen, dass er wusste, wo sich das Haus meiner Familie befand. Hier hatte er mich ab und zu besucht, wenn ihm sogar noch in unserer Freizeit etwas für ein neues Design eingefallen war und er unbedingt mit mir reden musste. Dann hatte er mir als Entschädigung von der Tanke in meinem Dorf eine Schachtel Marlboro und eine Tüte Gummibärchen mitgebracht, weil er wusste, dass ich sie liebte. Noch bevor ich ihm jedoch anbieten konnte, im Gästezimmer zu schlafen, weil es meist schon zu spät war, um noch wo hinzufahren, hatte er sich meist schon verabschiedet und war gegangen. Es war eine schöne Erinnerung, aber das war einmal.
Das erste Mal, seitdem er hier aufgetaucht war, schaute ich ihn mir näher an. Anders, als ich Michael in Erinnerung hatte, waren seine Haare kürzer. Nur sein Bart war so geblieben, wie er ihn ausmachte. Seine Klamotten erschienen mir noch genauso teuer, aber vor allem sein Gesicht fiel mir ins Blickfeld. Er sah nicht mehr so müde aus, seine Haut erschien in einer gesunden Farbe und er wirkte ausgeschlafen und zufrieden. Das Leben als Angestellter bei einem Label war für niemanden gesund. Klar, man machte das Ganze, weil man sich damit identifizieren konnte, aber ich merkte es an mir selbst. Auch wenn man das alles mit Freude betrieb, zehrte es einen aus. Davor konnte Michael anscheinend fliehen.
"Schau mich nicht so an. Diesen Blick habe ich schon immer an dir abstoßend gefunden." Der Rapper schmunzelte, als wolle er die Spannung zwischen uns nehmen. So tun, als hätten wir uns das letzte Mal vor drei Tagen gesehen und nicht etwa vor über einem Jahr. So tun, als wären wir im Guten auseinandergegangen, obwohl wir uns gehasst hatten. Ja, abstoßend fanden.
"Ich muss dich aber anschauen. Du kommst mir zu fremd vor. So unwirklich, dass du hier vor mir auf meinem Balkon stehst." Ich nahm ihm sein Grinsen wieder, weil ich alles wollte, außer eine spaßige Unterhaltung. Ich zog nochmal an der Zigarette.
"Da siehst du mal, wie ich mich gefühlt habe, als mir Katarina erzählt hat, dass ein junges, braunhaariges Mädchen mit tiefblauen Augen vor meinem Apartment stand und nach einem Michael Schindler gefragt hat." Ich war froh, dass es zu dunkel war, sodass er nicht meine roten Wangen sehen konnte. Seine Freundin hatte ihm wirklich von mir erzählt...
"Und wie kamst du da auf mich? Es hätte jede sein können." Ich aschte am Geländer ab und ließ die fertig gerauchte Kippe in einem kleinen Aschenbecher verschwinden. Dabei musste ich ihn wenigstens nicht ansehen.
"Ich kenne keinen Menschen auf dieser Welt mit so schönen blauen Augen. Da war das für mich ganz einfach. Ich habe plötzlich das Bedürfnis empfunden, mit dir zu sprechen und als du nicht in deiner Wohnung anzutreffen warst, hat mir deine Freundin gesagt, dass du übers Wochenende bei deinen Eltern wärst." Ich verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke und sah ihn mit aufgerissenen Augen an.
"Du warst bei mir Zuhause? Woher..."
"Es ist ja nicht so, dass wir uns nicht schon vier Jahre lang kennen und uns fast jeden Tag gesehen haben. Natürlich weiß ich noch, wo du wohnst." Ich zuckte mit den Schultern und blickte hinunter in den Garten, in dessen Fischteich leises Plätschern zu hören war.
"In einem Jahr kann sich viel ändern, nicht? Du bist schließlich auch umgezogen und hast... Jemanden kennengelernt." Diese letzte Bemerkung klang verbitterter, als ich es wollte und ich ärgerte mich, dass Michael sofort meine Mauer eingerissen hatte. Ich wollte diese Sache gar nicht ansprechen und doch tat ich es.
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Arrhythmie [Rap-FF]
FanficNach einem Jahr ohne Kontakt, wird Luisa von ihrem ehemaligen Chef, Anis Ferchichi, alias Bushido, zu den HipHop.de Awards eingeladen. Die Grafikdesignerin wird schnell in ihr früheres Leben zurückkatapultiert und bekommt die Chance, abermals für...