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"Und du warst dir sicher, dass er es nicht war, Lu? Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich einfach irgend so ein Typ hätte stellen wollen." Antonia ließ ihr Besteck demonstrativ in ihren tiefen Teller, der noch vor wenigen Minuten mit Spaghetti Carbonara gefüllt war, fallen und nahm nach ihrer kleinen Rede, die bereits seit knapp 15 Minuten fast kein Ende nehmen wollte, einen großen Schluck von ihrem Weißwein. Wiederholt schüttelte sie grübelnd den Kopf.

David und ich schauten ihr stumm dabei zu. Ich nahm ebenfalls einen großen Schluck von meinem Rotwein, wollte gar nicht damit aufhören, den Alkohol meine Kehle hinunterfließen zu lassen. Doch anders als meine beste Freundin, hatte ich zumindest einen richtig guten Grund, davon nicht abzulassen. Es war knapp eine Woche her, seitdem ich im Polizeirevier diese Falschaussage gemacht hatte und trotzdem beklagte sich jeden Tag jemand Neues über diesen Vorfall.

Zuerst der Chefkommissar Herr Dietz selbst, dann wenige Minuten später, nachdem ich in der Empfangshalle wieder mit Anis zusammengekommen war, er. Am nächsten Tag waren es meine Eltern, David und Antonia, wobei die Letztere bis heute, vier Tage danach, immer noch nicht damit aufhörte. Sie wollte es nicht einfach so für gut heißen. Sogar Vladislav, der gestern kurz im Studio von Anis vorbeigeschaut hatte, musste mit sich unterschwellig kämpfen, um sich nicht doch lauter darüber aufzuregen, als gewollt. Er hatte es immer noch in sich drin... Mich zu verteidigen, auch wenn er damit aufhören sollte. So war es besser, für ihn und für mich.

Der Einzige, der die ganze Zeit über still war und nie irgendeinen Beitrag zu den kleinen Diskussionen im Studio leistete, war Hussein. Er wusste sich gekonnt zurückzuhalten, rauchte stattdessen lieber eine ganze Packung Marlboro, anstatt auch nur ein Wort über den letzten Montagabend zu sagen. Er schwieg wie ein Lamm, zumindest bis gestern Abend. Schon am Nachmittag war die letzte Absegnung des Merchandise von Bushido's Album „Mythos" eingegangen und Sergen, der die Fotos von den männlichen und weiblichen Models für den Onlineshop gemacht hatte, Anis selbst und ich stießen mit einem Kaffee, den wir drei alle dringendst gebraucht hatten, auf das damit beendete Projekt an.

Wir waren froh, dass die Arbeit endlich ein Ende genommen hatte, auch wenn zumindest der Merchandise wegen meines Unfalls drei Wochen später raus kam, als geplant. Doch Anis wollte nichts ohne mich beendet haben und somit hatten wir es auf diese Weise durchgezogen. Zum Glück mit vielversprechenden Ergebnissen, die sich sehen lassen konnten. Dadurch war meine Arbeit bei EGJ offiziell beendet und der Vertrag erfüllt worden. Ich war keine Angestellte mehr bei Anis und seinem Label und irgendwie wurde mir das erst bewusst, als ich meine restliche Kleidung oder andere Dinge, die ich hier über die Monate verteilt hatte, in den Kofferraum meines kleinen Fiats verstaute und den Deckel schloss.

"Wie schnell die Zeit vergeht." Ich zuckte vor der Stimme, die einige Meter neben mir auf dem Bürgersteig erklang zusammen. Es war bereits schon lange dunkel. Wie gesagt kam der Winter mit immer größeren Schritten auf uns zu. Vielleicht auch deswegen konnte ich seinen Atem, der indirekt von den Straßenlaternen beleuchtet wurde, in den Himmel hinaufsteigen sehen. Ihn dagegen konnte ich kaum erkennen. Dunkel angezogen wie immer, in einer seiner Jogginghosen, einem Hoddie, den weißen Sneakers. Oh ja, das war so ziemlich sein Lieblingsoutfit. Ich lächelte.

"Ja und viel kann in diesen wenigen Tagen passieren." Jetzt lachte er auch, etwas zurückhaltend, während er mit langsamen Schritten auf mich zukam.

"So wenige Tage waren es ja jetzt auch wieder nicht, Lusie. Es waren lange, harte und nervenzehrende Nächte, auch besonders für dich. Und wenn du es vielleicht schon längst warst, bist du für Capi und mich auch ein Mitglied dieses Teams geworden. Du musstest genauso viel, wenn nicht sogar mehr durchmachen." Ich zuckte ablassend mit den Schultern. Legte meine Hände an die Taille und blickte zu den Sternen hoch.

Arrhythmie [Rap-FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt