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Ich beobachtete die Häuser, die hell beleuchtet an mir vorbeizogen und die Nacht in Berlin in Tag tauchten. Den Unterhaltungen und dem Gelächter, die Capi's Mercedes füllten, schenkte ich keine Beachtung. Er und Juju machten Späße auf der Rückbank, wie kleine Kinder. Sie lachten, ärgerten sich gegenseitig und übertrafen somit meine schlechte Stimmung und Hussein's Stille, da er sich aufs Fahren konzentrierte. Ich wusste, dass er mir immer wieder seinen Blick schenkte, doch achtete nicht darauf und hielt mich an die Straßen, die mir jedes Mal bekannter wurden, wenn ich zu Vladi's Wohnung fuhr.

Am liebsten hätte ich diesen Termin heute Abend absagen wollen. Auch nach vier Tagen erwischte ich mich, wie ich schlaflos die sowieso schon wenigen Stunden, die mir in der Nacht blieben, damit verbrachte, dieses Gesicht dieser blonden Frau vor mir aus meinem Kopf zu bekommen. Ich redete mir ein, dass dieser Ring, der sich besonders in mein Gedächtnis eingebrannt hatte, nur irgendein Ring war. Ein Schmuckstück, das gut aussehen sollte, doch ich schaffte es nicht.

Michael war in diesem Jahr schließlich nicht aus der Welt verschwunden. Er hatte sein Leben weitergelebt, neue Menschen kennengelernt und... Sie kennengelernt. Sie anscheinend lieben gelernt und sich mit ihr verlobt. Das war eine Tatsache, die sich nicht einfach so umkehren ließ und eigentlich sollte ich mich in erster Linie nicht nur damit abfinden, sondern vor allem sollte es mir am Arsch vorbeigehen. Michael war derjenige, der sich vom Label trennte und seinen eignen Weg gehen wollte. Wieso sollte ich ihm jetzt folgen, nur weil ich unserer gemeinsamen Zeit hinterherjagen wollte? Dass ich mich mit diesem Geschehnis vor seiner Wohnung jedoch insgeheim länger rumplagen würde, als ich es mir jetzt einredete, blieb mein Geheimnis.

Hussein's Hand an meinem Unterarm ließ mich hochfahren. Juju und Capi waren schon längst ausgestiegen und schlenderten lachend auf das Wohnhaus zu, in dem Vladi lebte. Zumindest noch. Er hatte vor, in den nächsten Monaten auszuziehen und sich etwas größeres am Stadtrand zu suchen. Ich schaute den beiden nach und war mir sicher, dass der Song perfekt werden würde. Ich hatte Juju bisher nur auf ihren eignen Lieder gehört, doch schon alleine von ihrer Art her passte sie super zu Capi. Die beiden kamen rüber, wie ein eingespieltes Team.

"Seh ich da etwa einen neidischen Blick?" Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf Hussein, der mich von draußen durch den Rahmen der Fahrerseite angrinste und provokant mit den Augenbrauen zuckte. Ich schnallte mich genervt stöhnend ab und stieg ebenfalls aus dem Wagen. Über das Dach des Mercedes schenkte ich ihm einen giftigen Blick, den ich nicht ernst meinte.

"Ich glotze Juju wenigstens nicht 24/7 auf ihren Arsch." Meine Stimmung ließ es sehr gut zu, dass ich ihm Konter bot.

"Naja, wenn mal ein Arsch zur Verfügung steht." Autsch. Ich hätte mir diesen fiesen Diss fast denken können, doch irgendwie verletzte dieser Satz mich mehr, als sonst. Ich schob es auf meine Sensibilität, die mir in letzter Zeit bei jeder noch so kleinsten Ungelegenheit Tränen in die Augen trieb. Die Arbeit, die Müdigkeit und dann auch noch die Vorfälle mit Toni, David und Michael waren keine gesunde Kombination.

Ich wandte mich von dem Rapper ab, der sicherlich nicht damit gerechnet hatte, dass ich ihm nicht wie sonst immer einen guten Widerstand leistete. Das war das, was mich und ihn in den letzten Tagen seit dem Kuss ausmachte. Er versuchte mich zu reizen. Entweder, weil er es lustig fand oder weil er mich aufmuntern wollte, in der Hoffnung, ich hätte den gleichen Humor. Dieser Fall wäre jedoch fast schon zu human für ihn. Ich ging auf seine Bemerkungen ein und dann warfen wir uns Sätze an den Kopf, wie in einem billigen Battlerap.

Meistens war er derjenige, der nach einigen Minuten aufhörte, einfach so. Dann redeten wir kein Wort mehr miteinander für den restlichen Tag. Heute aber war ich es das erste Mal gewesen, die abbrach und das relativ schnell für meine Verhältnisse. Ich spürte, dass er es sich schon denken konnte. Schließlich war er der Einzige gewesen, der mich während der gesamten Fahrt immer gemustert und sicherlich gesehen hatte, dass ich stiller, als sonst war.

Arrhythmie [Rap-FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt