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"Lu, so können wir nicht mehr arbeiten! Du bist meine Grafikdesignerin fürs Album und machst zusammen mit Sergen Vladi's Singlecover. Nicht mehr und nicht weniger. Klar könnt ihr alle zusammen abhängen, aber besonders du solltest wissen, wann Schluss ist." Ich fuhr mir überfordert durch die Haare, während ich von der Tankstelle der Autobahn kommend wieder in meinen Fiat stieg und die Fahrertür zufallen ließ.

Es war Freitagfrüh und ich hatte noch 30 Kilometer bis zum Haus meiner Eltern vor mir. Natürlich hatte ich für die doch recht kurze Strecke nicht ausreichend getankt, sodass ich noch einmal eine kleine Pause einlegen musste. Typisch ich. David musterte mich währenddessen neugierig auf dem Beifahrersitz sitzend und lauschte Anis' Stimme am anderen Ende der Leitung, die mir sicherlich schon einmal friedlicher rübergekommen war.

Der Grund für seine alles andere als erfreute Stimmung war der gestrige Abend in Capi's Wohnung. Nachdem Hussein und ich nur knapp den Augen von Juju und Vladislav entkommen waren, ich jedoch mein Ziel der Ablenkung erfolgreich erreicht hatte, so hart das klang, war uns der Alkohol doch etwas zu sehr zu Kopf gestiegen. Wir alle, außer Hussein, tanzten, tranken und unterhielten uns viel über Dies und Jenes. Hussein selbst ist relativ früh gegangen, jedoch nicht, ohne mir einen Blick zu schenken, den nur wieder beide verstanden hätten. Dass diesem Kuss ein Gespräch folgen würde, war uns beiden klar.

Das, was jedoch ausschlaggebend wurde für den heutigen Anschiss von Anis, waren Juju's und Capi's Instagramstories, in denen man eine nur allzu angetrunkene Luisa sehen konnte, die alles andere, als professionell oder in ihren Job vertieft erschien. Ich hatte mir diese Videos heute nur schon zu oft angesehen und gehofft, sie würden sich in Luft auflösen, doch das taten sie nicht. Ich hatte schon versucht, die beiden Rapper anzurufen, um sie zu bitten, die Stories zu löschen, aber leider nahm keiner an. Es war zu früh, die beiden schliefen sicherlich noch. So musste ich mir also eine Moralpredigt von meinem Chef anhören und wollte am liebsten im Erdboden versinken.

"Nach deinem Kurzurlaub werden wir etwas mehr Arbeit ins Album stecken. Der Name soll jetzt bis spätestens Donnerstag feststehen und das Fotoshooting fürs Cover findet nächstes Wochenende statt, okay? Da wird viel Arbeit auf uns zukommen, Lu, und ich hoffe, dass ich auf dich zählen kann." Ich hätte mich in einer anderen Situation vielleicht beschwert, da besonders der Termin für das Fotoshooting so gar nicht in meinen Kalender passte, weil ich sowohl am Freitag, als auch am Samstag Verabredungen mit dem Designerteam von Red Bull hatte, doch stattdessen stimmte ich nur zu und versicherte ihm meine Kooperation. Daraufhin wünschte mir Anis schöne Tage bei meinen Eltern und legte schneller, als gedacht, auf.

"Stress mit dem Label?" Ich legte mein Handy in die Seitentür und nickte seufzend. Anders, als ich es geglaubt hatte, war David zwar kein riesen Fan von den Rappern und meinem Willen, mit ihnen zu arbeiten, doch er akzeptierte es genauso, wie Toni und ihm musste ich nicht fast nächtlich etwas über sie erzählen, um sich mit ihnen warm zu machen.

Das war der Fall bei meiner besten Freundin. Einerseits fand ich es gut, dass sie was darüber hören wollte, andererseits merkte ich immer wieder, dass sie das eher wegen mir versuchte, anstatt sich langsam damit abzufinden und es gut zu finden, was ich tat. Doch solange wir dadurch in keine Streitigkeiten gerieten, war mir alles recht. Jedoch verschwand in mir immer noch nicht das Gefühl, dass sich etwas in ihr anstaute und ich wusste nicht, wann das raus wollte.

Ohne weitere Konversation zwischen mir und meinem Bruder, fuhren wir auf der Autobahn weiter Richtung Beelitz. Das war die kleine Stadt, in der wir geboren und aufgewachsen waren. Auch wenn sie nicht den Eindruck machte, brachte unsere Heimatstadt eine bekannte Geschichte mit sich, denn hier, etwas außerhalb der Stadtmitte, gab es eine Heilanstalt namens Beelitz-Heilstätten. Sie wurde vergangenes Jahr zum grusligsten Gebäude in Deutschland gekürt, doch so 'gruselig', wie die Medien die Anstalt hinstellten, war sie gar nicht. Schon früher, als wir kleine Kinder waren, spielten wir mit Freunden um das Gebäude herum, da besonders die Bäume perfekt zum klettern geeignet waren. Die Einwohner verspürten so ziemlich die geringste Angst vor dem Tourismusmagneten und das würde auch so bleiben. Egal, wie viele Geistergeschichten herumerzählt wurden.

Arrhythmie [Rap-FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt