Ich starrte an die Decke des Studios und folgte dem Rauch, der sich langsam immer weiter nach oben schlängelte. Meine Pupillen bedeckten fast meine ganze Iris, so ein Gefühl erfasste mich. Im Raum herrschte eine gemischte Stimmung. Entweder lachten wir oder wir lauschten dem Atem des anderen. Unsere Köpfe lagen nebeneinander, unsere Körper in der jeweils anderen Richtung. Wir redeten nicht miteinander, teilten uns nur Joint nach Joint, bis unsere Sinne zu abgestumpft waren, sodass wir nicht einmal mehr vom Boden aufkamen und einfach weiter liegen blieben. Es war, so glaubte ich, mittlerweile Mittwoch. Als ich das letzte Mal auf die Uhr geschaut hatte, war es irgendwas um 1 Uhr früh.
Ich liebte diesen ruhigen Moment so sehr, dass es sich so anfühlte, als würde man mir meine Lungen zusammendrücken und ich die letzten Sekunden meines Lebens noch auskosten müsste. Es war ein nichtiger Gedanke, aber er ließ so viel Ansporn in mir aufkommen, dass ich mich in einen Schneidersitz begab und in den trüben Raum schaute. Erst jetzt wurde mir klar, dass wir mehr, als nur zwei Joints geraucht hatten. Vladi, so glaubte ich, hatte gar nicht mitbekommen, dass ich es inzwischen geschafft hatte, auf die Beine zu kommen.
Ich wollte ihn gar nicht stören, weshalb ich nach hinten in die Küche ging und mir einen Energiedrink aus dem Kühlschrank holte. Dabei zog sich mein Magen zusammen. Ich hatte unendlich großen Hunger bekommen. Soweit ich mich noch erinnern konnte, gab es in der Nähe einen Kebabladen, der zumindest immer dann offen hatte, wenn ich da war. Ohne Capi, der anscheinend schon fast anfing einzuschlafen, Bescheid zu sagen, verließ ich das Studio und zündete mir auf dem Weg nach draußen eine Kippe an. Der Geschmack von Tabak und Monster war zu vertraut.
Ich ging den gewohnten Weg durch das Viertel, ließ mich gar nicht von den Blicken der einzelnen Männer und Frauen, die um die Uhrzeit noch auf den Straßen unterwegs waren, stören und kam nach einer weiteren Kippe an meinem gewünschten Ziel an. Im Inneren des Imbiss' waren noch zwei weitere Männer anwesend, die anscheinend auf ihre Bestellung warteten. Als ich reinkam, warfen sie mir einen abschätzenden Blick zu, bis ich Cem von hinten aus dem Hinterzimmer kommen sah und auf seinem Gesicht ein Strahlen erschien.
"Lu! Das wir uns noch einmal sehen! Wie immer das Übliche?" Ich nickte, da ich erstens nicht mehr wusste, wie man richtig sprach und zweites, mich überraschen lassen wollte, was ich noch so vor zwei Jahren immer für Anis, Michael und mich bestellt hatte. Cem war immer anwesend gewesen, wenn ich zu später Zeit noch hier antanzte.
Ich musste automatisch an Hussein denken, den ich seit letzter Woche nur noch einmal gesehen hatte. Natürlich behandelte er mich weiterhin wie Luft, doch ich konnte irgendwie nicht locker lassen. Es gab einen Grund, wieso ich mit ihm in dieser Nacht gegangen war. Er hatte etwas in mir ausgelöst, was noch nie jemand geschafft hatte und ich musste zugeben, dass ich unsere Diskussionen, die wir bisher geführt hatten, auch wenn er nicht schlimmer hätte sein können, im Nachhinein so anders fand, fast faszinierend. Ja, diese Logik, aber dann hatte er mich wenigstens beachtet. So, wie in seiner Wohnung. Als er mir das Gefühl gab, ich würde ihn am nächsten Tag und in den nächsten Wochen wieder sehen. Am Ende kam es dazu nicht, aber konnte ich mich so stark in einer Person täuschen?
"Die Bestellung geht aufs Haus, Lu. Sag den Jungs schöne Grüße von mir." Ich erwiderte nichts, grinste ihm nur zur Verabschiedung zu. Ich war zu high, um jetzt in große Gespräche zu investieren, besonders, wenn ich dem Verkäufer hätte sagen müssen, dass es diese 'Jungs' nicht mehr gab. Es sie nie wieder geben würde.
Ich kam ziemlich schnell wieder beim Studio an, vor dem es sich jemand gemütlich an der Fassade gemacht hatte. Sein Kopf schwankte in meine Richtung und er grinste mich an. Capi atmete tief ein und drückte sich von der Wand ab, um mir entgegen zu kommen. Seine Augen richteten sich auf die Tüte in meiner Hand, er entnahm sie mir und schaute rein. Mit dem nächsten Griff nahm er sich einen Dürüm raus und reichte mir wieder den Rest der Bestellung. Beherzt biss er rein und blickte gen Himmel. Ja, es gab nichts besser, wie schon gesagt.
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Arrhythmie [Rap-FF]
FanfictionNach einem Jahr ohne Kontakt, wird Luisa von ihrem ehemaligen Chef, Anis Ferchichi, alias Bushido, zu den HipHop.de Awards eingeladen. Die Grafikdesignerin wird schnell in ihr früheres Leben zurückkatapultiert und bekommt die Chance, abermals für...