Es herrschte Stille in Anis' Wagen. Es war keine unangenehme Stille, sie drückte Zufriedenheit aus. Der Abend war gut verlaufen, besser, als ich es für möglich gehalten hatte. Vladi war der Abräumer des Abends gewesen mit drei Awards und auch sonst versprühte die Veranstaltung das Gefühl von früher. Meinem Leben zu Zeiten bei EGJ. Das Gespräch hatte ich mit Anis noch nicht gesucht, selbst wenn wir mittlerweile alleine waren. Vladislav war erst gar nicht mehr mitgekommen. Die Aftershowparty hatte es ihm wahrscheinlich zu sehr angetan, doch ich musste sagen, dass ich ihn mit jeder Minute besser leiden konnte, als noch am Anfang. Es schien, als konnte man mit ihm viel lachen.
Ich lauschte den stillen Klängen des Radios, die ich ausnahmsweise einmal in meinem Leben besser kannte, als die neusten Raptracks. Ja ich sollte mich dafür schämen, doch was konnte ich schon dafür? Schließlich hatte ich nach dem Label auch mit dem Rap aufgehört. Ich dachte, wenn ich es nicht mehr verfolgen würde, wäre die ganze Sache vergessen und somit auch meine Vergangenheit. Dass man seine Vergangenheit jedoch nur schwer vergessen konnte, wusste ich bis dahin ja nicht.
"Du bist so ruhig. Hast zu viel mit den anderen Rapper geredet?" Ich erkannte sein Grinsen aus meinem Augenwinkeln und schüttelte den Kopf.
"Es ist einfach nur sehr viel Geschehen, was da auf mich eingeprasselt ist. Es war komisch so viele alte Gesichter zu kennen, die man eigentlich gar nicht mehr kennt, weißt du? Ich war ehrlich überrascht, dass mich so viele von ihnen angesprochen haben." Der Rapper nickte verständlich und bog in meine Straße ein. Die Fahrt war zu schnell vergangen, denn eigentlich liebte ich dieses Gefühl, was zwischen uns hier herrschte. Diese Vertrautheit, ohne irgendjemanden, der dazwischenfunkte. Wir mussten nicht miteinander reden. Es reichte schon, dass wir zusammen waren.
"Ja, aber es war sicherlich schön für dich. Das hat man dir zumindest angesehen. Die Leute vergessen jemanden wie dich nicht so schnell, Lu. Du stichst heraus, obwohl du es gar nicht willst." Der Mercedes kam leise vor sich hin brummend zum Stehen, während ich mich abschnallte. Ich wollte mich schon von ihm verabschieden, als mir noch einfiel, dass ich ihm noch gar nicht meine Entscheidung mitgeteilt hatte.
"Achja und Anis... Das Angebot, das du mir gestellt hast... Ich würde es gerne annehmen unter einer Bedingung." Der Rapper stieg aus dem Wagen, ich folgte ihm und schmiss die Beifahrertür zu. Er zog nachdenklich die Stirn kraus.
"Ich möchte weiterhin selbstständig bleiben. Als Grafikdesignerin bei dir zu arbeiten wäre sozusagen nur ein weiterer Auftrag oder eine Art Nebenjob. Ich habe es geschafft mir in diesem Jahr etwas eingenständig aufzubauen und das noch mit Erfolg. Ich habe Tage und Nächte lang durchgearbeitet, nur für meine Arbeit, die ich auch liebe, die mir niemand mehr nehmen kann. Ich kann das nicht einfach so alles hinschmeißen, verstehst du?" Ohne eine Antwort nahm er mich in seine Arme, mein Kopf an seine Brust gepresst. Ich wusste nicht, was ich spüren sollte. War es so etwas wie Erleichterung? Freude? Verwirrung? Ich hatte keinen Plan.
"Klar, das ist dein jetziges Leben und ich könnte dir deinen Triumph auch niemals nehmen. Ich kann nicht so egoistisch sein und denken, du hättest diese vielen Monate nur wieder auf mich gewartet. Nein, dein Leben hat sich fortgesetzt und wenn du das so willst, dann können wir das so machen. Wir können noch morgen die Verträge unterzeichnen und du bist wieder bei EGJ, wenn vielleicht auch nur zu einem kleinen Teil. Wenn du zufrieden bist, warum sollte ich es nicht auch sein?" Zur Bestätigung drückte ich mich noch fester an ihn und nickte gegen seinen Oberkörper.
Nachdem wir uns aus der Umarmung zogen, begleitete mich Anis noch vor meine Wohnungstür. Es war mittlerweile kurz vor 12 und wir mussten besonders leise sein, was mir jedoch schwer fiel, da ich sofort zu Beginn fast die Treppe hochstolperte, da das gesamte Treppenhaus in Dunkelheit getaucht war. Unser unterdrücktes Gelächter endete in einer wiederholten Umarmung zum Abschied in meiner Etage. Dabei konnte ich nicht verhindern seinen Duft ein letztes Mal einzuatmen. Er bemerkte es sofort und musste lachen. Ich hatte meinen Chef mehr vermisst, als ich es zugeben wollte. Er war immer fair zu mir, er war mein Freund, er war fast ein kleines Bisschen wie ein Vater für mich.
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Arrhythmie [Rap-FF]
FanfictionNach einem Jahr ohne Kontakt, wird Luisa von ihrem ehemaligen Chef, Anis Ferchichi, alias Bushido, zu den HipHop.de Awards eingeladen. Die Grafikdesignerin wird schnell in ihr früheres Leben zurückkatapultiert und bekommt die Chance, abermals für...