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Ich liebte den Mittwoch. An diesem Tag schien mir die Zeit immer zu schnell zu vergehen und danach sehnte ich mich gerade sehr. Es war sicherlich mein bisher längster Arbeitstag bei Red Bull, da ich mich den ganzen Tag nur durch Konferenzen und Präsentationen kämpfen musste. Mein Blick fiel gefühlt jede Sekunde auf meine Armbanduhr, die eigentlich etwas zu fest um mein Handgelenk lag. Meine Gedanken das erste Mal nicht richtig fokussiert. Ich konnte nicht.

Nach Antonia's Wutausbruch und dem folgenden Rausschmiss aus unserer gemeinsamen Wohnung, der sich darin wiedergespiegelt hatte, dass mir Toni ins Gesicht schrie, dass ich mich erst einmal nicht mehr bei ihr blicken lassen müsse, hatte mir Capi angeboten, die nächsten Tage bei ihm zu schlafen. Aus meiner eigenen Überforderung, den Tränen, die ich in diesem Moment tapfer zurückgehalten hatte und der benebelten Wahrnehmung, hatte ich das Angebot dankbar angenommen. Vladi bot mir sein Bett an. Frisch bezogen und mit sicherer Garantie, dass sein Kater Paule mir immer einen Besuch abstatten würde. Der Rapper machte es sich in dieser Zeit auf seinem Sofa im Wohnzimmer bequem. Hussein hatte Recht. Vladi hatte ein gutes Herz und war Gentleman durch und durch, auch wenn man es nicht von ihm erwartete.

Hussein selbst konnte ich bisher noch nicht zur Rede stellen. Wir hatten uns nach dem Kuss gestern Nachmittag wieder im Studio getroffen. Dieses Mal jedoch mit der kompletten Mannschaft, plus Anhang, was bedeutete, dass die Bude voll war. Sergen musste seine Freundin mitnehmen. Anis einen früheren Kumpel aus Aggro-Berlin-Zeiten. Neben mir, Capi und Hussein gab es da dann eben auch noch Lukas und Nura und Juju von SXTN, von denen Juju wohl das Feature von Capi's Song 'Melodien' werden soll. Mir waren die beiden Mädchen sympathisch, doch manchmal wünschte ich mir eine ruhige Minute. Die Rapperinnen konnten ganz schön aufdrehen, wenn sie wollten.

Meine darauf dann doch recht zurückhaltende Stimmung, während ich mich mit Capi und Sergen über Ideen für das Cover der Single unterhielt, blieb nicht unbemerkt. Hussein schaffte es, zwischen diesen ganzen Menschen im Studio seine Aufmerksamkeit auf mich zu bündeln und es mir auch zu zeigen. Neben dem Drang, die ganzen Stimmen für einige Minuten mal auszuschalten, schaffte ich es, ihm durchdrängende Blicke zuzuwerfen. Anstatt, dass er jedoch aufhörte, grinste er nur vor sich hin und versuchte einen kleinen Kampf daraus zu machen. Noch bevor ich dachte, dass ich gewonnen hätte, war es ein Uhr früh und er hatte sich unauffällig mit Lukas verpisst, während ich später erst um drei Uhr erschöpft in Capi's Bett gekommen und sofort in einen traumlosen Schlaf gefallen war.

Jetzt, nachdem auch der letzte Termin für diesen Tag beendet und ich nur darauf aus war, nach Hause zu kommen, mich heiß zu duschen, um dann einen langweiligen Film auf Capi's Netflixaccount zu schauen, eilte ich, in der Hand mein Smartphone haltend, ins Parkhaus zu meinem Wagen. Ich ging meine Nachrichten durch, doch bis auf ein viel zu spätes 'guten Morgen, Süße' von Capi und einem 'morgen bitte um 15 Uhr bei mir zu Hause, wenn das für dich klar geht' von Anis gab es nichts neues. Besonders nichts neues von Antonia oder David. Ich hatte schon seit gestern früh versucht, einen der beiden ans Handy zu kriegen, aber bis auf David's einfallslose Mailbox bekam ich keine Resonanz. Ich hatte vor, bis spätestens Freitag einen von ihnen, am besten beide, zum Reden zu bringen. Besonders bei meinem kleinen Bruder erhoffte ich mir einiges, da er ja auch im Grunde nur wegen mir nach Berlin gekommen war.

Ich fuhr durch die Hauptstadt mit aufgedrehter Anlage. Ich mochte es nicht laut, doch gerade heute nach diesem besten Beispiel von Langeweile am Arbeitsplatz, brauchte ich Abwechslung. Die Fenster des Autos standen ganz unten, sodass mir die frische Fahrtluft ins Gesicht bließ und jeder auf den Straßen verstand, dass ich Capital Bra hörte. Dieses Auffällige stand mit gar nicht, ich hasste es auffällig zu sein, aber auch das ging mir am Allerwertesten vorbei. Mich konnte heute, um halb sechs, jeder am Allerwertesten. Mein Leben stand Kopf. Ich hatte keinen festen Wohnsitz, sondern pennte bei einem Rapperkollegen. Ich hatte keinen Schlafrhythmus, denn ich arbeitete nach dem normalen Job bei Red Bull meistens noch bis in die frühen Morgenstunden für Anis. Meine beste Freundin und mein Bruder hassten mich anscheinend und diese Tatsache verletzte mich mehr, als ich es gerade brauchen konnte. Ich benötigte gerade nichts an Ablenkungen, aber zum Glück hatte ich ja noch Hussein, der mich bis in meinen Schlaf verfolgte. Ja, Ironie an, bitte.

Arrhythmie [Rap-FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt